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„It’s been a long, cold, lonely winter“ sang 1969 George Harrison, entnervt von zähen Verhandlungen darüber, wer die chaotischen Finanzen der Beatles wieder ordnen sollte. Die Zeile bietet sich für andere Zusammenhänge an und passt dieses Jahr besonders gut. Der Winter war so lang, dass manch ein Zugvogel nach der Ankunft in Deutschland entsetzt sein Gefieder schüttelte und den Rückflug in südliche Gefilde antrat. Auch unter den Borussenanhängern herrschte zuletzt ein Winter des Missvergnügens. So eindrucksvoll insgesamt die Punkteausbeute, so war doch das Gladbacher Offensivspiel von einer Kargheit, die viele frösteln ließ. Leblos und unterkühlt wirkte das Team in Stuttgart. Die wenigen Samenkörner spielerischer Kreativität fielen auf gefrorenen Boden.

Harrison floh aufs Land, wo er sich von seinem Freund Eric Clapton eine Gitarre lieh und den ersten echten Sonnenschein des Jahres genoss. So entstand ein Song, in dem der Jubel einer befreiten Seele hörbar wird: „Here comes the sun“. In Deutschland sind Star und Zilpzalp zurückgekehrt, Eiscafés und Biergärten geöffnet, die Gartenmöbel ausgepackt. Unter den Gladbachfans herrscht seit Freitagabend mindestens Tauwetter. Der Heimsieg gegen Augsburg mag noch kein fußballerischer Hochsommer gewesen sein. Was Leidenschaft, Ideen und Offensivdrang betrifft, bot er aber unerwartet viel Erwärmendes.

Daran hatten auch die personellen Umstellungen ihren Anteil. Peniel Mlapa stand zum ersten Mal bei einem Bundesligaspiel in der Gladbacher Startelf und lieferte gute Argumente für weitere Einsätze. Auch wenn dem U21-Nationalspieler längst nicht alles gelang, so gefiel er doch durch Schnelligkeit, Willen, Robustheit und großen Zug zum Tor. Symptomatisch schon die vierte Minute, als er sich mit energischem Einsatz gegen Augsburgs Torhüter Manninger den Ball eroberte. So bekam Arango die Gelegenheit, gegen überrumpelte Gäste eine Flanke zu schlagen, die die Augsburger nur in höchster Not vor dem am Fünfmeterraum lauernden Hanke klären konnten. Auch am Tor des Tages hatte Mlapa, wenngleich nicht als Torschütze verzeichnet, den Hauptanteil, weil er aufmerksam schaltete und mit solcher Dynamik in den Strafraum eindrang, dass Vogt sich nur mit einem regelwidrigen Klammergriff zu helfen wusste.

Den wiederum verwandelte, gewohnt sicher, ein Rückkehrer: Filip Daems sollte nicht nur aufgrund dieser Szene seinen Stammplatz fürs Erste zurückerobert haben. Der Kapitän agierte bissig,  machte seine Seite zuverlässiger dicht als zuletzt Oscar Wendt und fiel im Spiel nach vorne gegenüber dem Schweden keinesfalls ab. Auch die anderen beiden Umstellungen machten sich bezahlt: Mike Hanke lebte im Verbund mit einem schnellen Sturmpartner sichtlich auf. Zweimal verhinderte nur der Pfosten einen Scorerpunkt. Vor allem aber ließ der schon zum Fehleinkauf abgestempelte Granit Xhaka erahnen, warum ihn die Borussia im Sommer geholt hatte. Der Schweizer machte sein bislang bestes Saisonspiel, war an zahlreichen Angriffen durch kluge Pässe beteiligt oder suchte selbst den Torabschluss. Zugleich gelang es Xhaka, die Balance zwischen defensiver Sicherheit und offensiven Impulsen viel besser zu gestalten als noch zu Saisonbeginn, als er sich durch Harakiri-Pässe bei eigener aufgerückter Abwehr aus dem Team manövrierte.

All das klingt nach einem Kantersieg und tatsächlich wäre der gegen dezimierte Gäste möglich gewesen, hätten die Borussen ihre Chancen so effektiv genutzt wie in manchen Spielen zuvor. Diesmal schluderten die Borussen aber im Abschluss, teils in grob fahrlässiger Weise. Immer wieder versandten Konter, weil ein Gladbacher eine zu komplizierte Lösung wählte oder den Pass nicht genau genug spielte. Patrick Herrmann, sonst oft einziger Aktivposten im Gladbacher Angriffsspiel, war diesbezüglich besonders glücklos.

Oft genug wird das Auslassen bester Chancen im Fußball bestraft und auch diesmal wäre es beinahe so gekommen, hätte ter Stegen in der Schlussminute gegen Musona nicht hellwach reagiert. Zwar war dies die einzige echte Chance der Augsburger im zweiten Durchgang. Aber dass sie zum Remis hätte reichen können, das muss man, bei aller Besserung im Offensivspiel, doch den Gladbacher Angreifern anlasten.

Gleichwohl: Das Borussenspiel bot vielerlei Anlass für Frühlingsgefühle. Ob die sprichwörtliche Schwalbe (hier nicht im fußballspezifischen Sinne gemeint) schon den Sommer macht, darüber wird die Reise nach Wolfsburg erste Aufschlüsse geben. In dieser Spielzeit hat die Borussia noch nie zwei Siege in Folge geschafft. Das muss sich ändern, wenn die Aussicht auf Europa realistisch bleiben soll.