Dieter Hecking verlässt Borussia Mönchengladbach nicht freiwillig. Das haben Sportdirektor Max Eberl und der Trainer selbst bestätigt. Vielmehr sei es eine strategische Entscheidung des Sportdirektors gewesen, den Vertrag mit Hecking im Sommer aufzulösen. Die Niederlage bei Fortuna Düsseldorf sei nicht der Grund für die Entscheidung gewesen - laut Eberl stand die zu diesem Zeitpunkt für ihn schon fest. Dass Hecking bis zum Ende der Saison weitermachen soll, gehört zum Plan. Hecking selbst räumte ein, er habe sich das erst einmal überlegen müssen, nachdem Eberl ihm seinen Rauswurf am gestrigen Montag verkündet hat. Er sei überrascht gewesen, sei aber jetzt bereit, den Job bis zum Mai zu machen und gehe davon aus, dass die Mannschaft mitzieht. Er habe das Ziel, am Ende der Saison den Einzug ins internationale Geschäft zu feiern. Ob Champions League oder Europaleague sei ihm persönlich aber egal. Hecking deutete während der Pressekonferenz am Dienstag Nachmittag auch an, dass er die Erwartungshaltung im Umfeld von Borussia für zu groß hält. Hecking betonte auch das enge Verhältnis, dass er zur Mannschaft habe.

Während der Trainer sichtlich mit der Enttäuschung kämpft, hatte Max Eberl Mühe, seine strategische Entscheidung zu erklären. Warum er erst zum Ende des vergangenen Jahres den Vertrag mit dem Trainer verlängert hat, um sich dann offenbar schon sehr schnell anders zu orientieren, ließ er offen - nur, dass er Heckings Vertrag seinerzeit voller Überzeugung verlängert habe. Außerdem verplapperte sich der Sportdirektor, indem er weitere Veränderungen erwähnte. "Das war jetzt ein Fehler" schob er hinterher und zeigte sich auch auf Nachfrage nicht bereit, ins Detail zu gehen. Dass diese Veränderungen seine eigene Person betreffen, scheint aber eher unwahrscheinlich - warum sollte ein Sportdirektor eine strategische Entscheidung fällen, wenn ihn deren Folgen selbst nicht mehr betreffen? Auch auf die schon seit Bekanntwerden der Trennung heißlaufenden Spekulationen um mögliche Nachfolger für Hecking wollte Eberl nicht eingehen. Es sei noch keine Entscheidung gefallen, sagte er. 

Der Name Marco Rose ist der am häufigsten gehandelte. Dass der Noch-Trainer von Red Bull Salzburg derjenige sein könnte, mit dem Eberl die Zukunft plant, ist in der Tat naheliegend. Fast zeitgleich zur Veröffentlichung des Hecking-Rauswurfs ließ der VfL Wolfsburg via kicker verlauten, Rose sei kein Kandidat mehr für die Nachfolge von Bruno Labbadia. Dass der frühere Bundesligaprofi mit den Stationen Hannover und Mainz zum Saisonende zu haben ist - wenn auch gegen eine siebenstellige Ablösesumme - war schon vorher klar. Rose gilt als Konzepttrainer, der innerhalb vorgegebener "Leitplanken", die es bei Red Bull gibt, eigene Akzente setzen kann. Der gebürtige Leipziger versteht sich als Vertreter des Offensivfußballs. Entsprechend spielt Salzburg, was auch in Mönchengladbach aufgefallen sein dürfte. Weniger als die Erfolge der Mateschitz-Marionetten im österreichischen Ligafußball dürften Anlass dafür sein, dass Rose in Gladbach gehandelt wird, als vielmehr die Spielweise, die er seinem Team angedeihen ließ. Seine Erfahrung im Profibereich ist allerdings auch auf die Station Salzburg beschränkt. Vor seinem Engagement als Cheftrainer war er für Jugendmannschaften des "Vereins" zuständig, davor wiederum trainierte er mit Lok Leipzig und der U23 von Mainz 05 Amateurmannschaften.

Dass Borussia Marco Rose zeitnah als neuen Trainer vorstellt, ist nicht sicher. Allerdings ist der einzige Name, der zu Max Eberls Ausssage, es handele sich um eine strategische Entscheidung, passt, Gerardo Seaone. Der Schweizer hat zunächst erfolgreich den FC Luzern trainiert und ist jetzt Chefcoach des Meisters Young Boys Bern - als Nachfolger von Adi Hütter. Den Meistertitel wird Bern mit Seaone wohl verteidigen. Dass der Trainer bereits nach einem Jahr in der Hauptstadt weiterzieht, scheint allerdings nicht wirklich realistisch.

Wie es in Gladbach bis zum Eintreffen eines neuen Trainers weitergeht, ist schwer zu prognostizieren. Dass die Entscheidung gegen Hecking nicht nur gefällt sondern dann umgehend auch verkündet wurde, ist mutig aber aufrichtig. So erspart Borussia sich, dem Trainer und dem Umfeld eine wochenlange Debatte und wilde Spekulationen. Alle wissen, woran sie sind, alle können einander weiter in die Augen sehen. Das ist zweifelsohne gut. Inwieweit die angekündigte Demission Heckings sich auf die Leistungsbereitschaft und -fähigkeit der Mannschaft auswirkt, muss man sehen. Wenn das Verhältnis Trainer/Mannschaft so intakt und eng ist, wie von Hecking behauptet, ist ein Erklärungsansatz für den massiven Leistungsabfall seit dem Jahreswechsel Makulatur. Bekommt das Team in diesem Fall einen Motivationsschub, da der heißgeliebte Trainer jetzt nur noch einer auf Abruf ist? Oder macht sich eine "Jetzt ist sowieso alles egal"-Haltung breit? Ansatzweise scheint die ohnehin schon Einzug gehalten zu haben, wenn man sich den blutleeren Auftritt in Düsseldorf vor Augen führt. Womöglich holt die Aussicht, sich bald unter einem neuen Trainer beweisen zu müssen, den einen oder anderen Spieler aus seiner Wohlfühlzone. Wenn Hecking wirklich der "Papa" ist, der er heute zu sein vorgab, könnten es sich einige Profis vielleicht wirklich zu sehr in der Gewissheit eingerichtet haben, dass es bei Borussia unabhängig von Leistung und Erfolg relativ gemütlich weitergeht. Diese Gewissheit wäre mit dem heutigen Tage futsch. Dennoch: Die Wahrscheinlichkeit, dass Dieter Heckings Wunsch am Ende der Saison etwas zum Feiern zu haben, hat sich vermutlich durch die Vorgänge des gestrigen und des heutigen Tages nicht verändert. Borussias Fans haben aber immerhin jetzt einen Grund, gespannt in die Zukunft zu schauen - vielleicht auch mit einer guten Portion Optimismus.