Am Freitag trifft Borussia Mönchengladbach auf Werder Bremen und damit auf einen Verein, den man in Gladbach vor noch nicht allzu langer Zeit als Vorbild klassifiziert hat. Gemeint war natürlich die Phase unter Thomas Schaaf und Klaus Allofs, in der es Werder Bremen verstanden hat, durch kluge Personalpolitik, die Verpflichtung junger (Özil) oder anderswo unterschätzter (Micoud, Diego) sowie gute Entscheidungen bei der Besetzung des Managements den wirtschaftlichen Nachteil im Verhältnis zu anderen Standorten in der Bundesliga auszugleichen und sich regelmäßig für die Champions League zu qualifizieren. Diese Zeiten sind derzeit vorbei. Wenn Werder Bremen heute dennoch als Beispiel dienen kann, dann teilweise als warnendes Beispiel. Irgendwann war dort die Qualifikation für die Champions League so selbstverständlich geworden, dass der Unterhalt des Kaders kostenmäßig auch nur durch die Einnahmen aus der Champions League zu decken war. Das führte in eine noch andauernde Abwärtsspirale, die seit mehreren Jahren Abstiegskampf zur Folge hat.

Diesen Fehler hat Borussia Mönchengladbach bisher vermieden. Die Verantwortlichen werden auch nicht müde zu betonen, dass man sich seiner Rolle in der Bundesliga bewusst sei und dass man deshalb keinen Kader aufbauen werde, der ohne internationales Geschäft nicht zu finanzieren ist. Diese Vorgehensweise ist ohne Zweifel richtig. Andererseits wandelt man damit auf einem anderen schmalen Grat, nämlich dem, zum einen manche Erwartungen der Fans enttäuschen und zum anderen mit dem Risiko leben zu müssen, bei ausbleibendem sportlichen Erfolg für bestimmte Perspektivspieler nicht mehr attraktiv zu sein, wenn es weder das Schaufenster Europapokal noch eine Bezahlung gibt, die das Fehlen dieses Schaufensters kompensiert. Unter diesem Gesichtspunkt wäre es wichtig für den Verein, wenn in dieser Saison der Sprung nach Europa wieder gelänge.

Es gibt aber noch einen anderen Aspekt, bei dem sich ein Blick nach Bremen lohnt: Werder Bremen hat umfangreiche Erfahrungen mit Trainergöttern: 14 Jahre Rehagel und 14 Jahre Schaaf haben den Verein geprägt, der ebenso wie Borussia Mönchengladbach das Wort „Kontinuität“ in seiner DNA trägt. Mein Blick geht aber auf die Zeit nach Rehagel und die Zeit nach Schaaf: Jeweils nach dem Abgang der Langzeittrainer hat Werder Bremen in kurzer Folge mehrere Trainer verschlissen (de Moos, Dörner, Sidka, Magath bzw. Dutt, Skripnik, Nouri), bevor wieder eine langfristige Lösung gefunden werden konnte. Ob Florian Kohfeldt, der aktuelle Übungsleiter der Bremer, diese Lösung ist, wird sich zeigen. Was bedeutet das für uns in Mönchengladbach? Nun, vielleicht einfach nur, dass es vollkommen normal ist, wenn nach dem Abgang einer Überfigur – in unserem Fall Lucien Favre – der Verein eine gewisse Zeit braucht, um sich neu zu sortieren und dann wieder in eine stabile Formation zu finden. Was Borussia bisher vergleichsweise gut bewältigt hat, auch aufgrund des vergleichsweise unaufgeregten Umfelds.

Kommen wir zum Spiel:

Borussia geht mit dem Rückenwind des Sieges in Hannover in das Spiel und sicherlich auch in dem Bewusstsein, dass Werder Bremen in den vergangenen Jahren jedenfalls in den Heimspielen ein durchaus dankbarer Gegner war. Überschattet wird die Vorbereitung auf das Spiel von neuerlichen Verletzungen. Zwar waren Doucouré und Benes nicht für das Spiel eingeplant, so dass die in dieser Woche bekannt gewordenen Rückschläge keinen unmittelbaren Einfluss auf die Spielvorbereitung haben werden. Dennoch ist die Serie von Muskelverletzungen bei Borussia Mönchengladbach mittlerweile so offensichtlich, dass man nicht mehr an Zufall glauben mag. Ein weiterer zu analysierender Punkt … Ungeachtet dessen ist wohl zu erwarten, dass gegen Bremen dieselbe Elf wie gegen Dortmund und Hannover aufläuft. Einzig und allein die rechte Seite bietet Möglichkeiten zur Variation – hier steht Jantschke wieder zur Verfügung. Andererseits hat Reece Oxford in den letzten beiden Spielen einen guten Eindruck hinterlassen. Zwingend notwendig ist ein Wechsel also nicht. Vorne wird sich wie immer die Frage stellen, ob Hofmann oder Herrmann beginnen darf und der jeweils andere dann eingewechselt wird. Da Raffael vermutlich noch nicht fit ist, wird Bobadilla wieder beginnen.

Anders als Borussia Mönchengladbach hat Werder Bremen keine umfangreichen Ausfälle zu beklagen. Lediglich Fin Bartels, der mit einem Teilriss der Achillessehne ausfällt, hätte Startelfpotential. Der Trainer kann also aus dem Vollen schöpfen. Wie sehr die Mannschaft von Max Kruse abhängig ist, hat die Hinrunde gezeigt. Als dieser längere Zeit verletzt ausfiel, wurde es schwer mit dem Toreschießen und noch schwerer mit dem Punkten.

Da sich die Mannschaft zuletzt durch Siege in Gelsenkirchen, gegen Wolfsburg und den HSV wieder Luft im Abstiegskampf verschafft hat, dürfte auch das Bremer Selbstvertrauen stimmen. Jedenfalls hat man verkündet, mit „breiter Brust nach Gladbach zu fahren“ (Junuzovic – fünf Euro ins Phrasenschwein bitte!) und als Zielstellung „schönen Fußball plus gewinnen“ (Kohfeldt) ausgegeben.

Borussia Mönchengladbach sollte dem keinen Raum geben und das Spiel mit derselben Einstellung angehen wie in Hannover, als die Kontrahenten von der starken Dominanz der Gladbacher in der ersten Halbzeit sichtlich beeindruckt waren. Dann klappt es auch mit einem Sieg gegen Bremen …

 

Denkbare Aufstellungen

Borussia: Sommer - Oxford, Ginter, Vestergaard, Elvedi - Kramer, Zakaria - Herrmann, T. Hazard - Stindl, Bobadilla

Werder: Pavlenka - Gebre Selassie, Veljkovic, Moisander, Augustinsson - Bargfrede - M. Eggestein, Delaney - Junuzovic, Kainz - M. Kruse

 

Der SEITENWAHL-Tipp

Uwe Pirl: Die Gladbacher Mannschaft hat den Siegeswillen wiederentdeckt und dominiert das Spiel. Das souveräne 3:1 ist ein Schritt nach vorn.

Michael Heinen: Borussia ist zurück in der Spur. Gegen Bremen klappt es auch wieder mit dem Toreschießen. Werder wird mit 4:1 besiegt.

Claus-Dieter Mayer: Borussia schiesst kaum noch Tore, Werder kassiert nur wenige, das traditionelle Torfest bei der Paarung Gladbach-Bremen scheint daher diesmal unwahrscheinlich. Egal, ein 1:0 tuts auch fuer den VFL.

Christian Spoo: Schön wird es nicht, torreich auch nicht. Am Ende wird noch ein wenig gezittert, dann aber über den zweiten 1:0-Sieg in Folge gejubelt.

Thomas Häcki: Freitags gibt es keine Sonntagsschüsse. Die Borussia hadert weiter an der Ladehemmung Stindls und der Abwesenheit anderer Kandidaten. Das am Ende das Spiel 0:1 ausgeht setzt noch einen drauf.