schalkeGlück auf Schalke hatte die Borussia in den vergangenen Jahren eher selten. In der Bundesliga gab es seit 1992 nur einen einzigen Sieg unter Lucien Favre im Jahr 2014 und seitdem war man zwar oft überlegen, aber erfolglos. Im Vorjahr reichte es trotz Führung und Platzverweis für  Bentaleb nicht zum Sieg. Kein Wunder also, dass man mit einem gewissen Respekt in den Ruhrpott anreiste, zumal die Knappen mit vier Punkten gegen Wolfsburg und in Berlin durchaus hoffnungsvoll in die Rückrunde gestartet waren.

Wie sich herausstellen sollte war jegliche Achtung vor Schalke  an diesem Tag gänzlich unangebracht, der Gegner war nicht der Vizemeister und Championsleague-Achtelfinalist sondern ein sehr beschränkter Tabellenzwölfter, der heilfroh sein kann, dass es in diesem Jahr eine Reihe von Teams gibt, die noch eine Runde schlechter sind. Allerdings sollte man sein eigenes Licht nicht unter den Scheffel stellen, die Harmlosigkeit der Schalker war auch Verdienst der wieder mal weitestgehend tadellosen Gladbacher Abwehr, die abgesehen von vereinzelten Fehlpässen Ginters und einiger unnötiger Fouls in den 15 Minuten vor der Halbzeit kaum etwas zuliess. In den letzten sieben Partien spielte Borussia sechsmal zu Null und erzielt insgesamt 11:2 Tore; eine Statistik, die zeigt welcher Mannschaftsteil in dieser Saisonphase die Punkte einfährt.

Die Gladbacher Offensive litt etwas unter dem übergrossen Respekt vor dem Gegner. Nicht nur baute die Borussia ihr Spiel vorsichtiger auf, als es vielleicht notwendig gewesen wäre, sondern auch die Besetzung von Zakaria für Neuhaus auf der Doppelacht war eine eher defensive Maβnahme, die letztendlich das Spiel der Fohlenelf etwas hemmte. Der Schweizer ist durch seine Zweikampfstärke und Geschwindigkeit in Auswärtsspielen durchaus eine sinnvolle Alternative im Mittelfeld, aber Schalke war nicht das aggressive drückende Heimteam, gegen dass man diese Stärken benötigt hätte, sondern spielte eher mit einer abwartenden Auswärtstaktik. Das in solchen Partien benötigte geduldige Kombinationsspiel ist aber nicht Zakarias Sache und wird es vermutlich auch nicht werden. Vielleicht wäre es in solchen Spielen – wenn man denn Neuhaus schonen will – eine bessere Option, Stindl auf die Acht zu ziehen, Plea auf die Neun zu rücken und mit Herrmann (oder Traoré) einen klassischen Aussenstürmer aufzubieten. Ein weiterer Hemmschuh im Borussenspiel war, dass der zuletzt so starke Strobl von den Schalkern recht gut aus dem Spiel genommen wurde und kaum dazu kam, wie gewohnt die Bälle zu verteilen. So blieb es über zwei Drittel der Partie zwar eine überlegene aber nicht zwingende Borussia.

Den Wendepunkt des Spiels mag ein oberflächlicher Zuschauer als Gladbach Matchglück einstufen, der Schalker Trainer gar als krasse Ungerechtigkeit, aber im Prinzip war es ein Paradebeispiel dafür, wie individuelle Qualität Spiele entscheiden kann. Sowohl Stindls schnelle Reaktion bei der Ausführung des Freistoβes, sein traumhafter Pass darauf, wie auch Hazards erstklassige Verarbeitung des Balles erzwangen nach knapp einer Stunde den Platzverweis für den Schalker Torwart Nübel und stellten damit die Weichen auf Sieg. Zu diesem trug dann auch Dieter Hecking noch entscheidend bei , der eben nicht einfach nur Dusel mit seinen Einwechslungen hatte, sondern gesehen hatte, dass Strobl (der zudem noch gelb belastet war) an diesem Tage eher wirkungslos war und dass es auf der Acht mehr an spielerischer Komponente bedurfte und mit Kramer und Neuhaus genau die richtigen Spieler brachte. Dass die beiden dann auch die Tore erzielen, kann ein Trainer natürlich nicht vorhersehen, aber das sind eben  die Geschichten (Gruss an den Rasenfunk!),  die nur der Fuβball schreibt.

An dieser Stelle wollen wir kurz pausieren und uns vor einem Spieler verbeugen, dessen Saison so gänzlich anders verlaufen ist als die seiner Mitspieler: Christoph Kramer! Vor Saisonbeginn hatte der Weltmeister vier Spielzeiten bei Borussia absolviert und war in jeder davon Stammspieler und Leistungsträger gewesen. Manch einer hielt im Vorjahr das Duo Kramer-Zakaria für eine der besten Doppel-Sechs der Liga! Und dann gab es eine erfolgreiche Systemumstellung und Kramer war auf einen Schlag nur noch Ersatz. Wie mannschaftsdienlich und professionell er das ohne grosses Murren über all die Monate weggesteckt hat, verdient grossen Applaus. Ebenso beeindruckend ist aber, wie er dann, sobald er gefragt ist, 100% dabei ist und sofort eine Führungsrolle übernimmt, die einem “normalen” Ersatzspieler eher fremd ist. Keinem anderen Spieler hätte man das Führungstor wohl so gegönnt wie Kramer und sein Anteil am momentanen Erfolg des Teams – wenn auch oft passiv – darf nicht unterschätzt werden.

Insgesamt war das Spiel auf Schalke kein Fuβballfest aber eine weitere reife Leistung eines Teams, das es immer wieder schafft sich letztendlich spielerisch durchzusetzen und die Punkte einzufahren.. 42 Zähler aus 20 Spielen und der damit verbundene unglaublich zweite Platz bringen aber unweigerlich auch einen gewissen Druck auf den Verein mit sich. War zu Saisonbeginn ein Championsleague-Platz ein vager Traum, wäre nun – bei 10 Punkten vor Platz 5 – der Verlust desselben ein Albtraum. Ob Fan, Spieler oder Funktionär: es ist völlig egal, ob man diesen Anspruch für vermessen halt, er steht im Raum und wird nicht verschwinden. Borussia Dortmund hat genau das selbe “Problem”, was die Meisterschaft angeht, wie der FC Liverpool in England z.B. auch. Was Borussia ändern muss deswegen? Absolut nichts! Aber genau das ist nicht so leicht, wenn der Medienhype steigt und das wird eine der Herausforderungen in den nächsten Wochen sein. Gott sei Dank, wissen wir wo wir herkommen!