Gute Vorzeichen für einen Sieg Borussias in Frankfurt: Die Eintracht hat einen langen Europaokalabend in den Knochen, hat sich in Charkiw beim 2:2 gegen Donezk aufgerieben und musste lange aus der Ukraine zurück nach Deutschland fliegen. Wer so denkt, hat vermutlich zwei Wochen lang geschlafen – denn wie schlapp eine Englische Woche ein Bundesliga-Team macht hat Hertha BSC Berlin im Borussiapark am vergangenen Wochenende eindrucksvoll unter Beweis gestellt: Gar nicht. Gegen Berlin sah Borussia über weite Strecken wie das Team aus, das Blei in den Knochen hat. Gibt es in Frankfurt am Sonntag eine Fortsetzung dieser Geschichte? Das hängt sicher nicht zuletzt davon ab, wie Borussia die erste Heimpleite der Saison weggesteckt hat und welche Konsequenzen sie daraus zieht. War der Sand im Borussengetriebe wirklich die vor dem Spiel geweckte Erwartungshaltung, man sei jetzt Titelkandidat? War es die irrige Annahme, es mit einem müden Gegner zu tun haben? Oder ist die Mannschaft schlicht nicht so gut, wie die Ergebnisse nach der Winterpause es nahelegen. Für letztere Sichtweise spricht, dass die Siege gegen Leverkusen, Augsburg und Schalke Arbeitssiege waren. Brillanten Fußball hat Borussia in diesem Jahr noch nicht gezeigt. In Leverkusen waren es eine aufmerksame Defensive und jede Menge Glück, gegen Augsburg und Schalke war es ein höchstmaß an Geduld gegen überwiegend passive Gegner, die den Erfolg brachten. Gegen Hertha fehlte all das: Die Defensive, vor allem die zentrale, war außergewöhnlich schludrig, das Glück fehlte vollends und statt passiv war der Gegner aggressiv.

Zum aggressiven und einsatzgeprägten Spiel tendiert auch der nächste Gegner Eintracht Frankfurt. Unter Adi Hütter ist es nicht mehr die Kloppertruppe, die im vergangenen Jahr den DFB-Pokal erkämpfte. Trotzdem hat Borussia es am Sonntag definitiv nicht mit einer Schönspielermannschaft zu tun. Außerdem hat Frankfurt eine der stärksten Offensivformationen der Liga zu bieten. Es gab schon bessere Voraussetzungen für einen Borussenerfolg. In der Hinrunde brauchten die Frankfurter und ihr neuer Trainer eine Weile, um sich aneinander zu gewöhnen. Nach dem Aufeinandertreffen im Borussia-Park galt Adi Hütter schon als Kandidat für die erste Entlassung der Saison. Borussia machte seinerzeit beim 3:1 ein exzellentes Spiel, das in der zweiten Halbzeit noch unnötig spannend wurde, nachdem einer der wenigen Abwehrfehler Ante Rebic ein leicht kurioses Tor ermöglicht hatte. Danach aber startete die Eintracht durch und gehört jetzt zu den Mannschaften, die die Borussenfans, deren Blick eher nach unten als nach oben geht, im Auge haben müssen – die Frankfurter könnten Borussia den Startplatz in der Champions League durchaus noch streitig machen. Ins neue Jahr sind die Frankfurter ordentlich gestartet. Einem mühelosen Heimsieg gegen Freiburg folgte ein hochklassiges Spiel in Bremen, bei dem die Gäste sich gegen eine an diesem Abend spielerisch überlegene Werdermannschaft einen Punkt erkämpfte. Danach sah der Spielplan für Frankfurt Partien gegen drei der vier Teams vor, die in der Tabelle besser da stehen. Gegen Dortmund und in Leipzig reichte es für einen Punkt – jetzt kommt Borussia.

Personell hat Frankfurt wenig Probleme: Kapitän David Abraham ist vermutlich noch nicht wieder fit – Ersatz hat die Eintracht aber kurz vor Ende der Transferperiode noch geholt: Der Kurzzeit-Borusse Martin Hinteregger trifft binnen weniger Wochen zum zweiten Mal auf seinen alten Arbeitgeber. Am 19. Spieltag stand der Österreicher noch in der Augsburger Mannschaft, die Borussia durch zwei späte Tore besiegen konnte. Danach redete sich Hinteregger womöglich nicht ohne Hintergedanken aus Augsburg weg. Noch in Gladbach ging er seinen Trainer in einem Interview frontal an – um wenige Tage später nach Frankfurt zu wechseln. Dort hat er sich gut eingefügt und am Donnerstag Abend bei Donezk auch erstmals für sein neues Team getroffen.

Der zweite Neuzugang ist ein Rückkehrer. Sebastian Rode, einst als eines der meistversprechenden Talente in Deutschland gepriesen – spielt nach mäßig bis unbefriedigend verlaufenen Gastspielen bei den beiden Spitzenteams der Liga wieder dort, wo seine Karriere Fahrt aufnahm. Fand er in Dortmund nach einer langwierigen Verletzung keinen Anschluss mehr, hat er in Frankfurt von Beginn an einen Stammplatz und konnte vor allem in den Heimspielen auch überzeugen.

Das Prunkstück der Frankfurter Mannschaft ist die erwähnte Offensive mit Rebic, Jovic und Haller. 32 Tore haben die drei Angreifer geschossen, dabei denkwürdige Fast-Rekorde aufgestellt, wie die fünf Jovic-Tore beim 7:1-Heimsieg gegen Düsseldorf. Gegen diesen Sturm ist eine konzentrierte Leistung der kompletten Borussen-Defensive gefragt, will man nicht so unter die Räder kommen, wie der rheinische Nachbar.

Gegen Berlin waren es vor allem die bis dahin zu Recht viel gelobten Gladbacher Innenverteidiger, die das Spiel aus der Hand gaben. Individuelle Fehler der beiden beim 0:1 und beim 0:2 brachten Borussia ins Hintertreffen. Auch der sonst so zuverlässige Tobias Strobl war nicht souverän. Ob Dieter Hecking diesmal personelle Konsequenzen zieht, ist unsicher. Christoph Kramer scheint grundsätzlich einen schweren Stand beim Trainer zu haben, allerdings spricht auch wenig dafür, ihn als Stabilitätsfaktor in einem Spiel einzusetzen, bei dem es für den Sechser mehr ums konzentrierte Verteidigen gehen wird als um Kreativität im Aufbau. Allein Kramers unermüdliche Einsatzbereitschaft könnte einen Vorteil für den Edelreservisten bedeuten. Sein Kampfesmut spricht auch für einen erneuten Wechsel im Mittelfeld. Denis Zakaria für Florian Neuhaus ist schon fast das gewohnte Bild, wenn Borussia auswärts antritt. Wegen der noch nicht ganz ausgeheilten Verletzung von Jonas Hofmann aus dem Berlin-Spiel könnten allerdings auch beide zum Einsatz kommen. Auch ein Einsatz Kramers auf der für ihn eher ungewohnten Achter-Position ist nicht auszuschließen.

Borussias Sturm war in Berlin eher eine sanfte Brise. Thorgan Harzard rieb sich zwar auf, wurde von seinen Mitspielern aber eher selten gefunden. Lars Stindl spielte eher im Mittelfeld und Alassane Plea war nur physisch anwesend. Der Franzose spielt seit Dezember unter seinen Möglichkeiten, ist aber wie in Leverkusen bewiesen, eben doch immer für die eine möglicherweise entscheidende Situation gut. Hecking hatte ihm zuletzt eine Art Einsatzgarantie gegeben. Er wird weiter abwägen müssen, zwischen dem Risiko, über weite Strecken eines Spiels mehr oder weniger mit zehn Mann zu spielen und der Chance, dass Plea eine oder mehrere ebensolcher nutzt. So lange Raffael aber nicht einsatzbereit ist, sind die Variationsmöglichkeiten für Dieter Hecking im Bereich Angriff ohnehin überschaubar. Traoré und Herrmann haben bisher zu selten bewiesen, das geforderte Niveau über 90 Minuten auf den Platz bringen zu können. Fabian Johnson war zuletzt nicht einmal im Kader.

Mögliche Aufstellungen

Frankfurt: Trapp – Hinteregger, Hasebe, Ndicka –Fernandes, Rode – da Costa, Kostic – Jovic- Rebic, Haller

Borussia: Sommer – Lang, Ginter, Elvedi, Wendt – Strobl – Zakaria, Neuhaus – Hazard, Stindl, Plea

SEITENWAHL-Prognose

Christian Spoo: Borussia hat kampfstarken und entschlossenen Frankfurtern nicht genug entgegenzusetzen. Die Unsicherheit nach dem Berlin-Spiel ist spürbar und wird durch die 0:2-Niederlage bei einem direkten Konkurrenten noch verstärkt.

Claus-Dieter Meyer: In der Hinrunde war es die Heimserie, jetzt ist es die Auswärtsstärke, die Borussia oben hält. Mit dem 2:1 in Frankfurt meldet man sich im Meisterschaftsrennen zurück.

Thomas Häcki: Eben noch Meisterschaftskandidat, nun Krisenfohlen. Nach dem 0:2 wird diskutiert, ob die Luft raus ist. Das ist ebenso überzogen wie es die Lobhudeleien vorher waren.

Michael Heinen: Zuletzt sind wir mit pessimistischen Prognosen auf Seitenwahl gut gefahren. Von daher tippe ich auf eine bittere 1:2-Niederlage, damit mich die Fohlenelf mal wieder eines Besseren belehrt.