dortmund neuDortmund als Stadt und der BVB als Gegner – das war in den letzten Jahren für Borussia Mönchengladbach kein gutes Pflaster. Die letzten 8 (!) Begegnungen in der Bundesliga gingen ausnahmslos an die falsche Borussia, darunter teilweise deftige Niederlagen. Diese Negativserie ist sicher einer der Gründe dafür, dass nicht wenige Fans sich zwar über die Tabellenführung der letzten zwei Wochen gefreut haben, aber ganz selbstverständlich davon ausgehen, dass diese nach der üblichen Niederlage gegen den BVB auch schnell wieder Vergangenheit ist.

Ganz grundlos ist die Annahme, der BVB sei ungeachtet der Tabellensituation klarer Favorit, sicher nicht. Dortmund hat vor der Saison gewaltig investiert. Dortmund verfügt vielleicht über den besten Kader der Bundesliga, möglicherweise sogar über stärkeres und vor allem in der Breite ausgeglicheneres Personal als der ewige Meister Bayern München.  Dortmund hat vor der Saison – ungewohnt offensiv – die Meisterschaft als Ziel ausgegeben. Wer das tut, muss zuhause gegen Mönchengladbach gewinnen.

Und doch gibt Borussia Dortmund dieser Tage ein mehr als seltsames Bild ab: Da sind zum einen die sportlichen Leistungen.  Verdiente Niederlage bei Union Berlin. Zuletzt drei Unentschieden in Folge in Frankfurt, gegen Bremen und in Freiburg, bei denen jeweils Führungen verspielt wurden. Das summiert sich auf bereits vier Punkte Rückstand gegenüber dem Tabellenführer aus Mönchengladbach. Dass man damit nicht zufrieden ist – verständlich.

Welche Ausmaße die Unruhe im Umfeld jedoch bereits angenommen hat, ist allerdings durchaus verwunderlich. Da ist von Krise die Rede, es wird über Auseinandersetzungen zwischen Watzke und Favre über die Saisonziele und die Transferpolitik spekuliert, die ersten Medien raunen von der Entlassung des Trainers, Fanzines schreiben lange Texte über die Konzeptlosigkeit des Vereins und die seit dem Abgang von Jürgen Klopp „verlorengegangene innere Mitte“. Neben den fehlenden Ergebnissen wird über den – im Vergleich zu den Klopp-Jahren – angeblich langsamen und behäbigen Fußball geschimpft, den die Mannschaft – ob aufgrund einer Vorgabe des Trainers oder einfach nur so – spielt. All das kommt einem als Gladbacher irgendwie bekannt vor und erinnert an die Diskussionen, die über bisher jeden der Nachfolger von Favre als Gladbacher Trainer geführt wurden. Es ist in jedem Fall eine explosive Mischung, die weder an den Verantwortlichen noch an der Mannschaft und ganz bestimmt nicht am Dortmunder Trainer spurlos vorübergehen wird. Wer Lucien Favre kennt – und in Gladbach kennt man ihn – weiß, wie wenig er mit öffentlichem Druck umgehen kann und wie dünnhäutig dann seine Reaktionen ausfallen. Es wäre also nicht verwunderlich, wenn in Dortmund derzeit viel Energie darauf verwendet wird, interne Konflikte zu moderieren. Dass mit Paco Alcacer der mit bisher 5 Toren beste Schütze am Samstag ausfällt, macht es nicht besser.

Vielleicht liegt die Chance der Gladbacher also in der derzeitigen Verwundbarkeit des Gegners. Hinzu kommt – dessen sollte man sich bewusst sein – die eigene Stärke. Egal ob die Tabelle nur eine schöne Momentaufnahme ist, die vielleicht keinen Bestand haben wird – die bisherige Situation hat man sich verdient. Und auch deshalb gibt es keinen Grund, das eigene Licht unter den Scheffel zu stellen. Das und die Tatsache, dass Borussia Dortmund zuletzt gegen eher mittelklassige Gegner jeweils zwei Gegentore zuließ, legen ein mutiges, vorwärtsorientiertes Auftreten nahe.

Mit welchem Personal Borussia Mönchengladbach diese Aufgabe angehen wird, hängt wohl davon ab, ob Wunderheilungen bei Lainer und sogar Ginter eintreten. Zuletzt wurde jedenfalls darüber spekuliert, dass sogar beide Verletzten aus dem Augsburg-Spiel gegen Dortmund schon wieder einsatzfähig sein könnten. Bei Lainer, der wohl schon mit der Mannschaft trainiert hat, erscheint das nicht ganz unrealistisch, bei Ginter ist es wohl eher unwahrscheinlich. Defensiv bieten sich einige Variationsmöglichkeiten. Jantschke, Beyer und Bensebaini können sowohl außen als auch innen verteidigen. Jeder von den dreien könnte also den Platz von Ginter einnehmen. In Abhängigkeit davon, auf wen die Wahl fällt und in Abhängigkeit davon, ob Lainer tatsächlich spielt, besetzt sich dann der Rest der Viererkette. Kein einfaches Puzzle. Gesetzt dürfte Zakaria sein, die Entscheidung zwischen Kramer als zweitem Sechser und Neuhaus als eher offensiv orientiertem Spieler wird eine der gewählten Taktik sein. Offensiv ist es einfacher: Benes, Embolo, Plea, Thuram und Herrmann haben zuletzt überzeugt, sodass sich aus diesen fünf Spielern vier in der Startelf wiederfinden werden. In den Kader zurückkehren wird auf jeden Fall Lars Stindl, der die Leistungsdichte in der Offensive nochmals erhöhen, jedoch behutsam, d.h. über Einwechslungen, aufgebaut werden soll. Möglich ist auch eine Rückkehr von Jonas Hofmann in den Kader, aber auch hier ist ein Startelfeinsatz nicht zu erwarten.   

Ein besonderes Spiel ist das Borussen-Duell auch, weil sehr viel „Ex“ im Spiel ist. Auf Gladbacher Seite betrifft das Ginter und Hofmann, die eher nicht zum Einsatz kommen. Auf Dortmunder Seite haben Favre, Reus und Hazard sicherlich die besten Erinnerungen an ihre Gladbacher Zeit, die beiden genannten Spieler dürften auch der Stammelf angehören. Für Nico Schulz kommt das Spiel ähnlich wie für Jonas Hofmann eher zu früh. Dem gegenüber muss sich Mo Dahoud nach bisher lediglich 2 Teilzeit-Einsätzen allmählich mit dem Gedanken anfreunden, dass sein Wechsel nach Dortmund möglicherweise doch etwas zu früh kam.

Borussia Mönchengladbach hat am Samstag nicht nur die Chance, eine schwarze Serie im direkten Duell mit Borussia Dortmund zu beenden. Die Mannschaft kann darüber hinaus ihre gewachsene Mentalität und Reife beweisen. Gelänge ein Sieg in Dortmund, würde sich der Sound in Bezug auf die möglicherweise lügende Tabelle wohl schlagartig ändern.  

 

Der SEITENWAHL-Tipp

Uwe Pirl: Defensiv anfällig, offensiv stark. Das trifft auf beide Mannschaften zu. Mit dem 2:2 kann Gladbach am Ende besser leben als Dortmund.

Christian Spoo: Schön schön, schön war die Zeit. Zwei wundervolle Wochen als Tabellenführer gehen am Samstag zu Ende. In Dortmund wird die Tabellenlüge korrigiert. Borussia kommt nicht ins Spiel und  kassiert eine so verdiente wie deutliche 0:4-Niederlage.

Thomas Häcki: Gladbach tritt als Klassenprimus bei den krisengebeutelten Lüdenscheider Hummeln an. Tut mir leid, aber das schreit nach der borussentypischen kalten Dusche. Nach der 0:2 Niederlage feiert man in Dortmund das Ende der Durststrecke.

Michael Heinen: Es wird schwer. Zu schwer leider. Die echte Borussia verliert mit 0:2 und damit die Tabellenführung.

Claus-Dieter Mayer: Die bereits vorgefertigten Artikel von wegen „Zufalls-Tabellenführer zurück auf dem Boden der Tatsachen“ müssen auf der Pressetribüne hektisch umgeschrieben werden, während die echte Borussia Lucien Favres zukünftigen Ex-Club mit 3:1 besiegt.

Mike Lukanz: Wir wissen doch alle, wie es läuft. Es wird deutlich und hinter dem Torschützen wird dann ein „ausgerechnet“ stehen, bewusstes Nicht-Jubeln eingeschlossen. Am Ende wird der BVB froh sein, dass Ginter nicht spielen kann, denn so reichen zwei Tore von Jonas Hofmann zum 2:0-Auswärtssieg.