Die Experten waren sich einig: Der Angriffsfußball von Peter Bosz und die offensiv hervorragend besetzte Bayer-Mannschaft, das passt einfach zusammen. Deutliche Siege in der Wintervorbereitung gegen Twente Enschede und PEC Zwolle bestätigen dies. Währenddessen musste der Gegner vom ersten Rückrundenspieltag unangenehme Testspielniederlagen gegen Magdeburg und Standard Lüttich hinnehmen. Was sollte da schon schiefgehen für die Werkself?

Die Antwort gab es am Samstagnachmittag, als sich wieder einmal die höchst durchschnittliche Prognosefähigkeit von Ergebnissen aus der Vorbereitung unter Beweis stellte. Solche Partien sind letztlich nicht mehr als eine bessere Trainingseinheit, die den Fans die Wartezeit bis zum Ligastart verkürzen hilft.

Der Neu-Trainer-Effekt verpuffte in Leverkusen bereits nach knapp 10 Minuten. Nach durchwachsenem Beginn fand Borussia nämlich immer besser ins Spiel und behielt den Gastgeber zumindest in der ersten Halbzeit so gut im Griff, dass dieser zu keiner einzigen zwingenden Torchance kam. Gladbach nutzte dagegen gleich die erste und hätte durch Elvedi noch vor dem Seitenwechsel auf 2:0 erhöhen können. Bis zu diesem Zeitpunkt war die Führung verdient, da die Mannschaft von Dieter Hecking die abgezocktere Mannschaft gewesen war.

Die zweite Spielhälfte zeigte dann aber, dass Borussia noch die absolute Qualität fehlt, um eine solch stabile Leistung über 90 Minuten abzurufen. Als Leverkusen einen Gang hochschaltete, wankte die zuvor so sattelfeste Defensive einige Male bedenklich – insbesondere die Außenverteidiger waren dem zunehmenden Druck nur unzureichend gewachsen. Offensiv konnte so gut wie gar keine Entlastung geleistet werden. Es dauerte bis zur 80. Minute, dass Borussia mal wieder gefährlich vor das gegenerische Tor kam und sich so vom Leverkusener Dauerdruck zumindest kurzzeitig erholen konnte. Ein weiteres Dilemma besteht darin, dass lediglich im zentralen Mittelfeld ohne größere Qualitätseinbußen gewechselt werden kann. Diese Probleme weisen bis auf zwei Mannschaften aber alle Vereine der Bundesliga auf.

Dass es am Samstag zum schmeichelhaften Sieg reichte, hatte mehrere Gründe: zuvorderst ein überragender Yann Sommer, der an seine Topform der Hinrunde anknüpfte und derzeit zu den besten Torhütern der Bundesliga gehört. Ein weiteres Qualitätssiegel der Fohlenelf 2018/19 ist die Defensivzentrale, in der Tobias Strobl vieles vorab wegräumt. Mathias Ginter zeigte sich unbeeindruckt von seiner Verletzungspause und lieferte seine mittlerweile schon gewohnte Standardleistung auf höchstem Niveau ab. Sein Nebenmann Nico Elvedi wiederum unterstrich einmal mehr, dass ihm in dieser Saison den Sprung vom soliden Bundesligaverteidiger hin zu einem absoluten Leistungsträger gelungen ist.

Neben all diesen Gladbacher Qualitäten war es eine gehörige Portion Glück, dass die entscheidenden Bälle nicht ihren Weg ins Tor fanden. Bayer wiederum fehlte es bei aller Offensivpower an der absoluten Qualität, was die Effizienz angeht. Einen zuverlässigen Torjäger, wie einst Stefan Kießling, haben die Leverkusener derzeit nicht. Ganz im Gegensatz zum Gast, bei dem die Kaltschnäuzigkeit von Alassane Plea einmal mehr den Unterschied machte.

Die Leistungssteigerung von Spielern wie Elvedi, Hazard, Hofmann oder Strobl; das konstant hohe Niveau von Ginter, Stindl oder Sommer und die neuen Impulse durch Plea oder Neuhaus. So erklärt sich das Erfolgsrezept dieser Saison, in der sich die Mannschaft von Dieter Hecking den 3. Platz redlich verdient hat. Der Erfolg in Leverkusen war ein wichtiger Meilenstein zum Rückrundenstart, durch den sich Borussia hinter den vom Umsatz deutlich besser gestellten Teams aus Dortmund und München als „Best of the Rest“ schon mit 5 Punkten von der Konkurrenz abgesetzt hat. Es ist aber noch ein weiter Weg und bedarf 16 weiterer konzentrierter Leistungen, damit dieser „Titel“ auch nach 34 Spieltagen Bestand haben wird.