augsburg neu

 

“We’re glad its all over” sang der großartige Captain Sensible (auch bekannt als Bassist der Band The Damned) im Jahre 1983 und bezog sich damit auf den Falkland-Krieg im Vorjahr, unwissend, dass dieser Song in der jüngeren Vergangenheit auch meist vorzüglich als Saison-Abschluss-Hymne für Borussia Mönchengladbach gepasst hätte. Zum sechsten Mal in 7 Spielzeiten (die eine einzige Ausnahme war 2020 und da nervte dann Corona stattdessen) nämlich gehen Gladbach-Fans mit dem „was für eine Kacke, ich brauche jetzt erstmal Pause vom Fußball“-Gefühl in die Sommerpause und nein, da wird auch das Spiel am Samstag gegen Augsburg kaum was daran ändern. In den Hecking-Jahren 2017-2019 mag das rückblickend noch als Jammern auf halbhohem Niveau bewertet werden, denn man muss sich ja auch erstmal für ein Pokalhalbfinale qualifizieren, um es dann abzuschenken. Und überhaupt hatte man in diesen Jahren immerhin noch jedes Mal die Chance sich am letzten Spieltag fürs internationale Geschäft zu qualifizieren, was auch noch für die Saison 20-21 gilt. Was sich im Moment aber abspielt, fühlt sich wie ein neuer Tiefpunkt an und faktisch ist es das auch. Selbst bei einem Sieg wird man die niedrigste Punktzahl seit 12 Jahren erreichen, auswärts muss man sogar bis ins Abstiegsjahr 2006/7 zurückgehen, um eine Saison zu finden, in der man weniger als die diesjährigen 10 Punkte erzielt hat.

Aber Stop! Wir sind auf dem besten Wege, mit diesem Artikel das Thema zu verfehlen. Nicht deswegen, weil wir nicht wirklich auf das Spiel gegen Augsburg eingehen (das interessiert von Gladbacher Seite niemanden mehr wirklich), sondern weil wir suggerieren, dass der Frust von uns Fans hauptsächlich auf einem mittelmäßigen sportlichen Abschneiden beruht. Natürlich hatten sich die meisten von uns mehr von dieser Saison erwartet, zumindest ein Mitspielen um internationale Plätze, aber das ist nicht der eigentliche Punkt. Dass übertriebene CL-Erwartungen im Umfeld ein ernsthaftes Problem sind/waren, ist ein Mythos, der nur in der seltsamen Parallelwelt des Daniel F. existiert (in der Borussia in der „Zittersaison“ im Vorjahr ja auch bis kurz vor Schluss akut abstiegsgefährdet war). Die meisten waren darauf eingestellt, dass es bei nicht so gutem Verlauf auch „nur“ auf einen Platz im gesicherten Mittelfeld hinauslaufen könnte. Was wir uns aber alle erhofft hatten, waren Signale eines Neuanfangs: ein neuer Spielstil, der Durchbruch des ein oder anderen jungen Spielers, die aktive Gestaltung eines Umbruchs. Befeuert wurden diese Hoffnungen vor allem durch die anfangs eloquenten Ausführungen des neuen Trainers, aber all das verpuffte nach einigen Spieltagen. Irgendwann Mitte der Hinrunde schien es, als hätte jemand dem Team den Stecker gezogen. Nur noch gelegentlich bei Höhepunkten wie gegen Bayern oder Dortmund rief die Mannschaft ihr Potenzial ab, ansonsten wurde meist lustlos und lethargisch rumgekickt. Und all das wurde noch um ein gutes Stück frustrierender durch eine zunehmende realitätsferne Kommunikation des Trainers, der „starke erste Halbzeiten“ sah, wenn man mal das Glück hatte ohne Gegentor in die Kabine zu gehen oder „nichts zu kritisieren“ hatte, wenn man sich bei einem Abstiegskandidaten niederkämpfen lassen hatte. Es ist verständlich, dass ein Trainer nicht immer gleich auf seine Mannschaft draufhaut und auch seine Arbeit verteidigen möchte, aber spätestens mit Jahresbeginn wurde die Diskrepanz zwischen dem, was auf dem Platz geschah, und was der Trainer in der Pressekonferenz gesehen haben wollte, so groß, dass es manchmal schon lächerlich war.

Dabei wurde Daniel Farke als so ziemlich einziges Sprachrohr der Borussia vom Verein aber auch weitestgehend im Stich gelassen. Roland Virkus mag sich im Bereich Kadergestaltung und Transfers inzwischen etwas an Kredit erarbeitet haben, aber seine Außendarstellung bleibt katastrophal. All dies kumulierte sich dann an den letzten beiden Spieltagen: jeweils kam einige Stunden vor Spielbeginn das Gerücht auf, die Trennung von Trainer und Verein sei beschlossene Sache (zumindest von einer der beiden Seiten). Das ist als solches schon beunruhigend, denn über Jahre hatte die Borussia eine Kultur etabliert, in der Entscheidungen intern ohne Störgeräusche getroffen wurden, jetzt auf einmal wurde man zum Spielball wilder Spekulationen. Ebenso schlimm aber war dann der Umgang von Vereinsseite, bei der man erstmal gar nichts und dann viel zu spät nicht besonders überzeugende Dementi von sich gab.

Und so stimmt eigentlich nichts so richtig bei der Borussia zurzeit: weder auf dem Platz noch im Umfeld kann man überzeugen. Kein Wunder also, dass wir Fans froh sind, wenn die Saison jetzt erstmal zu Ende ist, wobei man allerdings bedenken sollte, dass die Wochen nach Abpfiff des letzten Spiels vermutlich erheblich wichtiger für die Zukunft des Vereins werden als es die Spiele der letzten Wochen waren (aber das ist ein anderes Thema, dass wir sicher in naher Zukunft aufgreifen werden).

Während also in Gladbach das Spiel am Samstag eher ein irrelevantes Nebenthema ist, sieht die Sache beim Gegner aus Augsburg gänzlich anders aus. Obwohl man gefühlt eine stabile Saison spielt und seit dem 6. Spieltag immer vor den letzten Dreien in der Tabelle stand, droht dem FCA jetzt am Ende doch noch ein Relegationsspiel und das dann womöglich noch gegen den Hamburger SV. Nötig dafür wäre eine Niederlage in Gladbach bei gleichzeitigen Heimsiegen der Konkurrenz aus Bochum und Stuttgart. Sorge macht den bayrischen Schwaben dabei, dass Toptorjäger Berisha (9 Treffer bislang) nach einer Sprunggelenksverletzung noch nicht wieder topfit ist. Sonst würde er vermutlich neben dem Kroaten Beljo im Sturm spielen, der ja seinerzeit auch bei Borussia im Gespräch war und es in Augsburg immerhin direkt zum Stammspieler mit 3 Toren und 3 Assists in 17 Spielen gebracht hat. Kein Wiedersehen wird es allerdings mit Andre Hahn und Tobias Strobl geben, für die am Samstag ihre Zeit beim FCA zu Ende geht, die aber jeweils auch verletzt sind. Bei Strobl ist dies wohl auch das Karriereende, während es unklar ist, wo und wie es für Hahn weitergeht.

Aber auch ohne Gladbach-DNA in den Augsburger Reihen ist der FCA stets ein unangenehmer Gegner, gegen den sich der VFL vor allem auswärts stets schwertat. Im Borussia-Park gab es aber in den letzten 7 Begegnungen keine Niederlage und immerhin 5 Siege für Gladbach und es gibt keinen Zweifel daran, dass die Borussia als Favorit in dieses letzte Saisonspiel geht. Nicht zur Verfügung stehen dabei Manu Kone und Christoph Kramer, wohingegen Jonas Omlin noch auf der Kippe steht. Die Personalie, die aber die Gladbacher am meisten beschäftigt, ist Lars Stindl, der am Samstag zum letzten Mal im Borussia-Park spielen wird. Ob er dies in der Startelf tun wird oder aber ob es zum vierten Mal in Folge schafft, als Joker noch einen Treffer zu erzielen, wird sich dann zeigen. Man kann sich auf jeden Fall auf emotionale Szenen im Stadion vorbereiten.

Ob auch Daniel Farke seinen letzten Auftritt im Borussia-Park haben wird, ist hingegen unklar. Die typischerweise gut informierte Rheinische Post war sich auf jeden Fall schon vor vier Tagen sicher, dass die Trennung von Farke beschlossene Sache sei, was bislang aber niemand von Vereinsseite bestätigte. Farke selbst machte auf der Pressekonferenz vor dem Augsburg-Spiel keinesfalls einen resignierten Eindruck, sondern wirkte eher wie jemand, der sehr gern die angefangene Arbeit fortführen würde. Sollten sich die Wege trennen, so kann man ihm – bei aller Kritik - zumindest attestieren bis zuletzt professionell und motiviert für den Verein gearbeitet zu haben.

Obwohl die Trainerfrage wichtig ist, sollte allen Gladbach-Anhängern klar sein, dass dies nur eine von zahlreichen Baustellen bei der Borussia im Moment ist. Die Kaderplanung für die kommenden Jahre, die Altersstruktur im Präsidium, die Außendarstellung des Vereins, etc. Es gibt viele Dinge, über die man sich Sorgen machen kann. Die Borussia könnte bei fehlenden Lösungen dieser Probleme feststellen, dass es nach dem langsamen Aufstieg in den Jahren 2011-2021 auch schnell wieder nach unten gehen kann. Oder wie Captain Sensible es einst ausdrückte: „There’s more snakes than ladders at this point in time“.

 

Seitenwahl-Tipps:

Claus-Dieter Mayer: Beim 2:2 gegen den FCA hat die Borussia ein paar brillante Momente, denen aber auch sehr viel Leerlauf entgegensteht, was in einem letztlich unbefriedigenden Ausgang resultiert. Die perfekte Zusammenfassung der gesamten Saison!

Thomas Häcki: Dank der Nachrichten von den anderen Plätzen wird es ein gemütlicher Sommerkick, den die Borussia mit 3:2 für sich entscheidet. Spannung erwartet uns erst in den nächsten Tagen...

Uwe Pirl: Beim 1:2 gegen den FCA zeigt die Mannschaft von Borussia, warum sie eigentlich bei der Deutschen Meisterschaft im Sommerfußball besser aufgehoben wäre als in der Bundesliga. Dumm nur, dass in der Bundesliga hin und wieder engagierte Gegner auftauchen.

Christian Spoo: Obwohl es für Augsburg noch um etwas geht, sieht Borussia am letzten Spieltag erstaunlich gut aus und gewinnt recht locker mit 3:1. Wissense, ich hab doch immer gesagt, wir landen vor Köln. Der Effzeh verliert nämlich zeitgleich gegen den alten und neuen Deutschen Meister.

Michael Oehm: Ein 1:1, bitte. Und danach hätte ich gerne was von dem Zeug, was Kollege Spoo gerade genommen hat.