Nach dem Ausrutscher der Frankfurter Eintracht in der vergangenen Woche ergab sich für Borussia die Chance, mit einem Heimsieg über RB Leipzig auf einen Champions League-Platz zurückzukehren. Zweifel daran waren allerdings berechtigt angesichts der zuletzt überschaubaren Form der Fohlenelf, die einer zuletzt ebenso konstanten wie erfolgreichen Mannschaft gegenübertrat. Gegen diese hielt Borussia dank einer aus aktueller Sicht ordentlichen Leistung gut mit, verlor aber ebenso unglücklich wie verdient 1:2. Für einen Sieg gegen die Leipziger hätte es neben etwas mehr Glück einer richtig starken Vorstellung bedurft, die Borussia auch an diesem Nachmittag – wie schon in der gesamten Rückrunde – nicht abzurufen fähig war.

Es ist aus heutiger Sicht kaum zu glauben: Noch bis Anfang des vorigen Monats stand Borussia vor den Leipzigern auf dem 3. Tabellenplatz – und dies bis dahin sogar verdient. Da die Elf von Dieter Hecking ihre Beständigkeit anders als die Sachsen nicht ins neue Jahr hinüberretten konnten, war sie an diesem Samstagabend von einem Spiel auf Augenhöhe leider schon 7 Punkte und eine gefühlte Klasse entfernt. Dies machte sich letzten Endes auf dem Feld bemerkbar, wo sich die Gäste als die reifere Mannschaft entpuppten.

Dieter Hecking hatte sich erneut für eine Dreierkette entschieden und Hazard und Herrmann quasi als zusätzliche Außenverteidiger der Leipziger Offensivgefahr geopfert. Nach vorne konnten die beiden sich dadurch nur wenig einbringen. Sie machten ihre Sache aber im Rahmen ihrer defensiv begrenzten Möglichkeiten ordentlich. Thorgan Hazard sei bei aller Kritik an seinem derzeitigen Verhalten außerhalb des Platzes bescheinigt, dass er sich in ungewohnter Rolle sehr engagierte und keine Anzeichen dafür gab, er könne mit Borussia bereits abgeschlossen haben. Populistischen Forderungen, ihn für die restlichen Partien auf die Bank zu setzen, entzog er so jegliche Grundlage.

Unglücklicher war die Rolle, die Patrick Herrmann spielte – nicht so sehr, weil er ebenfalls eine der wenigen Chancen zum Ausgleich ungenutzt ließ. Unnötig viel mehr seine Aktion vor dem 0:1, als er beim Versuch, Ginters Fehler zu korrigieren, Halstenberg am Strafraumrand leicht touchierte. Der spätere Doppeltorschütze nahm dieses Geschenk gerne an und fiel allzu theatralisch. Die Folge war ein Elfmeter, den Schiedsrichter Osmers nicht unbedingt hätte geben müssen. Da er es dennoch tat, war die Partie bereits nach 15 Minuten vorentschieden, denn wenig beherrschen die defensiv- und konterstarken Sachsen so perfekt wie das Verwalten einer Führung.

Gegen das Leipziger Defensivbollwerk ergeben sich einem naturgemäß nur wenige Chancen. Es war der aufstrebenden Form und dem Torriecher von Alassane Plea geschuldet, dass es immerhin zu einem Tor reichte. In den wenigen Situationen, in denen es Gladbach gelang, die Leipziger in Bedrängnis zu bringen, wie z. B. in der 90. Minute, wollte der Ball leider nicht zum Ausgleich ins Tor reinmurmeln. Hier fehlte ebenso das Quäntchen Glück wie zuvor auf der Gegenseite bei der streitbaren Elfmeterentscheidung.

Es ist der Fohlenelf hoch anzurechnen, dass sie es dennoch versuchte und selbst nach dem 0:2 nicht aufgab, sondern beinahe sogar noch zum Ausgleich gekommen wäre. Die Moral und Einstellung stimmten an diesem Abend genauso wie beim vorherigen Heimspiel gegen Bremen. Wie damals war das Ergebnis aber ernüchternd, ebenso wie die Erkenntnis, dass es Borussia in der aktuellen Situation an der absoluten Qualität zu fehlen scheint. Insgesamt war die Offensivpower zu gering, als dass ein Punktgewinn verdient gewesen wäre. Die Angriffe wirkten weiterhin zu gehemmt und zu brav, um den Ansprüchen eines Champions League-Aspiranten gerecht zu werden. Auf der anderen Seite waren die Leipziger einige Male weit näher dran, das Spiel vorzeitig zu entscheiden. Wieder einmal war es Yann Sommer zu verdanken, dass die Partie bis zum Ende offen blieb. Individuelle Patzer wie dieses Mal von Ginter, Herrmann und Strobl bieten dem Gegner immer wieder Möglichkeiten, die von besseren Mannschaften als Hannover irgendwann genutzt werden.

Leipzig war aktuell eine Nummer zu groß für die angeschlagenen Fohlen. Anders als der BVB hat sich RB all seine 61 Punkte verdient und nicht erduselt, sodass sie derzeit nach den Bayern das zweitbeste Team der Bundesliga stellen. In der kommenden Woche wartet mit dem VfB Stuttgart ein vollkommen anderer Gegner, der wenige Stunden zuvor eine 0:6-Demütigung in Augsburg erfahren musste. Der daraus folgende Trainerwechsel wird die Aufgabe für Borussia in der nächsten Woche nicht leichter machen. Man sollte ihn aber auch nicht überbewerten, denn selbst ein neuer Besen macht i.d.R. aus einer Trümmertruppe nicht über Nacht eine Spitzenmannschaft. Der VfB hatte schon vor Weinzierls Einstieg eine verheerende Bilanz und selbst wenn er fraglos ein Teil des Problems gewesen ist: die Probleme liegen in Stuttgart tiefer als nur beim Trainer. 21 Punkte nach 30 Spielen sollten normalerweise ausreichen, um vorzeitig als sicherer Absteiger festzustehen. Zum Glück für die Schwaben gibt es aber bislang noch zwei schwächere Teams, sodass eine Rettung über die Relegation weiter möglich erscheint.

Es ist davon auszugehen, dass der VfB in das Heimspiel gegen Borussia mit einer anderen Einstellung gehen wird und alles geben wird, um sich unter Interimstrainer Willig zu rehabilitieren. Borussia wird nur dann eine Chance haben, wenn sie sich in Sachen Einstellung ebenso gallig präsentieren und ihre zweifelsohne weit höhere Kaderqualität ausspielen. Es wird schwieriger als zuletzt in Hannover, aber bei normaler Form und optimaler Einstellung sollte Borussia diese Partie – ebenso wie das darauffolgende Auswärtsspiel in Nürnberg – gewinnen.

Bei allem Frust über die neuerliche Niederlage und das sechste sieglose Heimspiel in Folge sollte außer Frage stehen, dass diese Aufgabe gemeinsam mit Noch-Trainer Dieter Hecking angegangen wird. Man darf über Aufstellung und Wechsel des Trainers stets geteilter Meinung sein. Ein Trainerwechsel so kurz vor dem Saisonende würde in der aktuellen Situation nur Sinn machen, wenn sich die Mannschaft leblos präsentiert und Hoffnung bestünde, ein Interimstrainer könnte noch einmal einen neuen Impuls setzen, um die wichtigen Saisonziele des Vereins nicht zu gefährden. Die Leistung gegen Leipzig war nicht berauschend oder stark, sie war aber ordentlich und vor allem engagiert genug, dass sich derlei Gedankenspiele zum jetzigen Zeitpunkt verbieten.