Kaum ist man aufgestanden, wird man wieder runtergezogen. So fühlt es sich im Moment an, Fan von Borussia Mönchengladbach zu sein. Dem umjubelten 1:0-Sieg in Hannover folgten gegen Werder Bremen 45 Heimspiel-Minuten, die nahelegten, der sprichwörtliche Knoten könnte wirklich geplatzt sein. Dann verfiel die Mannschaft wieder in den Trott, der sie in dieser so unersprießlichen Saison schon so manchen Punkt kostete. Gegen Bremen waren es derer zwei. Dass Borussia am Samstag Abend beim sogenannten Top-Spiel in Leverkusen wieder Boden gut machen kann, erfordert auch angesichts der unvermindert traurigen Personalsituation ein großes Maß an Optimismus und Phantasie.

Die Seitenwahl-Optimismus-Redaktion sagt: Leverkusen hat zuletzt zwei Heimspiele in Folge verloren, Borussia ist seit zwei Spielen ungeschlagen. So gesehen wäre ein Sieg im Stadion am Autobahnkreuz fast schon folgerichtig. Mit dem Willen von Hannover wäre vielleicht wirklich auch in Leverkusen etwas möglich. Auftritte wie dieser sind in diesem Jahr bisher aber die absolute Ausnahme. Außerdem hat der Gegner am Samstag eine deutlich größere Qualität als Hannover und Bremen die auf den Platz bringen konnten. Das hat Borussia in diesem Jahr schon zweimal schmerzhaft erfahren dürfen. In der Bundesliga-Hinrunde dominierte die Hecking-Elf die Leverkusener Mannschaft eine Halbzeit lang fast nach Belieben und ärgerte sich, dass es zur Pause nur 1:0 stand. In der zweiten Hälfte nahmen die Gäste eine naiv spielende Borussia dann nach Strich und Faden auseinander und gingen am Ende als 5:1-Sieger vom Platz. Beim zweiten Aufeinandertreffen der beiden Teams im DFB-Pokal war Borussia gar über 90 Minuten die bessere Mannschaft, traf aber wie inzwischen fast gewohnt das gegnerische Tor nicht, während Leverkusen den einzigen Fehler des ansonsten starken Debütanten Reece Oxford nutzte und Borussia mit 1:0 aus dem Pokal warf.

Bei den erwähnten jüngsten Heimniederlagen gegen Berlin und Schalke spielte Leverkusen keinesfalls katastrophal, agierte eher unglücklich und legte eine fast schon borussische Chancenverwertung an den Tag. Beim Auswärtssieg in Wolfsburg am vergangenen Spieltag dominierte die Mannschaf von Heiko Herrlich und siegte trotz eines späten Gegentors souverän. Personell ist Leverkusen gut aufgestellt. Bis auf Tin Jedvaj fehlt gegen Borussia kein Stammspieler. Der in Wolfsburg gesperrte Dominik Kohr steht wieder zur Verfügung. Die zuletzt leicht angeschlagenen Sven Bender und Charles Aranguiz sollten am Samstag spielfit sein. Heiko Herrlich hat vor allem in der Offensive nahezu unendliche Möglichkeiten.

Wie sehr wird ihn Dieter Hecking um diese Situation beneiden? Das Wehklagen um die Verletztenmisere wird in Gladbach von Woche zu Woche lauter. Zum einen, weil tatsächlich eine ungewöhnlich große Zahl von Spielern dauerhaft fehlt, zum anderen, weil den Offiziellen offenbar nichts keine bessere Idee kommt, wie man die anhaltende Ergebniskrise der Öffentlichkeit verkaufen kann. Schmerzlich vermisst wird weiterhin Raffael, der wohl weder in Leverkusen noch im folgenden Spiel gegen Hoffenheim wird mitspielen können. Er ist allerdings neben Oscar Wendt der einzige Ausfall, der gesund auf jeden Fall in der Startelf stünde. Für die anderen Verletzten, seien es Johnson, Traoré oder Strobl, gilt das nicht.

Ob der gegen Bremen nicht sattelfeste Reece Oxford erneut beginnen wird, ist eine der wenigen offenen Personalien. Statt seiner könnte auch Tony Jantschke die Rechtsverteidigerposition übernehmen. Vorne dürfte Dieter Hecking den Einsatz des defensiv eher schwachen Vince Grifo scheuen und statt seiner erneut auf Jonas Hofmann setzen. Neben Lars Stindl wird voraussichtlich Raúl Bobadilla zu vierten Mal in Folge in der Startelf stehen. Denkbar wäre aber auch ein Sturm (bzw. vordestes Mittelfeld) aus Stindl und Hazard, Patrick Herrmann würde dann auf die Position im rechten offensiven Mittelfeld rücken.

Mögliche Aufstellungen

Leverkusen: Leno – Lars Bender, Tah, Sven Bender, Wendell – Baumgartlinger, Aranguiz – Brandt, Volland, Bailey – Alario

Borussia: Sommer – Jantschke, Vestergaard, Ginter, Elvedi – Kramer, Zakaria – Hofmann, Hazard – Stindl, Bobadilla

SEITENWAHL-Prognose

Christian Spoo: Wer hier bisweilen liest, der weiß: Ich gehöre nicht zur Seitenwahl-Optimismus-Redaktion. Um eine Niederlage in Leverkusen zu prognostizieren muss man aber gar kein ausgewiesener Pessimist sein. Borussia ist einfach schlechter als das Team des unseligen Herrn Husefack. Das gewinnt am Samstag mit 4:0.

Uwe Pirl: Man muss es leider zugeben: Herr Husefack macht in Leverkusen einen guten Job. Vermutlich so lange, bis man ihm die Freigabe für den FC Bayern oder Borussia Dortmund verweigert und er leider in Streik treten muss. Wie auch immer: Borussia hat schon zugegeben, nicht das Niveau zu haben, um Mannschaften im vorderen Tabellendrittel Paroli bieten zu können. Ein Armutszeugnis – aber so geht das Spiel dann auch aus. 3:0 für Bayer. Und keine Schutzschwalben durch den Gästetrainer.

Michael Heinen: Gegen Leverkusen ist für Borussia erneut nichts zu holen. Ausgerechnet gegen die christusgleiche Fairplay-Ikone Heiko H. rutscht die Fohlenelf aus und verliert 1:2

Claus-Dieter Mayer: Mit einem 1:1 erzielt Borussia in Leverkusen ein durchaus achtbares Ergebnis, dass aber tabellarisch wenig nutzt. Ein langes, zähes Saisonende, in dem ein EL-Platz immer nochmal in Reichweite scheint, dann aber langsam entschwindet, wird folgen.