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Die erbärmlichen Auftritte der letzten Wochen haben vor dem Spiel heute abend um 21.05 Uhr eine gewaltige Drucksituation geschaffen. Nachdem die direkte Qualifikation zur Champions League in den letzten Wochen der Vorsaison knapp verfehlt wurde, folgte in den Play-Offs zur Champions-League ein unglückliches Aus, das die Stimmung im Umfeld sichtlich belastete. 


In der Mannschaft, die im Sommer mit knapp 30 Mio. Euro verstärkt wurde, stimmt es hinten und vorne nicht. Defensiv leisten sich einige Spieler katastrophale Fehler. Nach vorne konnte in den vergangenen Wochen kaum Torgefahr entwickelt werden. Selbst der in den vergangenen beiden Jahren so erfolgreiche Trainer steht bei Teilen der Fans und Medien in der Kritik. Umso wichtiger wäre es, vor dem anstehenden schweren Ligaspiel am kommenden Sonntag im Europacup Selbstbewusstsein zu tanken.


Die Rede ist natürlich von Borussia Mönchengladbach – oder aber von Fenerbahce Istanbul. Denn tatsächlich ähnelt sich die Situation beider Konkurrenten frappierend. Doch so krisengeplagt der Gegner sein mag: Rein statistisch geht er als Favorit in die Partie. So befinden sich 4 der 10 Spieler mit dem höchsten Nettogehalt in der türkischen Liga in Diensten von Fenerbahce. Alex (2,7 Mio. €) wurde dieser Tage zwar suspendiert, aber mit Kuyt (2,85 Mio.), Meireles (3 Mio.) und Sow (3,4 Mio.) verdienen alleine drei Stars noch weit mehr als jeder Borusse. Doch neben diesen bekannten Größen weist der Kader der Türken einige andere interessante Spieler auf, die im Folgenden vorgestellt werden:

 

Im Tor steht die schillerndste Figur des türkischen Rekordmeisters. Der 30jährige Volkan Demirel ist der Paradiesvogel, der in seinen Leistungen wie im Auftreten immer zwischen Genie und Wahnsinn pendelt. Neben teilweise überragenden Paraden ist er immer wieder für einen Fauxpas gut. Bei den Fenerbahce-Fans ist der Ehemann der Miss Belgien 2009 beliebt, während er im Nationaldress zuletzt auch andere Erfahrungen machte. So wurde er von den eigenen Zuschauern nicht ganz zu Unrecht für das peinliche 0:3 in den EM-Play-Offs gegen Kroatien verantwortlich gemacht und verhöhnt, worauf Heißsporn Demirel aggressiv reagierte. Schon 2008 war er bei der EM negativ aufgefallen, als er Jan Koller umstieß und dafür vom Platz gestellt wurde. Der 49fache Nationalkeeper ist aber bei allem Jähzorn auch ein wichtiger Führungsspieler, der in der Vorwoche die Mannschaft zum Abendessen einlud und damit sein Bemühen zeigte, die angespannte Stimmung zu kitten.

 

Mert Günok ist interessanterweise nicht nur bei Fenerbahce sein Ersatz, sondern ebenso im Nationalteam, wo er es immerhin schon auf 4 Einsätze brachte – nur halb so viele wie im Verein.

 

Die tragende Säule in der Abwehr von Fenerbahce ist der nigerianische Nationalverteidiger Joseph Yobo. Im Sommer wurde er vom FC Everton fest verpflichtet, nachdem er aber bereits seit 2010 ausgeliehen worden war. Der nigerianische Rekordnationalspieler (87 Länderspiele, 7 Tore) ist wie der Keeper mit einer Schönheitskönigin aus seiner Heimat liiert und strahlt mit 32 Jahren enorme Erfahrung und Übersicht aus. Seine 220 Spiele in der Premier-League sprechen für sich. Einst begann Yobo seine Karriere im Sturm, was sich in seiner relativ offensiv ausgerichteten Spielweise bemerkbar macht. Zu Wochenbeginn war er angeschlagen und konnte nicht trainieren. Es ist aber damit zu rechnen, dass Fenerbahce alles daran setzen wird, diesen zentralen und zweikampfstarken Abwehrspieler rechtzeitig für die Europapokal-Partie auf die Beine zu bekommen.

 

Dies wäre umso wichtiger als dass die Alternativen rar sind und zuletzt wenig überzeugten. Egemen Korkmaz, der zu Saisonbeginn ablösefrei von Besiktas losgeeist werden konnte, ist zwar seit einiger Zeit türkischer Nationalspieler (8 Länderspiele). Bei Fenerbahce ist der 29jährige Innenverteidiger bislang aber noch nicht angekommen. Nach einer Verletzung ist er vergangene Woche wieder ins Training eingestiegen und kehrte im Spiel bei Kasimpasa Istanbulins Team zurück, wo er aber mit katastrophalen Fehlern zum 0:2 entscheidend beitrug.


Ähnlich desolat präsentierte sich Bekir Irtegün im Spiel gegen Marseille, wo er aufgrund seiner Fehler mit dem einstigen Star Alex in Streit geriet. Der 28jährige hat bislang 4 Länderspiele auf dem Buckel, spielt aber aktuell keine Rolle bei Nationaltrainer Avci. Theoretisch könnte Irtegün auch auf der rechten Abwehrseite eingesetzt werden, wo aber Gökhan Gönül seit 2007 agiert. Der 28jährige Nationalspieler hat seine Stärken eher in der Offensive, wo er brauchbare Flanken schlagen kann.

 

Deutsche Wurzeln hat sein Pendant auf der linken Seite. Hasan Ali Kaldirim wurde vor 22 Jahren in Neuwied geboren und besitzt daher auch die deutsche Staatsangehörigkeit. Nachdem er sich beim 1.FC Kaiserslautern und in Mainz nicht durchsetzen konnte, ließ ihn Thomas Tuchel 2010 in die Türkei ziehen, wo er sich seitdem besser schlägt. Seit Februar dieses Jahres ist der technisch starke, disziplinierte Linksverteidiger in der Nationalmannschaft gesetzt. Probleme hat er gegen stärkere Gegner im Zweikampf.

 

Unterstützt wird die Viererkette vom defensiver denkenden 6er Mehmet Topal, der bei einem Ausfall von Yobo auch in die Innenverteidigung rücken könnte. Der 30fache Nationalspieler kam im Sommer für 4,5 Mio. Euro aus Valencia, wo er über lange Zeit als Stammspieler agierte. Der 26jährige verfügt über einen ordentlichen Schuss und ist angesichts seiner bereits 2 Saisontore in 2012/13 auch vorne nicht zu unterschätzen. Bekannt ist er aber weniger für seine Torgefahr als für seine Geschicklichkeit, Fehler des Gegners auszunutzen und schnell von Defensive auf Offensive umzuschalten, was ihm den Beinamen „Die Spinne“ einbrachte. Defizite hat er hingegen am ehesten in punkto Schnelligkeit, was bei internationalen Spielen stärker zum Tragen kommt als in der türkischen Liga.

 

Ihm zur Seite auf der Doppel-6 steht der teuerste Neueinkauf dieses Sommers. Für 10 Mio. Euro kam mit Raul Meireles ein aktueller Champions-League-Sieger aus Chelsea. Dort hatte der 62fache portugiesische Nationalspieler mit 38 Saisoneinsätzen und 6 Toren sogar einen Stammplatz, was seinen Transfer umso bemerkenswerter macht. 2011 war der 29jährige in Diensten des FC Liverpool zum besten Spieler der Premier League gekürt worden und auch bei der EM war er in allen Spielen für Portugal mit dabei. Seine Stärken sind neben der großen Erfahrung und Ruhe, die er ins Spiel bringen kann, seine gefährlichen Weitschüsse. Er interpretiert die Rolle des 6ers offensiv und kann – ähnlich wie Granit Xhaka – auch im offensiven Mittelfeld eingesetzt werden. Bei Fenerbahce kämpft er bislang aber noch mit Eingewöhnungsproblemen. So stand er durch seinen späten Kauf erst in 3 Partien auf dem Platz und konnte erst zu einem einzigen Tor mit einer Vorlage beitragen.

 

Mit nur 1 Mio. Euro deutlich billiger als Meireles, aber nicht minder prominent war Neuzugang Dirk Kuyt, der sich als polyvalenter Spieler für die Rolle des Rechtsaußen ebenso anbietet wie gegebenfalls als hängende Spitze. Mit seinen 32 Jahren, 90 Länderspielen (24 Tore) und 208 Spielen (51 Tore) für den FC Liverpool in der Premier League verfügt der Niederländer über immense Erfahrung. Früher agierte er oft im Sturmzentrum, wo er noch weit torgefährlicher agierte. Dies büßt er in seiner Rolle auf der rechten Außenbahn ein wenig ein, wenngleich er weiterhin kaltschnäuzig vor dem gegnerischen Tor ist. In der bisherigen Saison gelangen ihm daher auch schon 5 Tore, wenngleich er in den letzten 4 Partien erfolglos blieb. Gegen Marseille fehlte er verletzt, ist aber mittlerweile wieder fit für einen Einsatz über 90 Minuten.

 

Ein weiterer prominenter Neuzugang war Milos Krasic, der für 7 Millionen Euro von Juventus Turin verpflichtet werden konnte. 2009 hatte er als serbischer Spieler des Jahres seinen Karrierehöhepunkt, was ihm den Wechsel nach Italien ermöglichte. Nachdem der 27jährige rechte Mittelfeldspieler in der Saison 2010/11 zum Stamm gehört hatte, war er im Vorjahr allerdings nur noch Ergänzungsspieler, weshalb er sich zum Wechsel in die Türkei entschloss. Auch dort läuft es bislang aber u. a. aufgrund einer zwischenzeitlichen Verletzung alles andere als wunschgemäß. In seinen 6 Kurzeinsätzen konnte er noch keinen Treffer erzielen. Torgefahr ist aber ohnehin nicht seine größte Stärke. Er besticht eher durch seine Schnelligkeit, Dribblings und gute Technik, die ihm oft große Aufmerksamkeit bescheren und immerhin schon 46 Länderspiele eingebracht haben.

 

Möglich, dass er gegen Borussia im Team steht, da sein Konkurrent Miroslav Stoch zuletzt wegen der Alex-Affäre mit seinem Coach aneinandergeraten ist und ihm zudem eine nicht immer professionelle Einstellung vorgeworfen wird. Der slowakische Nationalspieler (32 Länderspiele, 4 Tore) ist mit seinen 1,68 Metern ebenfalls schnell, wendig und dribbelstark. 2010 war der 22jährige für 5,5 Millionen Euro von Twente Enschede gekommen. Er ist beidfüssig und somit im offensiven Mittelfeld vielfältig einsetzbar, wird aber meist auf der Außenbahn benötigt.

 

Caner Erkin wird vermutlich am Tag seines 24. Geburtstags auf der linken offensiven Außenbahn zum Einsatz kommen, wobei er diese Rolle defensiver interpretiert als seine Kollegen auf der anderen Seite. Er ist 15facher Nationalspieler (1 Tor), konnte sich dort aber erst dieses Jahr einen Stammplatz erkämpfen. Diesen hatte er bei Fenerbahce zuletzt nicht immer inne, wo er in den letzten Wochen mehrfach auf der Bank verweilte, obwohl er gegen Marseille den Treffer zum 1:0 beigesteuert hatte. Auch Erkin gilt als dribbelstark und er versucht sich des Öfteren mit Weitschüssen. Torgefahr entwickelt er dabei aber nur höchst selten. Für Fenerbahce erzielte er in bislang 56 Partien nur 4 Treffer.

 

Top-Kandidat für das zentrale offensive Mittelfeld ist Mehmet Topuz, der allerdings auch schon im rechten Mittelfeld oder als rechter Verteidiger agiert hat. Seine beste Zeit scheint der 29jährige hinter sich zu haben, denn die meisten seiner 16 Länderspiele stammen noch aus dem Jahr 2006. Defensiv hat er bisweilen Schwächen,  wie er ebenfalls für seine Position zu wenige Tore schießt. Zudem konnte er in dieser Woche nur eingeschränkt trainieren, so dass hinter seinem Einsatz noch ein kleines Fragezeichen steht.

 

Für Tore ist im Team von Fenerbahce vornehmlich Moussa Sow zuständig. Der 26jährige Senegalese machte 2011 beim OSC Lille auf sich aufmerksam, wo er Meister, Pokalsieger und mit 25 Treffern Torschützenkönig wurde. Ein halbes Jahr später wechselte er für 10 Mio. Euro nach Istanbul, wo er sich in der Rückrunde mit 7 Toren in 12 Ligaspielen gut einführte. Zuletzt blieb er aber 3 Spiele in Folge ohne Tor, da er unter der spielerischen Armut im Mittelfeld litt und vorne ähnlich verhungerte wie es Luuk de Jong bei Borussia des öfteren widerfährt. Auch Sow ist ein Zentrumstürmer, der für seine Fallrückzieher berüchtigt ist. Daneben ist er aber auch noch sehr robust und – wie es sich für einen Afrikaner gehört – schnell, so dass hier ein Stürmer von international absolutem Top-Kaliber auf Borussias Abwehr wartet.

 

Ein interessanter Mann sitzt zudem noch auf der Bank von Istanbul. Semih Sentürk gilt spätestens seit 2008 als gefürchteter Top-Joker. Damals wurde er bei der EM zum Nationalhelden, als er in der 122. Minute den 1:1-Ausgleich gegen Kroatien erzielte, und damit das 0:1 von Klasnic aus der 119. Minute konterte. Im darauffolgenden Halbfinale markierte er in Minute 86 das nicht minder umjubelte 2:2 gegen Deutschland, was aber am Ende nicht zum Sieg reichte. 2008 befand sich der 29jährige aber als Torschützenkönig auf dem Zenit seiner Karriere, den er inzwischen deutlich überschritten zu haben scheint. In dieser Saison brachte er es erst auf drei Kurzeinsätze in der Liga und eine Halbzeit gegen Spartak Moskau, wo er es aber jeweils nicht zum Torerfolg brachte.

 

Fazit: Mit Yobo, Meireles, Kuyt und Sow verfügt Fenerbahce über eine zentrale Achse international erfahrener Top-Leute, um die herum überwiegend türkische Nationalspieler agieren. In der Offensive ist Fenerbahce mit schnellen, trickreichen Spielern ausgestattet, die eine verunsicherte Abwehr in gewisse Probleme bringen können. Spätestens mit der Suspendierung von Alex fehlt es aber im Mittelfeld an Spielern, die das Heft in die Hand nehmen und die Stürmer gezielt einsetzen. Die Neuzugänge Meireles oder Krasic sind hierzu bislang noch nicht ausreichend in der Lage.


Meireles bildet zusammen mit Topal eine qualitativ hochwertige Doppel-6, die zusammen mit dem routinierten Yobo die Defensivarbeit stützt. Probleme hat die Mannschaft aber auf der Position des zweiten Innenverteidigers. Unter Druck sollten auch die Außenbahnen anfällig sein. Schlußendlich steht im Tor mit Demirel eine Wundertüte, die an guten wie an schlechten Tagen ein Spiel im Alleingang entscheiden kann.


Das Hauptproblem besteht aktuell darin, dass die Mannschaft - ähnlich wie bei Borussia - nach der Transferoffensive im Sommer noch keine Einheit bildet, die funktioniert. Aufgrund diverser kleinerer Verletzungen fielen einige Schlüsselspieler immer wieder aus und sind teilweise immer noch angeschlagen, so dass es deutlich an Eingespieltheit fehlt. Es wird am heutigen Abend also sehr darauf ankommen, welcher Trainer die bessere Mischung findet und die Schwächen des Gegners am besten ausnutzen kann.