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Normalerweise beglücken wir unsere Leser an dieser Stelle mit einem kleinen beschaulichem Rückblick auf das letzte Ligaspiel, aber angesichts der Vielzahl von Themen mit der einen unsere sonst doch so ruhige und brave Borussia im Moment überflutet, weiss man als Koluminist kaum noch wo einem der Kopf steht:  Krise, Trainer gekündigt, Umstrukturierungen, Systemwechsel, Kapitän auf der Bank, Hazard-Transfer, ja was denn nun???

Der letztgenannte Punkt ist dabei vermutlich am einfachsten abzuhandeln: Hazard für kolportierte 40 Millionen nach Dortmund? Passt. Abhaken. Gut gemacht. Natürlich ist das sportlich gesehen ein Verlust, aber schaut man sich die Personalie über die Jahre an, so ist das ein Paradebeispiel für Borussias „alternativlosen Weg“. Man hat den damals noch sehr jungen Spieler nicht ohne Risiko für einiges an Geld geholt, dann vier (bzw. fünf wenn man das erste Jahr Leihe mit einbezieht) Jahre ordentlich bis am Ende zum Teil sehr gute Leistungen von ihm gesehen und verkauft ihn jetzt für das fünffache des Einkaufspreises. Natürlich wird es eine anspruchsvolle Aufgabe sein, die Lücke angemessen zu schliessen, aber dass Starspieler bei Borussia alt werden war schon in den 70er Jahren eher die Ausnahme und ist einfach nicht zu erwarten. Insofern hat man hier alles richtig gemacht.

Dass das Gestalten einer Gladbacher Offensive ohne Thorgan Hazard nicht mehr die Verantwortung Dieter Heckings sein wird, war die groβe Überraschung der letzten Woche und hat wohl so ziemlich jeden Begleiter des Vereins überrascht. Zum Teil liegt das Ausmaβ dieser Überraschung auch daran, dass sich die Öffentlichkeit über die Jahre ein verfälschtes Bild von Sportdirektor Max Eberl aufgebaut hat, wobei dieser selbst durchaus tatkräftig daran mitgearbeitet hat. Bei Eberl und Borussia kommen Vielen Begriffe wie „familiär“ oder „Wohlfühloase“ in den Kopf, man sieht ihn mit Dieter Hecking Kekse futternd vor sich, hat seine Bescheidenheitsmantras von wegen „wissen wo wir herkommen“ und „Einstelligkeit“ in den Ohren. Dass der scheinbar liebe Onkel Maxi auch ganz anders kann, wird da gern vergessen. Zurecht wurde Eberl vorgeworfen, damals zu lange an seinem Kumpel und früherem Mannschaftskollegen Michael Frontzeck festgehalten zu haben, aber als er dann die Reisslinie zog, war der Ersatz mit Lucien Favre schon bereit. Kumpel hin, Kumpel her, allen Treueschwüren zum Trotz Eberl hatte Plan B vermutlich schon monatelang in der Tasche, wie man es von einem Profi in diesem Geschäft auch erwarten kann.

Ein anderes Beispiel ist der Abgang Mike Hankes, dem Eberl noch im Herbst 2012 einen neuen Vertrag angeboten hatte, dann aber, als sich die Zugänge von Raffael und Kruse abzeichneten kaltlächelnd abservierte. Auch Seitenwahl AJ7X1673 Relegationsheld Igor de Carmago kann ein Lied davon singen, dass Eberl nicht unbedingt zur Sentimentalität neigt. Insofern kann man sich sehr gut vorstellen, dass Eberl auch schon vor einem Jahr (wie übrigens auch die Seitenwahlredaktion) ernsthaft über einen Trainerwechsel nachgedacht hat, dann aber tatsächlich zunächst davon überzeugt war, dass ein Umbruch auch mit Hecking möglich sei. Bis vor 2 Monaten hätten ihm die Meisten dabei ja auch nachträglich recht gegeben.

Das proaktive Handeln Eberls zum jetzigen Zeitpunkt hat seinen Grund mit Sicherheit auch den Erfahrungen mit den letzten beiden Trainerwechseln, als er jeweils von unerwarteten sportlichen Talfahrten kalt erwischt wurde und mitten während der Saison unter Druck einen neuen Trainer herbeizaubern musste. Gutes Management zeichnet sich halt nicht nur dadurch aus, dass man in Notsituationen richtig handelt sondern vor allem dadurch langfristig zu planen. Und da kann der Sportdirektor Eberl eben nicht unbedingt Rücksicht auf den Keksfreund Hecking nehmen

Dass den Trainer selbst diese Entwicklung nicht gerade begeistert, ist selbstverständlich. Umso mehr muss man anerkennen, wie sehr sich Hecking bemüht professionell mit der Situation umzugehen. Dass das nicht immer gelingt zeigte sich gestern nach dem Spiel als er ein Sky-Interview abbrach, aber wenn man so manches Fernsehinterview nach einem Spiel hört fragt man sich eigentlich eher warum Trainer und Spieler dass stets so brav mitmachen und nicht öfter mal ausrasten oder sich wie Danny da Costa vor geraumer Zeit, die Frage gleich selbst stellen.

Seitenwahl 1Man kann darüber spekulieren ob die vielfachen Umstellungen Heckings im Spiel gegen Bremen eine Reaktion auf die Kündigung waren, aber es ist anzunehmen, dass es eher seine Konsequenzen aus dem katastrophalen Auftritt in Düsseldorf waren. Wichtiger als die Reaktion des Trainers war aber ohnehin wie die Mannschaft auf die Ereignisse der letzten Tage antworten würde. Und das war durchaus positiv. Trotz der spürbaren Verunsicherung war das Team  giftiger und wacher als in vielen Spielen der jüngeren Vergangenheit. Eine der Konsequenzen des neuen 3-5-2 Systems (oder war es ein 3-4-3, gar ein 3-4-1-2, die Experten sind sich da höchst uneinig) war, dass man mit Strobl, Kramer und Zakaria gleich 3 Spieler mit erhöhter physischer Präsenz auf dem Feld hatte. Vor allem Denis Zakaria war es dabei in der ersten Halbzeit anzumerken, wieviel lieber aus einer defensiveren Positon mit  dem Feld vor sich kommt. Auch Allesane Plea wirkte in diesem System aktiver und gefährlicher, auch wenn ihm nicht alles gelang. Ähnliches gilt auch für das Startelf-Comeback von Raffael. Dem Brasilianer gelang wenig spektakuläres, aber mit seiner Fähigkeit den Ball zu halten und behaupten trug er ingesamt doch positiv zum Spiel Borussias bei. Eine der erfreulichsten Figuren an diesem Sonntagabend war Florian Neuhaus, der zum absoluten Spieler der Partie hätte werden können, hätter er nur eine seiner beiden Chancen zum 2:0 genutzt.

Insgesamt also gab es viele kleine positive Dinge zu beobachten, was fehlte war das groβe positive Ding: ein Sieg. Verantwortlich dafür war neben der immer noch spürbaren Verunsicherung des Teams und der damit sicher nicht unabhängigen mangelnden Chancenverwertung auch der Gegner. Die Bremer traten lange zeit überrasschend passiv im Borussiapark auf, waren aber in der Lage, als es darauf ankam einige Gänge hoch zu schalten, sich Chancen zu erarbeiten und kamen dementsprechend nicht unverdient zum Ausgleich.

Für die Gladbacher stehen nun kritische Wochen an. Bei vier Punkten Rückstand auf Platz 4, geht der Blick zunächst mal auch nach hinten wo die Konkurrenz mit 3-6 Punkten Rückstand auf den Plätzen 6-9 lauert. Mit drei ausstehenden Auswärtsspielen bei den Teams auf den letzten drei Positionen, hat es Borussia selbst in der Hand zumindest den EL-Platz sicher zu stellen. Viel hängt davon ab, ob man gestern eine einmalige Trotzreaktion gesehen hat, oder ob das Team nun wirklich den Faden wieder gefunden hat. Klar ist, dass bei jedem schwachen Spiel von nun an, die „Lame Duck“-Diskussion rund um Dieter Hecking wieder aufkochen wird, ein Risiko dass man bewusst in Kauf genommen hat.