Auswärtssiege in Leverkusen waren traditionell eher eine Rarität für den VFL, 16 Jahre lang (zwischen 1994 und 2010) gab es gar keinen Sieg bei der Werkself, eine Bilanz die in den vergangenen Jahren aufgebessert werden konnte: Von den letzten 9 Aufeinandertreffen in der Bayarena konnte Borussia immerhin 4 für sich entscheiden. Auswärtssiege sind aber insgesamt eher selten für die Fohlenelf in dieser sonst so überzeugenden Saison, nur 3 gegenüber 8 Heimsiegen bislang. Natürlich gewinnen fast alle Teams mehr daheim als auswärts, aber der siebte Platz in der Auswärtstabelle im Vergleich zum zweiten Platz (und das auch nur weil Dortmund ein Spiel Vorsprung hat) in der Heimtabelle hat, deutet doch an, dass die Gladbach im Borussia-Park relativ besser auftritt als in der Ferne. Es gibt allerdings eine potentiell sehr gute Erklärung für diese Diskrepanz: Die bisherigen Heimgegner waren schwächer als die Auswärtsgegner. Dies lässt sich schnell mit ein paar Zahlen belegen: Die Gäste im Borussiapark in dieser Saison belegten nach der jetzigen Tabelle durchschnittlich Rang 13, während die Gastgeber auf einen Durchschnitt von 7.5 kamen, ein statistisch signifikanter Unterschied.

Heisst das aber nun, dass die Diskrepanz zwischen Auswärts und Daheim nur an der Stärke der Gegner liegt oder wie verteilt sich der Anteil von Heimspieleffekt und Gegnerstärke. Dies lässt sich statistisch mit einer sogenannten multiplen Regression feststellen. Nehmen wir z.B. mal die Anzahl der geschossenen Tore als eine mögliche Zielgröβe. Der Schnitt liegt hier auswärts bei 1.4, daheim etwa doppelt so hoch bei 2.9. Das Durchrechnen einer linearen multiplen Regression mit den erklärenden Variabeln Heimspiel (Ja/nein) und Tabellenplatz (Stand heute) des Gegners ergibt nun folgendes: Borussia würde auswärts beim Tabellenneunten (wir nehmen einen Mittelfeldrang als Referenz) erwartungsgemäβ 1.37 Tore erzielen, wäre das Spiel statt dessen ein Heimspiel erhöht sicher der Wert um 1.58 auf 2.95. Die Analyse sagt uns auch, dass dieser Unterschied von fast 1.6 Toren signifikant ist (p=0.013). Für jede Änderung der Gegnerstärke um einen Platz ändert sich die erwartete Torzahl aber nur um -0.02 (d.h etwas höher wenn der Tabellenplatz einen hohe Zahl, also schlecht, ist und niedriger für Spitzenteams), eine sehr geringfügige Änderung, die auch statistisch absolut nicht signifikant ist (p=0.735). Auf Grund dieser Ergebnisse würde man folgern, dass zumindest was das Tore schiessen angeht, Borussia daheim mehr als doppelt so oft trifft und die Gegnerstärke nichts damit zu tun hat.

Das mag überraschend klingen, aber schaut man sich die Spiele an so stellt man fest, dass Gladbach 10 seiner 14 Auswärtstore in 4 Spielen bei den Bayern, in Bremen, in Wolfsburg und bei Hertha erzielt hat, alles Teams der oberen Hälfte, wohingegen  bei den Abstiegskandidaten Freiburg und Augsburg jeweils nur ein Treffer gelang.

Diese Art von Analyse kann man nun auch fuer die Gegentore oder erzielten Punkte durchführen. Bei letzteren erhält man, dass wir auswärts beim Neunten 1.21 Punkte erwarten können, daheim jedoch 1.77 mehr, also 2.98 (nein, der statistischen Analyse ist nicht bewusst, dass mehr als 3 Punkte nicht geht!), was wiederum hochsignifikant ist (p=0.008). Die Änderung für jeden Tabellenplatz beträgt aber nur sehr unsignifikante (p=0.91) 0.006 Punkte. D.h. wiederum spielt auch bei Punkten die Stärke des Gegners keine Rolle, sondern nur ob es ein Heimspiel ist oder nicht. Auch hier macht sich bemerkbar, dass die 3 Auswärtsiege gegen starke Teams in den Top 10 erzielt wurden, aber in Freiburg und Augsburg nur ein Punkt geholt wurde.Es scheint sich also anzudeuten, dass es nicht der Spielplan ist, der uns ein verfälschtes Bild von heimstarken und auswärts nicht ganz so starken Gladbachern gibt, sondern dieser Unterschied wirklich existiert. Wer sich nicht nur die Ergebnisse sondern auch die Spielweise anschaut, wird das bestätigen können. Man muss allerdings dazusagen, dass unsere statistische Spielerei einige Einschränkungen mit sich bringt.

1) Man sollte auf einer Regressionsanalyse basierend nie Vorhersagen treffen in Bereichen für die man keine Daten zur Verfügung haben. In unserem Fall bedeutet dass, da Borussia zu Hause nur gegen Teams zwischen Platz 5 und 18 gespielt hat, können wir wenig sagen, wie das wohl gegen die Top 4 werden wird. Bzw andersrum hat man auswärts gegen Teams zwischen Platz 1 und 15 gespielt, kann also wenig darüber sagen wie es gegen die Manschaften auf den Abstiegsrängen laufen wird.

2) Eine solche Analyse geht davon aus, dass man es mit einer homogenen Population von Spielen zu tun hat, d.h. der Erfolg hängt nur davon ab ob es ein Heimspiel ist und evtl. von der Gegnerstärke, wohingegen Formschwankungen Borussias als purer Zufall modelliert werden, der sich über die Zeit nicht systematisch ändert. Glaubt man dieser Annahme, dann sind die Aussichten für die Borussia rosig, denn es folgen nun noch 9 Heim und nur noch 7 Auswärtsspiele, so dass die Punkteausbeute eher besser als schlechter werden sollte. Ich persönlich glaube allerdings, dass die Borussia im Herbst zeitweise über ihrem langfristigem Niveau gespielt hat und erwarte daher einer normale und somit etwas schwächere Form in der Rückrunde (lasse mich aber mit Freuden eines besseren belehren, was das angeht). 

3) (Dieser Punkt darf von Statistiklaien gern übersprungen werden und wendet sich eher an die Nerds unter unseren Lesern) Lineare Regression nimmt eigentliche normalverteilte Daten an, bei Toren oder Punkten sollten eher Poisson-Regression oder ordinale Regression benutzt werden. Wir können versichern, dass die Ergebnisse bei diesen Methoden relativ unverändert bleiben und verzichten auf sie auf Grund der einfacheren Kommunikation. Auch könnte man eine Interaktion im Modell berücksichtigen (unterschiedliche Abhängigkeit von der Gegnerstärke

Wenn die Diskrepanz zwischen Auswärts- und Heim-Borussia nicht durch den Spielplan und stärkere Auswärtsgegner in der Hinrunde zu erklären ist, fragt man sich natürlich woran sonst es wohl legen mag. Zum einen ist da der allgemeine Effekt, der die meisten Mannschaften betrifft. Vertrautheit mit den Gegegebenheiten, keine Anreisestrapazen, Zuschauerunterstützung (und damit auch unterbewusste Beeinflussing des Schiedsrichters), usw… das alles sind Faktoren die dazu führen, dass es im Fuβball einen definitiven Heimvorteil gibt, der sich in allen Ländern und Ligen feststellen lässt. Der Unterschied zwischen Heim und Auswärtstabelle zeigt aber, dass dieser Effekt bei Borussia gröβer als bei anderen Teams zu sein scheint. Das mag an der Jugend einiger Spieler (Neuhaus, Cuisance, Elvedi) liegen oder aber daran, dass das Borussia-System besonders anfällig ist, wenn der Gegner agressiver agiert, wie das Heimmanschaften typischerweise tun. Das alles ist aber eher Spekulation. Letzendlich ist es auch egal, woher die Punkte kommen, sobald es nur genug davon sind: 2016 zog man als dritter der Heimtabelle und zwölfter der Auswärtstabelle in die Champions-League ein, was keinen daran gehindert hat die Duelle mit Barca, ManCity und Celtic zu geniessen.