„Ich will auch einfach für mich eine Bestätigung haben, dass es hätte anders laufen können, wenn wir alle an Bord gehabt hätten“, so sprach Dieter Hecking nach dem überzeugenden letzten Heimsieg mit Blick auf die noch drei ausstehenden Spiele. Es folgte ein 1:1 auf Schalke, das ihm diese Bestätigung zunächst einmal versagte, wenngleich die vernichtende Kritik mancher Fans an der Leistung übertrieben wirkte. In den vergangenen Monaten hat die Fohlenelf schon weit schlechtere Auftritte hingelegt und auch gegen nur 10 Mann ist ein verdienter Punkt beim Tabellen-Zweiten kein so schlechtes Ergebnis. Zumal, da sich dieser Tabellen-Zweite spätestens nach dem Platzverweis auf das beschränkte, was er am besten kann: Defensiv solide zu stehen und das Spiel des Gegners zu zerstören, um mit einer oder zwei der wenigen Offensivaktionen den entscheidenden Punch zu setzen. Den 1.FC Köln führte diese Strategie in der vergangenen Saison in die Europa League. Durch den Weggang von Torjäger Modeste fiel der zweite Teil des Plans in sich zusammen, was am vergangenen Wochenende zum verdienten Abstieg führte.

Die Schalker verfügen über ein weit qualifizierteres Personal, das Trainer Tedesco optimal einstellt. Ob 10 oder 11 Knappen verteidigen, macht für das angreifende Team keinen so gewaltigen Unterschied. Es zeigte sich zudem das altbekannte Leid, dass Borussia in dieser Saison offensiv zu einfallslos agiert, um solch defensive Bollwerke zu durchbrechen. Beim Führungstreffer arbeiteten die drei Einzelkönner Hazard, Stindl und Raffael endlich mal wieder in brillanter Weise zusammen. Umso tragischer, dass sich Stindl kurz darauf so schwer verletzte und frühestens zum Start der neuen Saison wieder einsatzfähig sein wird. Ohne ihn kam Borussia im zweiten Spielabschnitt trotz Feldüberlegenheit zu kaum noch nennenswerten Torchancen – dies ist zweifelsohne ein Makel, an dem sich auch Dieter Hecking messen lassen muss. Bei aller berechtigten Kritik am Trainer sollte sich aber niemand vom Irrglauben leiten lassen, dass mit einem neuen Mann automatisch alle Probleme im Verein behoben würden. Einen genialen Übungsleiter wie Lucien Favre zu finden ist nicht leicht, zumal es aktuell genügend andere Teams mit realistischeren Europacup-Ambitionen gibt, die ebenfalls so jemanden suchen. Die Probleme bei Borussia sind vielschichtig und gehören auf allen Ebenen auf dem Prüfstand – nachdem die letzten beiden Partien dieser Saison zu Ende gebracht worden sind.

Am Samstag gilt es erst einmal, die Hürde SC Freiburg zu überwinden, bei der die defensive Stabilität nicht unbedingt zu den größten Stärken gehört. 53 Gegentore sind der zweithöchste Wert in der Bundesliga hinter dem 1.FC Köln, gegen den es entsprechend standesgemäß in dieser Saison ein 4:3 und zuletzt ein 3:2 gab. In beiden Spielen zeigte sich die überragende Moral der Breisgauer, die in der Hinrunde einen 0:3-Rückstand drehten und vorige Woche in der Nachspielzeit den so wichtigen Siegtreffer erzielten. Damit haben sie sich im Abstiegskampf ein wenig Luft verschafft, insbesondere gegenüber den lustlosen Wolfsburgern. Ein weiterer Sieg in Mönchengladbach und der Klassenerhalt könnte wahrscheinlich bereits kommenden Samstag gefeiert werden.

Borussia benötigt ebenfalls einen Sieg, um die Chance auf Europa am Leben zu erhalten. Da dürfen auch die wieder einmal zahlreichen Ausfälle nicht als Ausrede gelten, selbst wenn die gleichzeitige Sperre von Vestergaard, Zakaria und Kramer höchst unglücklich ist. Die Gelbe Karte für Kramer war dabei die einzig wirklich gravierende Fehlentscheidung, die Schiedsrichter Osmers in Gelsenkirchen vorzuwerfen war. Rot für Bentaleb war hart, aber vertretbar. Es ist bezeichnend für die aktuelle Anti-VAR-Hysterie im Land, dass einige Schalker diese Szene zum Vorwand nahmen, um einmal mehr den Videoschiedsrichter zu kritisieren, der an dieser Entscheidungsfindung überhaupt keinen Anteil hatte. Der Schiedsrichter-Assistent hatte Osmers auf den Augenwischer des Schalkers hingewiesen und diesen nachvollziehbarerweise als Tätlichkeit interpretiert. Allerdings hätte es für Stindls peinliche Schauspieleinlage anschließend ebenfalls Gelb geben sollen.

Den Elfmeter der Schalker hätte vielleicht nicht jeder Schiedsrichter gepfiffen. Grundsätzlich ist es aber mittlerweile übliche Praxis, Handspiele zu ahnden, wenn sich der Arm derart weit vom Körper entfernt hat. In der Champions League waren sich die (deutschen) Beobachter jedenfalls in einer vergleichbaren Situation einig, dass ein Pfiff bei Marcelos Handspiel zwingend gewesen wäre. Hier fehlte die korrigierende Einmischung des Videoschiedsrichters, die auch beim Spiel in Rom für mehr Gerechtigkeit hätte sorgen können.

Unmut regte sich bei den Gladbach-Fans vergangenes Wochenende über die Frage, ob das Handspiel „glasklar“ war, denn nur dann – so die Vorgabe durch den DFB seit dieser Rückrunde – solle der VAR eingreifen. Die Definition, was „glasklar“ genau bedeutet, lieferte der DFB leider nicht mit. Letztlich kann es aber nur eine Instanz geben, die dies letzten Endes festlegt – nämlich der entscheidende Schiedsrichter. Wenn also zunächst der VAR – und im Falle eines Video Reviews anschließend auch der Feldschiri – der festen Überzeugung ist, es habe bei der Aktion von Kramer „glasklar“ ein strafbares Handspiel vorgelegen, so ist der Einsatz des VAR korrekt. Dies hat nichts mit Willkür zu tun, sondern mit dem seit eh und je üblichen subjektiven Entscheidungsmaß des Schiedsrichters, das zum Fußball solange dazugehören wird bis wir unfehlbaren Robotern die Spielleitung überlassen. Das Problem in Gelsenkirchen hatte ohnehin weniger mit dem VAR zu tun, als mit der unsäglichen Handregel, um deren Auslegung seit Jahren gestritten wird.

Ob Verletzungen, Gelbsperren oder VAR – all dies darf am Samstag nicht mehr als Ausrede gelten so wie es in den vergangenen Wochen viel zu oft vorgebracht wurde. Gegen den SC Freiburg darf ein Auftreten wie beim letzten Heimspiel gegen Wolfsburg und in der logischen Konsequenz ein Heimsieg erwartet werden. Ob Hecking dafür Oxford oder Jantschke in die Viererkette beordert und Drmic, Traoré oder Grifo in die Offensive integriert, ändert in keinem Fall etwas daran, dass Borussia als klarer Favorit in die Partie gehen wird.

 

Mögliche Aufstellungen

Borussia: Sommer – Jantschke, Ginter, Elvedi, Wendt – Strobl, Cuisance – Hofmann, Hazard – Drmic, Raffael

Freiburg: Schwolow – Kübler, Gulde, Kempf, Günter – Höfler, Schuster – Frantz, Haberer – Petersen, Höler

 

SEITENWAHL-TIPPS

Michael Heinen: „Es wird mühsam, aber letztlich gewinnt Borussia mit 2:1.“

Thomas Häcki: „Freiburg blockt. Borussia hat kein Konzept. Nach dem 0:0 müssen diesmal die Sperren als Begründung herhalten.“

Claus-Dieter Mayer: „Damit die Enttäuschung am letzten Spieltag umso größer ist, bewahrt Borussia am Samstag mit einem 2:0 gegen den SC Freiburg die Chance auf die Europa-League Qualifikation.“

Christian Spoo: "Freiburg ist nervös, das kommt Borussia entgegen. Der 2:0-Sieg ist das erste Kapitel der Horrorstory "Wie Borussia dem Dinosaurier das Überleben ermöglichte". Das zweite folgt dann am kommenden Samstag".