Hannover 96 ist sportlich sicherlich eine der Überraschungen der Saison. Mit bisher erreichten 32 Punkten steht die Mannschaft auf Platz 7, knapp vor Borussia Mönchengladbach, und ist damit noch sehr ernsthaft im Kampf um die Qualifikation für die Europe League vertreten. Anders als in Mönchengladbach wird man in Hannover mit dem bisher Erreichten mehr als zufrieden sein – hatte man als Aufsteiger doch lediglich den Klassenerhalt als Ziel ausgegeben.

Die Mannschaft kommt defensiv mit einem 5-4-1-System daher, dass sich offensiv zu einer 3-6-1-Formation verändert. Personell wird das ausgefüllt durch Philipp Tschauner im Tor, der sich hauchdünn gegen Michael Esser durchgesetzt hat. Als Dreierkette fungieren Waldemar Anton, Salif Sané und Josip Elez. Julian Korb – der in Hannover endlich die Wertschätzung findet, die es in Gladbach für ein Eigengewächs nie gab – und Matthias Ostrzolek sind Außenspieler, die sowohl defensiv als auch offensiv funktionieren. Vor der Abwehr bilden Schwegler und Fossum ein defensives und Klaus und Bebou ein offensives Duo. Davor agiert mit Niclas Füllkrug ein Stürmer, der nach Stationen in Bremen und Nürnberg nun in Hannover seinen Durchbruch zu schaffen scheint und mit bisher 10 Toren unerwartet torgefährlich ist. Auf der Bank finden sich mit Sorg, Bakalorz, Karaman und dem als Joker agierenden Martin Harnik erfahrene Bundesligaspieler. Alles in allem ist das nicht der Kader eines Aufsteigers, weshalb die Zielsetzung Klassenerhalt vielleicht im Nachhinein ein bisschen tiefgestapelt erscheint.

Auf der Bank sitzt mit Andre Breitenreiter ein Mann, der zuerst mit dem sensationellen Bundesligaaufstieg des SC Paderborn, dann aber auch nach einem guten Start mit einem brutalen Einbruch in der Bundesliga von sich reden machte. Breitenreiter ist auch einer der Trainer, die mit Schalke 04 ordentliche Ergebnisse erzielten (Platz 5), aus nicht näher spezifizierten Gründen aber dennoch gefeuert wurden. Alles vergessen: Hannover und Breitenreiter, das scheint derzeit zu passen!

Blickt man auf den Verein Hannover 96, kann man im Miniaturformat erahnen, was der Bundesliga vielleicht in Zukunft bevorsteht. In den letzten Jahren war die öffentliche Berichterstattung über Hannover 96 einerseits geprägt vom Kampf des Martin Kind gegen 50+1 und um die vollständige Übernahme der ausgegliederten Spielbetriebsgesellschaft des Vereins sowie andererseits vom Kampf maßgeblicher Fangruppen gegen dieses Vorhaben. Fanproteste und ein ausdauernder Stimmungsboykott gehörten dabei ebenso zum Mittel der Wahl wie die willkürliche Ablehnung von Mitgliedsanträgen durch den Verein, um die Mehrheiten auf der Hauptversammlung nicht zu gefährden (man stelle sich vor, welcher Aufschrei durchs Land gegangen wäre, wäre die SPD vor dem GroKo-Entscheid so verfahren …). Begleitet wird das ganze natürlich von einem medialen Dauerfeuer beider Seiten, bei dem in bester Schwarzweißmalerei wahlweise Kind als geld- und machtgierige, nur Eigeninteressen verfolgende Heuschrecke oder die protestierenden Fans als gewalttätige Chaoten diffamiert werden.

Am Beispiel Hannover 96 zeigt sich, wie umstritten Investorenmodelle im deutschen Fußball sind. In diesem Zusammenhang hilft es wenig, auf England, Italien oder andere Länder zu verweisen sowie darauf, dass die Bundesliga eine Öffnung für Investoren dringend brauche, um international konkurrenzfähig zu bleiben. Fakt ist, dass in den stets als Beispiel genannten Ligen Vereine, die im Eigentum von Investoren stehen, seit jeher zum Inventar gehören. In der Bundesliga ist das anders, hier ist man stolz auf eine Struktur, in der die Vereine den Mitgliedern und damit den Fans gehören. Bisher waren Investorenmodelle in der Bundesliga auch selten von Erfolg geprägt. Mit dem Eintritt von VW, Dietmar Hopp und Red Bull hat sich das geändert, was die öffentliche Diskussion um die Fragestellung bereichert hat, ob mit dem Aufkommen weiterer solcher Konstrukte möglicherweise Traditionsvereine auch in Deutschland verdrängt werden, wenn sie sich nicht vorauseilend dem Engagement von Investoren öffnen.

Unabhängig davon, ob und in welcher Form 50+1 fortbesteht: Die Geschichte von Hannover 96 in den letzten Jahren, zurückgehende Zuschauerzahlen in der Bundesliga und die vielfältigen Fanproteste der letzten Zeit zeigen deutlich, auf welch schmalem Grat der Profifußball wandelt. DFB, DFL und Vereine täten gut daran, bei ihren weiteren Entscheidungen die in Hannover ausgetragenen Konflikte sorgfältig zu analysieren und abzuwägen, ob eine kurzfristige Einnahmesteigerung die möglicherweise langfristig wirkende Zerstörung der Identifikation zwischen den Vereinen und ihren (zahlenden) Anhängern rechtfertigt.

Zurück zum Spiel: Zu Borussia Mönchengladbach ist in den letzten Wochen viel geschrieben worden, was man hier wiederholen könnte. Die Mannschaft hat gegen Dortmund ein ordentliches Spiel gemacht, aber wieder nicht getroffen, weshalb die Krise andauert. Die Mannschaft hat nach wie vor viele Verletzte, insbesondere Raffael und Jantschke fallen weiter aus. Insofern stellt sich die erste Elf von selbst auf, wahrscheinlich bekommt Raul Bobadilla nach seinem überraschend starken Spiel gegen den BVB eine neue Chance in der Startelf. Lediglich die Frage, ob Hofmann oder Herrmann das Spiel beginnen dürfen, erscheint offen. Sollte Bobadilla auf der Bank sitzen, würde wohl Grifo beginnen und Hazard in die Spitze rücken.

In dieser Saison wurde schon viel über richtungsweisende Spiele geschrieben. Dieses Mal aber wirklich: Verliert Borussia Mönchengladbach in Hannover ist der Anschluss an die internationalen Plätze endgültig verspielt, dann erscheint selbst Platz 7 als kaum noch erreichendes Ziel. Hoffentlich hat die Mannschaft das verinnerlicht!

 

Denkbare Aufstellungen

Hannover: Tschauner - Anton, S. Sané, Elez - Korb, Ostrzolek - Schwegler, Fossum - Klaus, Bebou - Füllkrug

Borussia: Sommer - Oxford, Ginter, Vestergaard, Elvedi - Kramer, Zakaria - Herrmann, T. Hazard - Stindl, Bobadilla

 

Der SEITENWAHL-Tipp

Uwe Pirl: Alles bleibt beim Alten: Keiner trifft das Tor. Hannover glücklicherweise auch nicht. Deshalb gibt es ein winterlich kaltes 0:0, das aber keinem weiterhilft.

Thomas Häcki: Und erneut hardert man nach dem 0:2 in Hannover mit der Welt und setzt beharrlich seinen Weg fort.  Gladbach ist das neue Köln.

Michael Heinen: Auswärts ist für Borussia zur Zeit nichts zu holen. Auch in Hannover gibt es eine unglückliche 1:2-Niederlage.

Christian Spoo: Solll mir das Dortmund-Spiel Hoffnung machen? Ja. Macht es. Und Hannover zestört diese dann direkt wieder. Borussia verliert 0:2.