Zugegeben: Es gibt attraktivere Aufgaben, als nach einer erneuten Niederlage vor die Presse zu treten und etwas zu erklären, was kaum noch erklärbar erscheint. André Schubert war nicht zu beneiden, als er nach dem Spiel das obligatorische Statement abgeben musste. Das man aber genauso gut wie vorher arbeiten würde und dies in Augsburg auch gesehen hätte, löste bei vielen Beobachtern nur noch ein ungläubiges Kopfschütteln hervor. Richtig ist, dass man nicht viel zugelassen hat. Richtig ist aber auch, dass man selber auch keine Gefahr erzeugen konnte. Wieder einmal. Sportdirektor Max Eberl fand die eindeutig besseren Worte. „Es ist ärgerlich, dass wir bei den nicht gerade heimstarken Augsburgern nichts mitnehmen konnten“. Diese Aussage kann man sicherlich so unterschreiben.

Zugegeben: Reisen nach Augsburg beinhalteten schon in der Vergangenheit selten einen Grund zur Freude. Einmal erst konnte die Borussia dort gewinnen und damals spielten beide Vereine noch in der zweiten Liga. Seitdem tut man sich traditionell schwer gegen die Süddeutschen. Der bislang deutlichsten Erfolg glückte ausgerechnet zum Amtsantritt von André Schubert. Selten war dieser Gegner aber auch so angeschlagen, wie an diesem Wochenende. Die turbulenten Tage nach der überraschenden Entlassung von Dirk Schuster war den Gastgebern jederzeit anzumerken. Und so entwickelte sich ein Spiel, in dem alle viel versuchten, wenigen viel gelang und die Verunsicherung mit den Händen greifbar erschien. Zugegeben: Solche Spiele gibt es in jeder Saison, von jeder Mannschaft. Bei der Borussia sind sie aber mittlerweile zur Regel geworden. Auswärts schon seit längerem, aber auch zu Hause waren die Auftritte zuletzt mehr als bescheiden. Und hier liegt das Problem. Der Willen ist der Mannschaft nicht abzusprechen. Doch bei Ballbesitz macht sich Ratlosigkeit breit. Selten läuft der Ball über vier Stationen fehlerfrei, jeder scheint zu sehr mit sich und seinen Aufgaben beschäftigt. Es mag sein, dass gut gearbeitet wurde, am Samstag hat es jedoch kaum jemand gesehen. Wie man es auch in den meisten Spielen vorher kontinuierlich vermissen durfte.

Kontinuität wird in Mönchengladbach groß geschrieben. Zu Recht. Denn ohne die kontinuierliche Arbeit wäre der Höhenflug der letzten Jahre nicht erreichbar gewesen. Dies nun in Frage zu stellen ist ganz sicher der falsche Weg. Kontinuität bedeutet aber nicht, auf etwas zu beharren. Um das Beispiel mit der Autobahn aufzugreifen: Wenn während der Fahrt das Navigationssystem ausfällt, muss der Steuermann eingreifen. Denn sonst führt die weitere Fahrt schnell ins Nirgendwo. Das in dieser Situation nun ausgerechnet der VfL Wolfsburg zu Gast ist, gehört zu den Geschichten, die der Fußball gerne schreibt. Ähnlich wie die Borussia liegen die Niedersachsen weit hinter ihren Ansprüchen, letztere nicht erst seit dieser Saison. In der Reaktion feuerte man in Wolfsburg mit Dieter Hecking erst den Navigator, um dann auch mit Klaus Allofs den Steuermann auszuwechseln. Der Erfolg dieser Aktion blieb bislang bescheiden. Wer hieraus Handlungsempfehlungen für die Borussia ableiten will, sei gewarnt. Denn die Verhältnisse sind mitnichten vergleichbar. Ohne die Arbeit von Klaus Allofs bewerten zu wollen, wird man den Gedanken nicht los, dass hier zusammengewürfelt wurde, was nicht zusammen passt. Wenn Spieler offen bekunden, nicht in Wolfsburg spielen zu wollen oder die Nähe von Berlin als großen Vorteil nennen, zeugt dies nicht unbedingt von einer Identifikation mit dem Arbeitgeber. Solche Anwandlungen scheint es bei der Borussia nicht zu geben. Im Gegenteil. Die sportliche Führung präsentiert sich weiterhin sachlich und der Kader ist trotz der prekären Situation ruhig – vielleicht zu ruhig. Insgesamt scheint er menschlich gut zusammen gesetzt. Seine sportlichen Qualitäten hat er in der Vergangenheit bewiesen. Was bleibt ist die Konzeptlosigkeit auf dem Platz.

Am Dienstag treffen nun die beiden Negativ-Überraschungen der Hinrunde aufeinander. Sechs-Punkte Spiele werden solche Spiele gerne genannt, bei denen der Verlierer den Jahreswechsel in unruhigen Gewässern verbringen wird. Personelle Veränderungen danach sind wahrscheinlich. Um die Personalie Valerien Ismael wurde zuletzt Kritik laut. Der Wolfsburger Trainer spürt bereits nach neun Pflichtspielen Gegenwind. Die Diskussionen um André Schubert sind bereits deutlich weiter fortgeschritten, so dass es fraglich ist, ob ihm ein Sieg am Dienstag noch etwas nützen wird. Es müsste schon ein beeindruckender Befreiungsschlag werden. Die Chancen hierfür stehen aber denkbar schlecht. Mit Christoph Kramer fällt nun ein weiterer Stammspieler aus. Die Spieler, die den Bock umstoßen könnten, wirken blockiert. Von Außen sind derweil wenig Impulse zu erwarten. Wolfsburg hat sich zudem mit dem Heimsieg gegen Frankfurt zuletzt Luft verschafft. Wie dies zu bewerten ist, ist allerdings kaum vorhersagbar. Für die Borussia geht es zuerst darum, weiteren Schaden abzuwenden, nicht tiefer in den Abstiegskampf verwickelt zu werden, um dann im neuen Jahr zu retten, was noch zu retten ist. Schließlich ist man noch im Pokal und in Europa vertreten. Und Borussia Dortmund hat vor 2 jahren vorgemacht, was in der Rückrunde noch alles möglich ist. Dazu müssen die Stellschrauben aber neu kalibriert werden.

Borussia: Sommer - Korb, A. Christensen, Vestergaard, Elvedi - Strobl, Dahoud - Hazard, Wendt - Stindl, Raffael

Wolfsburg: Benaglio - Bruma, Luiz Gustavo, R. Rodriguez - Guilavogui - D. Caligiuri, Seguin, Arnold, Gerhardt - Draxler - Gomez

 

TIPPS:

Thomas Häcki: Nach dem tristen 0:0 geht man nach Hause und ist froh, dass es nicht noch schlimmer kam. Zufriedenheit sieht natürlich anders aus.

Michael Heinen: 2016 war ein rundum beschissenes Jahr. Wie sollte es anders enden als mit einem beschissenen Spiel. Mit einem 0:0 verabschiedet sich André Schubert von der Borussia.

Volkhard Patten: Finale Furioso für Andre Schubert. Nach dem 4:1-Sieg geht er erhobenen Hauptes......

Claus Dieter Mayer: Wohlwissend dass der Übungsleiter nach der Winterpause eh weg ist, gehen die Borussenspieler das Spiel in etwa so konzentriert an wie eine Schulklasse den letzten Schultag vor den Weihnachtsferien. Spätestens als die Wolfsburger den 0:2 Endstand erzielen und die Volksseele im Park höchst unangenehm kocht, bereut Max Eberl für dieses eine Spiel nicht Jünter als Interims-Fohlen auf die Bank befördert zu haben.

Christian Spoo: Ein Fußballspiel zum Abgewöhnen - das fünfte in Folge - endet mit einer 0:1-Heimniederlage.