bochum neu

Aber können sie es auch an einem kalten, regnerischen Abend in Bochum? Ob das jetzt die beste Übersetzung der auch hier schon mehrfach thematisierten britischen „cold rainy night in Stokes“ ist, mag dahingestellt sein, aber es passt schon so einigermaßen und ist definitiv eine Frage, mit der sich die Gladbacher Borussia am Dienstagabend konfrontiert sehen wird.  Obwohl es mit einem 9:1 in Oberachern doch so gut begann, hat sich Gladbach diese Saison auf fremdem Boden eher schwergetan, vor allem gegen Teams, die man so irgendwo zwischen Liga 1 und 2 ansiedeln würde. Als man in Gelsenkirchen am zweiten Spieltag in letzter Sekunde den Patrick-Herrmann-Deppen-Ausgleich hinnehmen musste, konnte man sich irgendwie noch einreden, beim großen Traditionsverein Schalke 04, der nur kurzfristig mal den Umweg über die zweite Bundesliga genommen hatte, einen wichtigen Punkt errungen zu haben. Inzwischen ist aber klar, dass man damals beim Abstiegsfavorit Nr.1 ziemlich blamabel und dämlich 2 Punkte verschenkt hat. Bei Schalkes Mitaufsteiger Bremen gab es dann eine hochnotpeinliche 5:1-Packung und beim Aufstiegsanwärter Darmstadt konnte man im DFB-Pokal kürzlich auch nichts holen. Und jetzt geht’s also nach Bochum, der zweite heiße Abstiegskandidat aus dem Ruhrpott, der nach zwei Heimsiegen gegen Eintracht Frankfurt und Union Berlin auf dem Weg schien, sich so langsam in die Saison hineinzufinden, aber zuletzt dann doch eher glatt von Wolfsburg und Dortmund weg gefiedelt wurde. Selten stand ein Auswärtsspiel der Borussia so unter dem Motto „Pflichtsieg“ wie dieses.

Immerhin konnte man mit dem Sieg gegen Stuttgart den kompletten Panikmodus abwehren und steht dadurch in Bochum nicht mehr ganz so unter Druck, aber wenn man sich vor der WM-Pause zumindest so einigermaßen in Position für das Rennen um internationale Plätze bringen will, sind die 3 Punkte von enormer Bedeutung, zumal man im folgenden Spiel gegen Dortmund nicht als Favorit ins Rennen gehen wird.

Die vielleicht wichtigsten Erkenntnisse aus dem Stuttgartspiel waren

  1. Wenn es läuft, kann der Farke-Fussball sehr ansehnlich sein und zu wunderbar durchkombinierten Toren führen
  2. Borussia braucht Jonas Hofmann
  3. Weiterhin kann eigentlich jede Mannschaft zu jeder Zeit ein Tor gegen Gladbach erzielen

Punkt 1 macht Hoffnung gerade im Blick auf ein Spiel wie das in Bochum, wo Geduld nötig sein wird, um letztlich die Lücken in der Bochumer Verteidigung zu finden. Der zweite Punkt kann zunächst egal sein, solange Hofmann gesund bleibt, deutet aber an, dass es dem Kader an Stabilität und Breite fehlt. Punkt 3 bereitet die größten Bauchschmerzen. Zwar war es sehr erfreulich, wie Tony Jantschke ohne jegliche Matchpraxis mit gewohnter Zuverlässigkeit seinen Dienst in der Innenverteidigung verrichtete und auch Tobias Sippel konnte sich diesmal zumindest mit einer richtig starken Parade auszeichnen, aber Joe Scally und Marvin Friedrich scheinen immer für einen Fehler gut zu sein. Seltsam ist dabei, dass man die defensive Stabilität zu Saisonbeginn ja schon gefunden zu haben glaubte. Nur 5 Gegentore gab es in den ersten 7 Spielen (Schnitt: 0.71), weitere 15 in den 6 Spielen seit dem (Schnitt: 2.5) und selbst wenn die Partie in Bremen als Ausreißer rausnimmt, gab es zuletzt durchschnittlich 2 Gegentore pro Spiel. Das führt nicht nur dazu, dass Borussia-Anhänger einer Führung mit einem Tor eine Viertelstunde vor Spielende eher sarkastisch begegnen, als sich darüber zu freuen, sondern gibt auch einem Tabellenvorletzten die Hoffnung, dass bei aller Überlegenheit auf dem Papier (Marktwert 206 Millionen vs 46 Millionen laut Transfermarkt.de) die Borussia durchaus verwundbar ist.

Fraglich ist noch, ob der gegen Stuttgart erkältungsbedingt fehlende Nico Elvedi in Bochum wieder zur Verfügung steht. Angesichts der Auswechslung Tony Jantschkes am Freitag wegen Adduktoren und Knieproblemen, könnte man ansonsten ein Problem in der Innenverteidigung bekommen, was vermutlich mit Ramy Bensebaini und einem Tausch auf den Außen gelöst werden würde. Ansonsten kann man wohl mit der gleichen Startelf wie gegen Stuttgart erwarten, außer Farke gibt Kapitän Lars Stindl den Vortritt vor Christoph Kramer.

Beim Gegner in Bochum scheint man es nicht bemerkt zu haben, dass der Titel „This year’s Arminia Bielefeld“ nur in der ersten Saison nach Aufstieg erstrebenswert ist. Die schwierige zweite Saison setzt dem Verein genauso zu wie den Ostwestfalen im Vorjahr. Der fast schon sensationelle 13. Platz am Ende der letzten Saison (mit nur 3 Punkten Rückstand auf die Borussia) ist längst Geschichte, der Saisonstart verlief mit nur einem Punkt aus den ersten 8 Spielen katastrophal. Mit dem neuen Trainer Thomas Letsch konnte man allerdings immerhin zwei unerwartete Heimsiege gegen Frankfurt und Union Berlin einfahren und den Ruhrpott-Rivalen aus Gelsenkirchen in der Tabelle überholen. Realistisch gesehen ist der 17. Platz aber auch so ziemlich das, was in diesem Jahr für die Bochumer realistisch ist, denn die momentane Konkurrenz in den unteren Gefilden aus Stuttgart, Berlin oder Augsburg wirkt doch eine gute Runde spielstärker. Dass das Spiel für Gladbach aber kein Selbstläufer werden wird, zeigen die oben erwähnten Auftritte in Schalke oder Darmstadt. Mit dem spielintelligenten Stöger, dem quirligen Tutu und den erfahrenen Hofmann und Zoller besitzt der kleine VFL auch  Spieler, die an einem guten Tag einer wackligen Gladbach-Abwehr durchaus weh tun können. Der vielleicht beste Akteur der Bochumer steht aber im Tor mit Manuel Riemann, auch wenn er seine Mitspieler zuweilen mit ungewöhnlich Verbalattacken wie „Ihr Missgeburten“ zu motivieren versucht.

So cool und legendär das Ruhrstadion sein mag, erwartet die Borussia morgen Abend also ein eher unangenehmes Spiel, bei dem man eigentlich nur verlieren kann, denn alles andere als 3 Punkte wären angesichts der Ambitionen in Gladbach eine Enttäuschung. Die Zeiten, in denen Bochum mit Doppelpässen irgendwen nass gespielt hätte, existieren vor allem in seltsamen Halluzinationen von Herbert Grönemeyer (der gerüchteweise aus dieser Stadt kommen soll). Es ist eher Aufgabe der Borussia dem Spiel den spielerischen Stempel aufzudrücken und zu vermeiden, vom Gegner auf dessen Niveau heruntergezogen zu werden. Kann man diese Aufgabe nicht erfüllen, könnte das längst vergessen geglaubte Wort von den „Auswärtsdeppen“ eine ungewollte Renaissance in Mönchengladbach feiern.

 

Seitenwahl-Tipps:

Claus-Dieter Mayer: Neutrale Zuschauer erfreuen sich an einem unterhaltsamen Spiel, Bochumer feiern einen unerwarteten Last-Minute-Punkt und die Gladbacher können nach dem 2:2 nicht fassen, zweimal eine Führung nicht verteidigt zu haben.

Thomas Häcki: Zwei Tore fallen, eins für die Borussia, eins für die ehemals Unabsteigbaren. So richtig begeistert das natürlich keinen.

Michael Oehm: Bochum schmeißt den Becher schon nach 45 Minuten beim Stand von 0-1. in der zweiten Halbzeit passiert nämlich nichts mehr.

Christian Spoo: Mühsam nährt sich das Farkehörnchen. Das 1:1 gegen Bochum bringt Borussia den letzten Punkt eines schwierigen Jahres.

Michael Heinen: In Bochum tut sich Borussia mal wieder schwer und verliert am Ende unglücklich mit 1:2.

Volkhard Patten: Flutlicht, November, nasser Rasen, eine Mannschaft die kämpft, fighted und beißt, um den Anschluss zu halten - und Borussia. Bochum siegt mit 3:1.

Uwe Pirl: Bochum gegen Gladbach: Auf der einen Seite Spielkultur und Effizienz. Auf der anderen Seite Bochum. Auch wenn es am Ende wieder wackelt: Gladbach gewinnt 2:1 nach Toren von Hofmann und Thuram.