TabellenrechnergDie Saison geht in ihre Schlussphase und so langsam klären sich einige Fragen, was das Abschneiden gewisser Teams angeht. So wissen wir bereits jetzt mit absoluter Gewissheit, dass Schalke 04 in der unteren Tabellenhälfte landen wird, Bayern München definitiv für die Champions-League qualifiziert ist, Hannover 96 vermutlich absteigt und Borussia Mönchengladbach fast sicher zum 8. Mal in Folge den berühmten einstelligen Tabellenplatz erreichen wird. So sehr das im Vergleich zur kompletten Ungewissheit vor der Saison ein Fortschritt sein mag, bedeutet der Riesenunterschied den ein einziger Tabellenplatz bedeuten kann, dass aber noch viele Fragen offen sind. Kann Dortmund doch noch Meister werden, Nürnberg vielleicht noch das Relegationsspiel erreichen, Borussia doch noch in die Champions League kommen oder muss man am Ende gar auch in der nächsten Saison komplett auf europäischen Fuβball verzichten? Bei nur noch fünf ausstehenden Spielen gibt es war immer noch viele Möglichkeiten, aber sie wirken erheblich überschaubarer als noch vor einigen Wochen, so dass dies genau der Zeitpunkt ist, an dem Fuβballfans aller Orten gebannt auf das Restprogramm starren und grübeln, wie es wohl für ihren Verein enden mag. Gewohnt kundenfreudlich hat Seitenwahl bereits vor einer Woche an dieser Stelle das Restprogramm der Borussia und all ihrer direkten Konkurrentem um die Plätze 3-7 vorgestellt verbunden mit unser Prognose (oder eher gesagt der von Michael Heinen, denn bei sowas gibt es natürlich auch Redaktionsintern durchaus unterschiedliche Beurteilungen) für die Restsaison.

Zahlreiche  Fans werden dies zum Anlass genommen haben ihre persönliche Vorhersage vorzunehmen und viele von ihnen werden dabei das Tabellenrechner-Prinzip verwenden: Nach dieser Methode tippt man die Ausgänge aller relevanten Partien für jeden verbleibenden Spieltag und errechnet daraus dann die mögliche Abschlusstabelle. So naheliegend dies erscheinen mag, gibt es aber leider einen fundamentalen Fehler bei diesem Vorgehen: Er funktioniert nicht sonderlich gut, da das Tippen von einzelnen Spielen und das Tippen eines Gesamtverlaufes zwei völlig unterschiedliche Ziele sind, die auch unterschiedlicher Strategieen bedürfen!

Das lässt sich einfach an einem fiktiven  Beispiel verdeutlichen: Stellen wir uns ein Team vor, dass noch 10 Spiele zu absolvieren hat und bei dem wir (woher auch immer) wissen, dass die Wahrscheinlicheit für Sieg-Unentschiede-Niederlage bei jedem einzelen Spiel 50%-30%-20% betragen. Für den Gesamtverlauf würden wir also 5 Siege, 3 Unentschieden, 2 Niederlagen und damit insgesamt 18 Punkte erwarten. Bei jedem einzelnen  Spiel hingegen ist der Sieg der Mannschaft der wahrscheinlichste Ausgang, so dass man in einem Tippspiel bei dem es darum geht die Tendenz richtig hinzubekommen (oder beim Buchmacher) stets auf Sieg tippen würde. Das ist auch (mathematisch nachweisbar) die beste Strategie wenn es darum geht die Tendenz so oft wie möglich richtig zu haben.  In der Summe jedoch ergibt das  eine Prognose von 30 Punkten, d.h. man würde den Punktertrag um einiges überschätzen. Und das ist was typischerweise bei der Tabellenrechner-Methode passiert. Man tippt die Ergebnisse wie man es bei einem wöchentlichen Tippspiel tun würde und überschätzt so das Abschneiden guter Teams (und parallel unterschätzt man den Ertrag schwächererer Teams). Anders ausgedrückt: Sieg für Bayern ist an jedem einzelnen Spieltag ein guter Tip, 102 Punkte in einer Saison aber auch für den Rekordmeister eine absurde Überschätzung.

Man kann nun natürlich versuchen, dies beim Tippen miteinzubauen und Ausrutscher für gute Mannschaften zuzulassen, aber an welchem Spieltag wird es die geben und wie bekommt man das für alle Teams gleichzeitig hin? Kompliziert!

Die oder zumindest eine Lösung des Problems ist es erst gar nicht zu versuchen einzelne Spiele oder Spieltag explizit zu tippen sondern nur eine Wahrscheinlichkeitsverteilung für die 3 Ausgänge zu benutzen. Bei einer 50-30-20-Verteilung ist die erwartete Punktzahel pro Spiel z. B 0.5*3 + 0.3*1 + 0.2*0= 1.8.  Schauen wir uns das am Beispiel der letzten 5 Spiele der Borussia an (wobei die Prozentzahlen immer aus Sicht Borussias gewählt sind), wo bei die Wahrscheinlichkeitsverteilungen hier einfach mein ganz persönliches Bauchgefühl sind und absolut keine fundierte Grundlagen haben (aber so ist das ja oft beim Tippen).

Leipzig (H): 20-20-60, 0.8 Punkte

Stuttgart(A): 50-30-20, 1.8 Punkte

Hoffenheim (H): 30-40-30, 1.3 Punkte

Nürnberg (A): 40-40-20, 1.6 Punkte

Dortmund (H): 30-30-40, 1.2 Punkte

Nach dieser Vorhersage kämen insgesamt 6.7 Punkte zusammen, also insgesamt 57-58 Punkte. Das reicht vermutlich nicht für Platz 4, aber Platz 5 oder 6 sollten damit sicher sein.

Wie gesagt waren die gewählten Wahrscheinlichkeiten komplett subjektiv und jeder Leser wird wahrscheinlich seine eigenen Ansichten dazu haben, aber der eigentliche Punkt hierbei ist auch eher, dass man durch das Vermeiden des Tippens exakter Ergebnisse ein realistischeres Gesamtergebnis erhält. Buchmacher oder Prognose-Unternehmen benutzen nicht gefühlte Wahrscheinlichkieiten sondern ermitteln diese aus Analysen zahlreicher Daten. Typischerweise simulieren diese Unternehmen Tausende von möglichen Verläufen und mitteln dann über diese, was im einfachsten Fall identisch mit unserem System hier ist, aber noch mehr Komplexitäten zulässt. Die sehr renommierte Webpage FiveThirtyEight, gegründet vom amerikanischen Prognoseguru Nat Silver, z.B. sagt für die Borussia einen fünften Platz bei 58 Punkten vorraus, liegt also in diesem Fall nicht so weit weg von meinem persönlichen Bauchgefühl, siehe  hier.

Einen Punkt, den man nicht unteschlagen sollte, ist dass solche Vorhersagen gerade beim Saisonende komplizierter sind, als wenn man jetzt die Spieltage 21-25 prognostozieren wollte, da dies die einzige Saisonphase ist, bei der die Bedeutung eines Spiels stark zwischen den Mannschaten variiert. In der Saisonmitte ist es für fast jede Mannschaft noch möglich entweder noch in Abstiegsgefahr zu geraten oder aber vielleicht in die internationalen Ränge, aber an den letzten Spieltagen gibt es immer wieder Teams, für die es nur noch um die goldene Ananas gehen wird. So ist die Beurteilung des Spiels in Nürnberg sehr davon abhängig, ob der Club dann schon sicher abgestiegen ist oder noch um den 16. Platz kämpft, genauso wie das letzte Spiel gegen Dortmund sicher ein anderes sein wird, wenn der BVB noch Meister werden kann.

Aber gerade die Ungewissheit ist es ja die den Fuβball so faszinierend macht und insofern wünschen wir allen Fans, die gerade versuchen dem Zufall durch ihre ganz eigenen Tipps Herr zu werden ein kräftiges: Tipp Tipp Hurrah!