Borussia Mönchengladbach lädt zum letzten Heimspiel der Saison 2015/16. Bei bestem Wetter könnte dabei ein richtiger Feiertag herumkommen, mit emotionaler Verabschiedung der scheidenden Recken, sauber eingefädelter Vorstellung neuer Marketingprodukte und zum Beispiel einem Heimsieg. Bei bisher 12 von jenen in 16 Spielen ist die Möglichkeit dazu nicht so klein. Und unter Zuhilfenahme nur dieser Statistik käme man nicht auf den Gedanken, dass die zu Ende gehende Spielzeit eine der aufregendstenden und abwechslungsreichsten in der gesamten Bundesligahistorie der Borussia ist.

Jedenfalls, wenn man den Begriffen "aufregend" und "abwechslungsreich" ihre ganze Bedeutung zukommen lässt. "Verrückt und unerklärlich" wäre auch nicht zu weit hergeholt. Die ganze, kaum je so erlebte Spannweite aus großen Erwartungen anfänglich, Misserfolgen und Absturz direkt darauf, ein von keinem gewollter Trainerwechsel gefolgt von sensationellem Aufschwung und dann der beständigsten Folge von Heimtriumph und Auswärtspleite hat diese Saison geprägt, und ein letzter Sieg daheim gegen Leverkusen könnte die endgültige Bewertung der Saison noch golden ausfallen lassen.


Die Borussen haben es nun in der Hand, den vierten Tabellenplatz zu verteidigen. Ja, auch das Erreichen der Europa League wäre ein Erfolg, aber ein dosierter. Zum einen braucht man sich nur die Verdienstmöglichkeiten in Europas großer und kleiner Liga anzusehen, um die Europa League eher als Trostpreis einzustufen. Zum anderen haben die Borussen um Raffael, Stindl, Xhaka und Dahoud in ihren besseren Spielen eine derartige Spielfreude und Kreativität an den Tag gelegt, eine technische Klasse und mitreissenden Fußball, dass die Einstufung als Deutschlands viertbeste Mannschaft dem Potential so eben noch gerecht wird. Vor Leverkusen muss man sich damit jedenfalls nicht verstecken und vor allem darunter schon gar nicht.


Rechtzeitig zum Endspurt scheinen die Borussen nun richtig im Gleis zu sein. So schwerwiegend die Verletzungen vieler Spieler waren, so frisch kehren nun zumindest Herrmann und Hahn zurück. Nach den verschiedensten Formen von Auswärtspleiten gelang immerhin beim neuen Lieblingsgegner Bayern ein Punktgewinn, der durch Spielweise und Auftreten völlig verdient war. Das sollte dem Team genügend Selbstbewusstsein verschaffen, um gegen Leverkusen genauso aufzutreten.


Die hauptsächliche Frage beim Angehen dieser Aufgabe wird sein: Kehrt Lars Stindl in die Mannschaft zurück oder hat Andre Hahn sich seine Position erarbeitet? Stindl hatte aus privaten Gründen pausiert und fehlte nicht aus Leistungsgründen im Team; Hahn wiederum hat seine Aufstellung, wie immer, mit hundertprozentigem Einsatz rechtfertigt und dazu per Tor eine Meisterfeier storniert. Stindl wiederum hatte nach seiner Einwechslung eben dieses Tor mit einem feinen Pass vorbereitet. Da kommen die Ideen ins Spiel, entweder Raffael eine Pause zu gönnen oder Stindl zum Beispiel über den rechten Flügel ins Spiel zu bringen mit Raffael und Hahn im Zentrum. Es gab schon Trainer in Mönchengladbach, die zwischen weniger auswählen konnten.


Der Gegner aus Leverkusen kommt in bestechender Form zu Besuch. Sowohl Trainer Roger Schmidt, die Haarfülle ebenfalls stets in bestechende Form frittiert, als auch seine Mannschaft haben des Trainers Zwangspause offenbar zu gewinnbringender Meditation genutzt. Mit einer beeindruckenden Siegesserie haben sich die "Werksfußballer" direkt in Europas Money League geschossen. Der einstige Torjäger Kiessling hat sich mit seiner Rolle als Raumbeschaffer für den neuen Torjäger Hernandez abgefunden, dessen starke Saison durch Julian Brandts Aufstieg noch in den Schatten gestellt wird. Ebenso bestätigte sich, dass nach Bellarabis blasser Hinrunde seine starke Rückrunde die ganze Mannschaft nach vorne gebracht hat. Ums bedauernswerter für das Team, dass der Nationalspieler am Samstag gelbgesperrt fehlt.


Zwei starke und fußballerisch potente Teams treffen aufeinander, bei deren eng zusammenliegendem Niveau diverse Ergebnisse möglich wären. Allerdings begünstigt das Heimspiel die Borussen, während die Gäste wieder einmal durch verblüffend wenig Zuschauer begleitet werden. Und während die Leverkusener ihre Saison entspannt zu Ende bringen können, werden die Gladbacher mit voller Konzentration in die Partie gehen. Wenn die Hausherren es vom Anfang weg schaffen, die Zweikämpfe rigoros für sich zu entscheiden, ist ein großer Schritt in Richtung Champions League Qualifikation möglich. Und damit einen wohlwollenden Rückblick auf diese konfuse Saison 2015/2016 zu schaffen.
Aufstellungen:


Borussia: Sommer - Elvedi, Christensen, Nordtveit; Hazard, Xhaka, Dahoud, Wendt; Herrmann, Stindl, Raffael

Leverkusen: Leno - Bender, Ramalho, Kramer, Henrichs; Kampl, Calhanoglu, Aranguiz; Kiessling, Chicharito, Brandt

SEITENWAHL-Tipps

Christian Heimanns: Der angenehme Heimteil einer turbulenten Saison findet sein Ende. Mit einem 2:1 bleibt die Hoffnung auf eine lukrative Europatour bestehen.

Michael Heinen:Wenn Borussia daheim auf Leverkusen trifft, ist ein Remis seit ewigen Zeiten das mit Abstand wahrscheinlichste Ergebnis. Da Borussia daheim ebenso stark ist wie Bayer in den letzten Wochen, bietet sich ein 1:1-Tipp an.

Christian Spoo: Nachdem die Unmöglichkeit, auswärts zu punkten, aufgehoben ist, geschieht leider das gleiche mit der Sicherheit, zuhause zu gewinnen. Borussia und Leverkusen trennen sich 2:2 unentschieden.

Claus-Dieter Meyer: Auch wenn die Werkself bis vor einem Jahr fast ein Vierteljahrhundert in Gladbach ungechlagen blieb, hat sie in dieser Zeit dort seltener gewonnen als man denken könnte: das dominierende Ergebnis war vielmehr ein Unentschieden. Und so kommt es dann auch diesmal: ein taktisch geprägtes Spiel endet 1:1 und für die Fohlenelf ist damit der erste Auswärtssieg des Jahres am letzten Spieltag in Darmstadt Pflicht um noch auf Platz 4 zu landen.

Christoph Clausen: Bei kaum einer anderen Paarung hat sich ein Tipp über die Jahre so oft bewährt wie dieser: 2:2. Die  Kombination aus Gladbacher Heim- und Leverkusener Formstärke spricht auch diesmal für eine Punkteteilung.

Thomas Häcki: Wenn die gesamte Redaktion bei einem solchen Spiel ve in der Hoffnung, das es besser wird.rhalten optimistisch tippt, geht es erfahrungsgemäß in die Hose. Also tippe ich 1:2