hannover

Die Bundesliga ist wieder wer. Den Eindruck kann man auf jeden Fall bekommen, wenn man sich sich die Fazite in den Meden nach einem Drittel der Saison anschaut. Die Kollegen von 11 Freunde litten so unter dem 2-wöchigen  Bundesligaentzug. dass sie befanden  „Länderspielpausen sind das emotionale Äquivalent eines Legosteins, auf den man barfuß tritt“ (ein Satz über den der Leser besser nicht allzu lange nachdenkt, weil er dann feststellt, dass er genauso witzig ist wie der darin angestellte Vergleich hinkt und im Prinzip komplett bescheuert ist). Ein Grund für diese wiedererwachte Freude an der Liga ist sicher das bisherige Schwächeln von Bayern München und der damit verbundenen Möglichkeit, dass es zumindest rein theorethisch vielleicht einen alternativen deutschen Meister geben könnte.

Es ist aber nicht nur die Schadenfreude über ein Bayern, das ausserhalb der Champions-League-Plätze rangiert, welche den Fans landesweit Freude macht, sondern auch die erhöhte Attraktivität der Spiele selbst. 3.15 Tore pro Spiel durfte man durchschnittlich bislang bewundern, ein Wert der (zu Saisonende) nur einmal in den vergangenen 30 Jahren übertroffen wurde. Der Vergleichswert aus der fussballerisch enttäuschenden Vorsaison lag bei 2.8, was immerhin einen Unterschied von etwas über 3 Toren pro Spieltag macht. Den Unterschied zwischen den bei Spielzeiten lässt sich vielleicht am besten an Schalke 04 verdeutlichen. Die Gelsenkirchener konnten im Vorjahr mit taktisch diszipliniertem aber gänzlich uninspirierten Defensivfuβball der vermutlich unansehnlichste Vizemeister aller Zeiten werden, krebsen aber nun mit ähnlichem Spielstil im unteren Tabellendrittel herum. Das liegt nicht nur daran dass die Schalker kriseln statt kreiseln sondern hat auch damit zu tun, dass das Niveau der anderen Teams gestiegen ist.

Aus Gladbacher Sicht erfreulich ist dabei, dass die Borussia einer der Hauptprotagonisten dieser Bundesliga-Renaissance ist. Den bisherigen zweiten Platz hat man sich nicht erkämpft, ermauert oder erduselt sondern mit einem neuen Spielsystem,  intelligentem offensiven Fussball und 26 Toren erspielt. Besonders befriedigend ist es zu sehen, dass der teuerste Einkauf der Vereinsgeschichte auf gutem Weg ist, sich auch als einer der Besten zu etablieren. Dass Alassane Plea so schnell zu einem der Top-Stürmer der Liga werden würde hatten sich die Verantwortlichen bei der Borussia im Sommer höchstens erträumt. Etwas befremdlich sind allerdings einige Reaktionen auf Pleas starke Leistungen, die befürchten Gladbach sein nun „abhänig“ von dem Franzosen und in Bremen habe ja eigentlich gar nicht die Borussia gewonnen sondern Plea allein. Was letzteres angeht, so muss man sicher festhalten, dass das erste Tor eine Einzelleistung war und ohne Plea nicht gefallen wäre, Tor Nummer 2 aber  einer einstudierten Eckenvariante  zu verdanken war und dem dritten Treffer eine wunderbare Pass-Stafette aus der eigenen Abwehr vorraus ging, bei der Gladbachs Stürmer zum Schluss nur noch den Fuβ  hinhalten musste, was er dann auch sehr elegant tat. Die bisherige Saisonleistung auf „nur Plea“ zu reduzieren, würdigt auch die guten Leistungen ab, die vor allem Thorgan Hazard und Jonas Hofmann bislang gezeigt haben.

Aber natürlich hat der Neuzugang aus Nizza einen grossen Anteil an der famosen Platzierung der Borussia zur Zeit und wenn ein Spieler einen Sprung um mehrere Tabellenplätze nach oben bewirkt, ist die logische Schlussfolgerung, dass es bei einem Ausfall oder Formkrise dieses Spielers vermutlich auch wieder ein Stück nach unten gehen wird. Daraus aber gleich eine problematische Abhängigkeit zu stricken bedarf schon einer guten Portion negativen Denkens; die Abhängigkeit von Plea ist nicht gröβer als es die von Reus oder Raffael in Vorjahren war oder als es die Abhängigkeit Real Madrids von Ronaldo in den vergangenen Jahren war. Wenn man einen besonderen Spieler ganz einfach ersetzen könnte, wäre er eben nicht so besonders.

Das „nur Plea“-Argument wird auch in der Beurteilung des Trainers manchmal angebracht. Der immer noch von vielen kritisch gesehene Trainer hat in dieser Sichtweise kaum einen Anteil am Aufschwung der Borussia, sondern diesen habe man fast ausschliesslich dem französischen Neuzugang zu verdanken. Es in der Tat etwas schwer zu trennen wieviel das zu Saisonbeginn eingeführte 4-3-3 System als solches eine Rolle spielt, da man Plea speziell fuer dieses System geholt hat, also in diesem Fall Spieler und Taktik schlecht unabhängig voneinander betrachtet werden können. Allerdings war es Hecking der zusammen mit Max Eberl in der Sommerpause das Gesamtkonzept „4-3-3 mit Plea“ entwickelt hat und dafür gebührt ihm ohne Zweifel Anerkennung. Diese gibt es dann von Vereinsseite jetzt auch in Form einer Vertragsverlängerung bis 2020, wie heute vormittag bekannt gegeben wurde. Ein angesichts der Entwicklung in den letzten Monaten logischer Schritt (der hoffentlich aber nicht ähnliche Folgen hat wie die Vertragsverlängerung von Heckings Vorgänger im Herbst 2016). Die Tatsache, dass nur um ein Jahr verlängert wurde, mag Ausdruck des Realismus auf beiden Seiten sein, könnte aber auch andeuten, dass Heckings diverse Aussagen in letzter Zeit über ein Ende seiner Karriere als Bundesligatrainer und eventuelle Tätigkeiten beim DFB oder Hannover 96 nicht nur Vertragspoker sondern ernstgemeinte Gedanken bzgl. seiner weiteren Karriere waren.

 In den kommenden vier Wochen stehen nun noch 6 Bundelsigaspiele für die Borussia an, die wie zuletzt schon die etwas seltsame Konstellation mit sich bringt, dass einem Heimspiel gegen ein Abstiegskandidaten jeweils ein Auswärtsspiel bei einem Champions League-Anwärter folgt. Zum ersten der drei verbleibenden Heimspiele kommt  Hannover 96 zu Gast, die zur Zeit den Relegationsplatz bekleiden, aber  zuletzt mit einem etwas glücklichen Sieg gegen Wolfsburg immerhin eine  Erfolglosserie beenden konnten. Dass die Niedersachsen eher am unteren Tabellende zu suchen sind, kommt nicht überraschend. Schon in der Rückrunde 17/18 holten Breitenreiters Schützlinge lediglich 16 Punkte, genauso viel wie die beiden Absteiger aus Hamburg und Köln. Nur die sehr gute Hinrunde verhinderte damals, dass 96 nochmal in Abstiegsgefahr geriet und die Transferaktivitäten im Sommer haben höchstens die Substanz im Kader erhalten, aber nicht erhöht.

Immerhin kann der „HSV“ (und davon gibt es in der ersten Liga dieses Jahr nur einen) wieder auf den im Sommer so arg von Borussia umworbenen Nicholas Füllkrug zurückgreifen, der zuletzt mit Knieproblemen fehlte. Ausfallen hingegen wird Bebou, mit 3 Treffern bislang Hannovers bester Torschütze.

Auf Gladbacher Seite wird vermutlich Christof Kramer nach seiner Verletzung im Testspiel in Münster noch nicht wieder spielbereit sein. Die erheblich tragischere Nachricht aus jenem Freundschaftsspiel bleibt allerdings der erneute Muskelbündeldriss bei Mamadou Doucouré, der doch ein gewaltiges Fragezeichen hinter eine Profikarierre des talentierten Franzosen setzt.

Ansonsten kann Dieter Hecking aber aus dem Vollen schöpfen, auch die Adduktorenprobleme bei Traoré scheinen verschwunden zu sein. Zwar gab es in dieser Saison immer mal wieder Überraschungen in der Startformation, aber eigentlich gibt es wenig Grund für Hecking die in Bremen erfolgreiche Elf zu verändern, was auch bedeuten würde dass Raffael vorerst wieder auf der Bank Platz nehmen würde Man hat noch die Aussage des Trainers im Kopf, dass er Lars Stindl auf der Achter-Position sähe, aber da die Kombination Hofmann-Neuhaus im offensiven Mittelfeld bislang so gut funktioniert, steht zu erwarten, dass der Kapitän auch weiterhin in der Sturmspitze spielen wird. Der drohenden Kramer-oder-Strobl Diskussion wird Gladbachs Trainer durch die Verletzung des Weltmeisters zunächst mal entgehen, so dass man auf der Sechs erneut Tobias Strobl erwarten kann.

Nach zuletzt 8 Heimsiegen in Folge (das Pokalspiel gegen Leverkusen klammern wir mal gnädigerweise aus) und angesichts der Tabellenkonstellation ist die Borussia am Sonntag natürlich klarer Favorit und alles andere als ein Sieg wäre ein Enttäuschung. Unterschätzen sollte man 96 jedoch nicht, die Mannschaft ist weit besser bestückt als z.B. die Düsseldorfer Fortuna, gegen die man vor einigen Wochen über längere Zeit durchaus Probleme hatte. Auch wenn ein zweiter Tabellenplatz wunderbar ist, sollten sich die Gladbacher Anhänger keinen Illusionen hingeben: einen Schnitt von mehr als  2 Punkten pro Partie, wird die Borussia kaum durchhalten können; irgendwann wird es auch Rückschläge geben, wie das im Moment bereits Hertha und Bremen erleben. Die Aufgabe für Gladbach am Sonntag (wie auch an den folgenden Spieltagen) ist es, diesen unvermeidlichen Rückfall jeweils noch einmal um eine Woche zu verschieben.

Denkbare Aufstellungen:

Borussia: Sommer - Lang, Ginter, Elvedi, Wendt - Strobl - Neuhaus, Hofmann - T. Hazard, Plea - Stindl

Hannover 96:  Esser - Sorg, Anton, Elez - Korb, Albornoz - Bakalorz, Walace - Wood, Maina - Füllkrug

 

Seitenwahl-Tipps: 

Claus-Dieter Mayer: „Gegen jeden anderen Gegner hätte Gladbach heute verloren“ werden die Skeptiker nach dem etwas holprigen 2:0 mal wieder sagen, aber egal: Borussia bleibt auf Vizemeister-Kurs.

Michael Heinen: Die letzten 6 Heimspiele gegen Hannover konnte Borussia alle gewinnen. Sonntag folgt der 7. Streich. Mit 2:1 festigt die Mannschaft ihren Heimnimbus.

Christian Spoo: Borussia hat in der Länderspielpause ein wenig den Flow verloren. Trotzdem reicht es gehen Hannover zu einen Sieg. Mit 2:1 fällt der aber recht knapp aus.

Thomas Häcki: Nun steh ich hier und kann nicht anders. Allzu positive Tipps von seitenwahl gehen ja meistens schief. Trotzdem glaube ich an das Team und tippe auf 3:1