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„Unnötig“ war das wohl meistgenutzte Wort im Gladbacher Lager nach dem 2:3 gegen den 1.FC Nürnberg. „Unnötig“ war die Niederlage nicht nur wegen der verschlafenen Anfangsphase, „unnötig“ war sie vor allem wegen des aus einer erstaunlichen Fehlerkette resultierenden Nürnberger Siegtors, das zu einer Phase fiel, als Borussia sich gerade mit Vehemenz in Spiel zurückgekämpft und ausgeglichen hatte, eigentlich also kräftig Oberwasser hatte. Keine Frage, das Spiel hätte Borussia genauso gut gewinnen können, obwohl der Gegner alles andere als schlecht war. So aber wird niemand mehr widersprechen, wenn Trainer Lucien Favre sagt, es werde eine schwere Saison.


Sehen wir zunächst das Positive: Borussia hat gegen Nürnberg zeitweise das gezeigt, was man gemeinhin als „Durchschlagskraft“ bezeichnet und von dem man bisher zurecht sagte, dass es das ist, was dem Team in aller erste Linie fehlt. Lässt man die völlig vergeigten ersten 25 Minuten des Spiels außen vor, hat sich die Mannschaft verbessert gezeigt, hat endlich Wege gefunden, sich gefährlich dem gegnerischen Tor zu nähern, ohne dabei auf die ohne Marco Reus mehr oder weniger wertlosen Muster aus der vergangenen Saison zurückzugreifen.
Prompt profitiert und überzeugt auch der Mann, der in den vergangenen Wochen schon zum Fehleinkauf abgestempelt wurde. Zeitweise spielte die Mannschaft mit Luuk de Jong so, wie man es wohl tun muss, wenn man die Stärken des Stürmers zur Geltung bringen möchte: Pässe dorthin, wo de Jong steht und nicht dorthin, wo ein schnellerer Spieler womöglich hinlaufen könnte und – gleich mehrmals – der Versuch, über die Flügel zu kommen und den Niederländer mit Flanken einzusetzen. Über den linken Flügel lief auch der sehenswerte Angriff vor Granit Xhakas Tor zum zwischenzeitlichen Ausgleich. Der deutlich verbesserte Patrick Herrmann setzte sich nicht nur toll durch, er bewies danach auch die Übersicht, statt einer Flanke in den Spielerpulk vor Raphael Schäfers Tor einen klugen Pass in den Rücken der Abwehr zum schussbereit stehenden Xhaka zu spielen. Alles in allem scheint die Erkenntnis, dass der Weg zum Erfolg in dieser Saison ein anderer sein wird, als in der vergangenen, im Team angekommen zu sein.

 

Schauen wir nun auf die Soll-Seite: an der Basis des Borussen-Aufschwungs unter Lucien Favre stand die Abwehr – denn seit der Schweizer das Sagen hat, stand die Abwehr. Bombensicher. In keinem Bundesliga-Spiel gab es bis Samstag mehr als zwei Gegentore. In keinem Bundesligaspiel gab es hinten derartig viele Wackler und Aussetzer. Es wäre unfair, diesen Missstand allein an den neu dazugekommenen Spielern festzumachen.Zwar lieferte Alvaro Dominguez abermals allerlei Szenen für den nach zwei Partien schon durchaus ansehlichen Lehrfilm „Warum Roel Brouwers in der Gladbacher Innenverteidigung spielen muss“, an ihm allen liegt es aber sicher nicht, dass aus dem festen Grund, auf dem Borussias Spiel jetzt fast anderthalb Jahre fußte, für den Moment sandiger Boden geworden ist. Auch Tony Jantschke und Martin Stranzl leisteten sich völlig ungewohnte Konzentrationsmängel (neben, das sei konzidiert, vielen gewohnt starken Szenen), Filip Daems spielte solide, ist aber auch (noch) nicht ganz auf dem Niveau der Vorsaison angekommen. Mindestens genau so verbesserungswürdig ist das Defensivverhalten des Mittelfelds, wo man beginnt zu verstehen, warum Lucien Favre den Weggang von Roman Neustädter fast ähnlich laut beklagt hat, wie den von Marco Reus. Nach vorne tun Tolga Cicerci und Granit Xhaka, die sich auf der Position neben Havard Nordtveit abwechselten, zwar mehr oder zumindest Auffälligeres, als der Neu-Schalker. In Sachen Laufarbeit und Sicherheit fehlt beiden aber noch ein großes Stück. Vor allem Xhaka fällt auf der „Sechs“ derzeit vor allem dadurch auf, dass er das Spiel langsam macht. Cigerci gefiel gegen Nürnberg alles in allem besser, zumal Xhaka nach dem Positionstausch deutlich aufblühte. Eine eingespielte und aufeinander abgestimmte „Doppelsechs“ ist wichtig für das Defensivgefüge. Womöglich ist der Versuch, mit zwei sich ständig auf der defensiven und der offensiven Position abwechselnden Spielern nicht das probate Mittel, um diese Abstimmung herzustellen.


Lucien Favre erklärt die Probleme hinten mit der neuen Spielweise vorne: die Mannschaft müsse „höher“ stehen, das Spiel also insgesamt näher ans gegnerische Tor verlagern, eben weil die überfallartigen Angriffe, die Borussia in der Ära Reus so stark gemacht haben, mit dem aktuellen Personal kaum mehr machbar sind. Prompt ergeben sich Probleme hinten. Hier die richtige Balance zu finden, wird die Aufgabe für Favre und sein Team in den kommenden Wochen sein.