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Eine regelrechte Klatsche in Dortmund, eine Heimniederlage gegen Mainz - der Saisonauftakt ging für Borussia Mönchengladbach gründlich daneben. Die erlesene Kundschaft für die Champions League gibt eine Vorahnung darauf, wieviel Arbeit in der Vorrunde wartet. Das Sonntagabend Spiel bei Werder Bremen muss nun dazu herhalten, in die Saison zu finden.

 

Die Niederlage gegen Mainz hatte zumindest den Zweck, dass das Spiel in Dortmund nicht mehr als Ausrutscher herhalten kann. Sich von dem eher harmlosen Gegner auskontern zu lassen deckt eher noch mehr Probleme auf als eine Runde Achterbahn gegen Reus & Co. Lucien Favre, der die Zusammenstellung einer Mannschaft schon mal gerne mit einem Rezept vergleicht, zu dem verschiedene Zutaten nötig sind, kommt sich möglicherweise gerade vor, als stände ein Kuchen auf der Speisekarte, aber Milch und Mehl sind gerade aus.

Auch wenn nicht alles schlecht läuft und jede Menge Spieler auf dem Feld sind, die in den Bewertungen der letzten Rückrunde ganz weit vorne gelegen haben, so sind im zur Zeit Baustellen in allen drei Mannschaftsteilen vorhanden. Dabei dürfte die Abwehr noch am einfachsten hinzukriegen sein; kein Schlüsselspieler hat die Borussia hier verlassen, für die angeschlagenen Stammspieler sind einige Talente geholt worden, die sich nicht mal so übel schlagen; Stranzl und Dominguez werden hoffentlich auch mal wieder gesunden und dann ist da ja immer noch Brouwers. Mag sein, dass Favre sich mit diesen Zutaten keinen Stern erkocht, aber eine ordentliche Portion wird das immer noch.

Auch im Sturm mangelt es nicht an gourmettauglichen Beigaben, bisher fehlt aber auch hier noch der Geschmack nach mehr. Und das hat damit zu tun, dass das teuerste Mitbringsel aus dem Feinkostladen, Josip Drmic, bisher so in die Mannschaft passt wie eine kroatische Fleischplatte zur veganen Speisekarte. Obwohl er Robustheit in der Sturmspitze und schnellen Abschluss andeutet, erinnerten seine ersten Versuche unschön an Luuk de Jongs Problem, nicht Marco Reus zu sein. Thorgan Hazard hingegen zeigte, dass er um einiges mehr Max Kruse sein kann als Drmic es ist. Man darf sich aber damit beruhigen, dass Lucien Favre ein Trainer ist, dessen Stärke darin liegt, sein System zum Tragen zu bringen, größtenteils unabhängig von den einzelnen Spielern selber. Auch Xhaka musste das über zwei Jahre lang lernen, vielleicht besteht Drmic seine Prüfung etwas schneller.

Und dann wäre da noch das Mittelfeld, genauer gesagt, der defensive und gerne als "Sechser" bezeichnete Part. Hier besteht der Gang nur aus zwei Zutaten und wenn das Salz in der Suppe fehlt, liegt der Hase im Pfeffer. Oder wie auch immer man dieses Bild weiter ausmalt. Jedenfalls ist Kramers Abgang bisher nicht kompensiert und da haben wir den Salat. In den vergangenen zwei Spielzeiten baute Favre auf eine Doppelsechs mit zwei sehr jungen Spielern, wo fast jeder andere Verein mindestens einen erfahrenen Lenker oder tretfreudigen Kämpfer aufstellt. Kramer und Xhaka waren nichts davon. Xhaka aber wuchs in die Rolle des Strategen hinein mit präzisen 50 Meter Pässen in die Spitze und schnellen Seitenwechseln, Kramer war fast immer laufstärkster Spieler der laufstärksten Mannschaft und ging auf dem ganzen Platz aggressiv in die Zweikämpfe, wusste zudem, wann er welche Lücke zustellen musste. Jedenfalls in den meisten Spielen.

Nun ist Kramer nicht mehr da und wie vor drei Jahren nach Neustädters Abgang stellt sich heraus, dass unauffällige Spieler nicht immer unwichtige sind. Die Verpflichtung des exzellenten Fußballers Stindl wird zu Recht gelobt, er war auch lange als defensiver Mittelfeldspieler unterwegs, aber genau in dem Bereicht hakt es zur Zeit. Stindl im Mittelfeld kann der Borussia eine enorme Wucht nach vorne und Torgefahr verleihen, aber bis das zum Tragen kommt, müssen hinten die Räume dicht sein. Die Dortmunder Spieler, einen undurchdringlichen Gladbacher Abwehrdschungel gewohnt, wunderten sich über die freie Sicht.

Und hier muss in nächster Zeit das "Stindl-Dilemma" gelöst werden. Gibt sich der in allen Bereichen starke Stindl damit zufrieden, Kramers Marathonläufe nachzuvollziehen? Gibt es eine Möglichkeit, wie Xhaka und Stindl sich die Rolle teilen? Erwächst da eine Möglichkeit für Dahoud, Christensen, Nordtveit und wohin dann mit Stindl oder Xhaka? An dieser Stelle liegt der Schlüssel dazu, auf welche Weise Juventus Turin, Manchester City und der FC Sevilla den Namen Borussia Mönchengladbach in Erinnerung behalten.

Früher wäre eine Partie in Bremen nicht gerade dazu geeignet gewesen, Abwehrformationen zu testen. Der SV Werder ist allerdings nicht die Mannschaft von früher und muss seinerseits erst mal Sturmformationen testen. Nachdem Viktor Skripnik sein Team aus dem dicksten Elend heraus neu aufbaute und zu einem Europa-League Kandidaten machte, musste er zusehen, wie seine Aufbauarbeit die Vereinsfinanzen sanierte durch die Abgänge von Selke und di Santo. Dafür bekam er Anthony Ujah aus Köln, der sich passabel einfügt und den Island-Amerikaner Aron Johansson, der für Alkmaar 29 Tore in 58 Spielen erzielt hat, in der Bundesliga aber noch nicht einzuschätzen ist.

An Johannsson lag es jedenfalls nicht, dass der Auftakt zu Hause mit einem 0:3 gegen Schalke daneben gelang. Die Leistung in Berlin sah vom ganzen Team schon deutlich besser aus; die offen geführte Partie hätte ohne weiteres zu Gunsten der Bremer ausgehen können. Dabei zeigte sich, dass die Spieler von der Weser das Spiel in die Hand zu nehmen, sobald sie Schwächen des Gegners wittern; bis zu diesem Zeitpunkt setzen sie eher auf Konter aus defensiver Haltung heraus. 

Auch wenn das Duo di Santo - Selke (und dahinter das Talent Melvyn Lorenzen) die meiste Beachtung fand, so war der Verpflichtung Jannik Vestergaard vermutlich stärker beteiligt am Klassenerhalt. Auf den athletischen Innenverteidiger müssen die Borussen auch bei Standards acht geben; am besten vermeidet man solche Situationen vor dem eigenen Tor sowieso, sonst kriegt man es bekanntlich mit Junuzovic zu tun. Hier liegt eine erste Fortgeschrittenenaufgabe für das Borussenmittelfeld. Wenn das funktioniert, kann man sich leichter auf Agüero, Pogba und Llorente vorbereiten.

Aufstellungen:

Borussia: Sommer; Korb, Jantschke, Schulz, Wendt; Herrmann, Xhaka, Nordtveit, Hazard, Stindl; Raffael

Werder: Wiedwald; Gebre Selassie, Vestergaard, Lukimya, Garcia; Bargfrede, Fritz, Junuzovic, Öztunali; Johannsson, Ujah

SEITENWAHL-Tipps

Michael Heinen: Man glaubt es kaum, aber inzwischen lassen sich für ein Spiel in Bremen positive Statistiken ausgraben. Die letzten 5 Partien gegen Werder hat Borussia nicht verloren. Seit 2012 warten die Norddeutschen auf einen Sieg über die Fohlenelf. Das wird sich auch am kommenden Sonntag nicht ändern. Mit dem 1:1 kann Borussia zwar seinen ersten Punkt feiern, bleibt aber noch weit von der Form des Vorjahres entfernt.

Christian Spoo: Gehört das dritte Saisonspiel noch zum Start? Dann ändert sich im Grunde nix an der Diagnose "Fehlstart". Eine völlig verunsicherte Borussia verliert in Bremen mit 1:3.

Christian Heimanns: Auch wenn es Chefkoch Favre ärgert ist erst einmal Hausmannskost angesagt. Das reicht für ein 1:1 in Bremen, darüber hinaus muss sich das Restaurant neu entwickeln.

Thomas Häcki: Zwei Torschancen reichen den Bremern, um den 2:1-Erfolg nach Hause zu schaukeln. In Mönchengladbach atimmt die Abstimmung weiterhin nicht.


Christoph Clausen: Mit Havard Nordtveit kehrt etwas mehr Stabilität ins defensive Mittelfeld ein. Dennoch ist den Gästen die Verunsicherung über weite Strecken anzumerken. Den Gastgebern aber auch, weshalb mit dem 1:1 am Ende beide ganz gut bedient sind.