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„Sie liebt mich, sie liebt mich nicht. Wir sind abgestiegen, wir sind es nicht…“. Ratlos sitzt der Hertha-Fan am Ufer der Spree und zupft an den Blättern seines Gänseblümchens. Noch vor einem Jahr hätte er hier einen ebenso Rat suchenden Borussen-Fan antreffen können. Doch der schwebt momentan im siebten Himmel. Alles also schon erlebt? Nein, so richtig passt der Vergleich nicht. Während man am Niederrhein mit einem fulminanten Schlussspurt einen eigentlich schon tödlichen Rückstand aufholen konnte, ist die Berliner Saison eine Geschichte von ausgelassenen Chancen und unerwarteten Comebacks. Was am Anfang nach neuer Kontinuität aussah, versank ab Herbst in Selbstzerfleischung und mündete in eine sportliche Krise. Aber die Hertha ist noch nicht am Ende. Jedes Mal wenn man ihr den Todesschein ausstellen möchte, überrascht sie mit nicht mehr für möglich gehaltenen Kraftakten – um wiederum eine Woche später in erneuter Verzweiflung zu versinken. Frei nach der Gänseblümchentaktik zerlegt man sich in Berlin wieder einmal selber. Und hofft insgeheim, dass am Ende dennoch drei Mannschaften verzweifelter sind.


Aller guten Dinge sind also drei. Zumindest in der Wunschwelt der Berliner. Damit man auch sein Ziel, drei Teams hinter sich zu lassen, erreicht, setzt man nun bereits auf den dritten Trainer. Markus Babbel musste vor Weihnachten gehen. Die Gründe hierfür waren eher „persönlicher Natur“, ganz sicher aber nicht sportlicher. Der Hickhack um seine Personalie schadete der Mannschaft merklich. Abgelenkt durch einen wahrlich unprofessionellen öffentlichen Umgang mit der Problematik schien die sportliche Leitung erst zum Ende der Ära Babbel wahrzunehmen, dass das Ziel Klassenerhalt nach einem durchaus respektablen Start plötzlich wieder in Gefahr geriet. Ein neuer Trainer musste es nun richten, mit Michael Skibbe wurde der Wunschkandidat aus der Türkei losgeeist. Doch zwei Monate später war auch Skibbe Vergangenheit. Die Gründe waren hier wohl eher „disziplinarischer Natur“. Zwischen Wunschkandidat und Mannschaft passte es einfach nicht. Statt die Mannschaft ins Gebet zu nehmen, verfiel man auf die einfachste und bequemste Lösung und trennte sich vom Trainer. Der Nachfolger überraschte dann alle. Otto Rehhagel kehrte zur Hertha zurück – nach 47 Jahren! Spötter bemerkten, Rudi Gutendorf sei wohl nicht erreichbar gewesen. Andere hofften wiederum auf die Aura des Erfolgstrainers. Mit Rehhagel hat man sicherlich den erfahrensten deutschen Coach an die Spree lotsen können, über 820 Mal saß er bereits in der Bundesliga auf der Bank. Seine Erfolge mit Werder Bremen, dem 1. FC Kaiserslautern und Griechenland, welche er aus dem Nichts zu Titelträgern formte, sind legendär. Doch passt der einst so erfolgreiche Trainer auch noch in die heutige, sich schnell wandelbare Fußballwelt? Aufgrund der letzten Ergebnisse sind Zweifel erlaubt.


Der Auftakt in Augsburg geriet zur Blamage, als man sich vom Mitkonkurrenten mit 0:3 abfertigen ließ. Die Heimpremiere wurde wiederum gegen Werder Bremen gewonnen. Dem folgte eine Niederlage bei Mitabstiegskonkurrent Köln, eine 0:6 Heimniederlage gegen die Bayern, ein überraschender Auswärtserfolg in Mainz und wiederum eine 1:4-Heimniederlage gegen schwache Wolfsburger, Frei nach der Gänseblümchentaktik wechseln sich auch bei Rehhagel Erfolge und Misserfolge stetig ab. Dabei sind die Auftritte selten so desolat, wie es die Ergebnisse vermuten lassen. Die Ineffizienz in der Offensive belastet aber das Nervenkostüm der gesamten Mannschaft. Fällt dann ein Gegentreffer, bricht oft das gesamte Team in sich zusammen. Die Hauptstädter sind somit schlagbar, wollen aber auch erst bezwungen werden. Liegt die Mannschaft  in Führung, ist sie zu Energieleistungen fähig, wie bereits Dortmund, Mainz oder Bremen erfahren mussten. Diese Energieleistungen wird man in den letzten acht Spielen benötigen. Die Konkurrenz punktet und so kann bereits jetzt schon jedes Unentschieden am Ende zu wenig sein. Aller guten Dinge sind also drei, besonders wenn es drei Punkte sind.


Die benötigt man aber auch in Mönchengladbach. Noch Ende Februar träumte mancher Optimist vom Double oder zumindest einem Titel. Doch dann forderte die bislang fulminante Saison ihren Tribut. Die letzten vier Heimspiele konnten nicht gewonnen werden, in den letzten sieben Spielen reichte es nur zu einem glücklichen Sieg in Leverkusen. Die starke Leistung gegen Bayern im Pokal überstrahlte dabei kurzfristig die wenig überzeugenden Auftritte der anderen Begegnungen. Die Gründe hierfür sind vielfältig. Zunächst einmal hat sich die Konkurrenz auf die Gladbacher Spielweise eingestellt. Das Defensivverhalten, mit denen die Fohlen in der Vergangenheit Erfolge erzielten, wird nun gegen sie verwendet. Bedenklich ist vielmehr, dass dies reicht, um das Spiel des Tabellenvierten aus dem Gleichgewicht zu bringen. Auch wenn es viele Fans im Zuge dieser hervorragenden Saison nicht sehen möchten: Der Borussia fehlt derzeit noch schlicht und ergreifend die Qualität, um solchen Situationen aktiv entgegenzuwirken. Lucien Favre und Max Eberl wurden bereits in der Vergangenheit nicht müde zu betonen, man dürfe nicht vergessen, wo man her komme. Viele Borussen spielten lange Zeit über ihrem Limit, so ist es ganz natürlich, dass dies irgendwann seinen Tribut fordert. An niemanden wird dies wohl so deutlich, wie an Harvard Nordtveit. Auch wenn dem Norweger in Hannover sein erstes Saisontor gelang, kämpft er seit Wochen mehr mit sich selbst, als mit seinem Gegner. Ein weiterer Hinweis für mangelnde Qualität, denn Lucien Favre sieht den Rest des Kaders als noch nicht soweit an, um manchen Spielern die notwendige Rotation zu ermöglichen. Vielleicht ist der Wechsel von Reus daher ein Segen. Um den kontinuierlichen Weg der Borussia erfolgreich fortzuführen ist es nun wichtig, den Kader in der Breite qualitativ zu steigern.


Es sind jedoch nicht nur Formschwächen einzelner Spieler, welche derzeit zu Buche schlagen. In der gesamten Spielweise scheint derzeit der Wurm zu stecken. Von der traumwandlerischen Sicherheit der One-Touch-Spiels ist momentan nur noch ansatzweise etwas zu sehen. Statt über Passkombinationen den Gegner schwindelig zu spielen, sieht man nun wieder lange Pässe, die unnötig ein Opfer der gegnerischen Verteidigung werden. Daneben wirkt die Borussia seltsam passiv. Statt Druck zu entfalten, steht man (zu) tief und überlässt es dem Gegner zu agieren. Wird der Ball erobert, erfolgt das Umschalten zur Offensive zu umständlich und langsam. Nein, das Fußballspielen haben die Akteure ganz sicher nicht verlernt. Doch das Nervenkostüm ist angekratzt, die Leichtigkeit ging verloren. Vielleicht benötigt die Borussia ganz einfach nur ein Erfolgserlebnis. Aller guten Dinge sind also auch in Mönchengladbach drei, zumindest was die Punktausbeute betrifft. Es wird Zeit, damit wieder zu beginnen.

 

Die Borussia: Ter Stegen – Jantschke, Stranzl, Dante, Daems – Neustädter, Nordtveit, Ring, Arango – Reus, Hanke

Die Alte Dame: Kraft - Lell, Neumann, Janker, Bastians - Niemeyer, Kobiashvili - Rukavytsya, Raffael - Lasogga, Ramos


Tipps:


Thomas Häcki: Auch wenn alle Beteiligten das Gegenteil behaupten: Das Selbstvertrauen hat gelitten. Hertha nutzt seine Chance und gewinnt 0:2.

Michael Heinen: Wo ist Borussias Heimstärke hin? Einmal mehr kann die Mannschaft einen fest eingeplanten Pflichtsieg nicht einfahren und muss sich gegen kampfstarke Berliner mit einem 0:0 begnügen.

Christoph Clausen: Hertha ist ein unangenehmerer Gegner, als der Tabellenstand vermuten ließe. Dennoch: Es wird mal wieder Zeit für einen souveränen Sieg. Zum Beispiel ein 3:0. 

Christian Spoo: Es läuft nicht rund bei Borussia. Nach dem 0:1 gegen den Abstiegskandidaten aus der Hauptstadt macht das böse K.-Wort die Runde.

Christian Heimanns: Schluss mit dem Unsinn, 2:0 Borussia.