Vor einer eingehenden Beschäftigung mit dem Spiel in Frankfurt möchte ich einen kurzen Blick über den Tellerrand von Borussia Mönchengladbach hinaus werfen: Am Wochenende standen in der Bundesliga insbesondere die Trainer im Mittelpunkt. Erstaunlich, welchen grundsätzlichen, allerdingt von wenig Sachkenntnis geprägten Verriss Julian Nagelsmann bei Spiegel Online (Link) für die Niederlage seines Teams gegen Bayern München kassierte – als sei es ein Ausweis von Unreife, mit einer Mannschaft, deren drei beste Spieler des letzten Jahres mittlerweile beim Gegner spielen, gegen Bayern München zu verlieren. Erstaunlich auch, dass bei Bayern München mittlerweile Nico Kovac als Heynckes-Nachfolger gehandelt wird. Angesichts des Fußballs, den Frankfurt am Wochenende gespielt hat: Sollte an diesem Gerücht wirklich was dran sein, spricht das für gewisses Maß an Verzweiflung der Münchener in Sachen Trainersuche. Noch viel erstaunlicher ist die Trennung des VfB Stuttgart von seinem Trainer, der den Aufsteiger bisher von den Abstiegsplätzen ferngehalten hatte und auch sonst den Eindruck vermittelte, ordentliche Arbeit zu leisten. Hier scheint im Verein sehr schnell die durch den Abstieg vermittelte Demut abhandengekommen und die bereits früher vorhandene Diskrepanz zwischen Anspruch und Leistungsvermögen wiederhergestellt zu sein.

Zurück zu Borussia Mönchengladbach: Die Mannschaft hat am Wochenende gegen ein Frankfurter Team verloren, das von Trainer Nico Kovac bewusst dahin entwickelt wird, in jedem Spiel die Grenzen des Erlaubten – oder besser: des vom Schiedsrichter über das Erlaubte hinaus Geduldeten – auszutesten bzw. zu überschreiten und damit der gegnerischen Mannschaft maximal weh zu tun. Diese Tretertruppe – anders mag man es nicht bezeichnen – ist in gewisser Hinsicht eine Kopie des Spielers Nico Kovac, der auf dem Platz auch keine Gefangenen machte. Bei einem regelkonform pfeifenden Schiedsrichter hätte Eintracht Frankfurt das Spiel zu zehnt beendet, bei einem kleinlich pfeifenden Schiedsrichter wahrscheinlich zu neunt: Neben dem eindeutig rotwürdigen Foul von Ante Rebic an Patrick Herrmann wäre in diesem Szenario vermutlich auch Kevin-Prince Boateng wegen der Summe seiner eindeutig und vorsätzlich unfairen Aktionen vom Platz geflogen. Keine zwei Meinungen gibt es wahrscheinlich auch dazu, dass die Ringkampfeinlage von Boateng gegen Vestergaard im eigenen Strafraum nichts anderes als ein klarer Elfmeter war. Auch hier wirft das Nichteingreifen der VAR – wahrscheinlich alles langjährige FC-Mitglieder – in Köln erneut Fragen auf.

Insofern ist es auf den ersten Blick nicht falsch, wenn sich Spieler und Trainer von Borussia Mönchengladbach nach dem Spiel darauf beriefen, dass es sich um eine unglückliche Niederlage handelte.

Dennoch ist es ungeachtet der Spielweise von Eintracht Frankfurt und ungeachtet der sicherlich merkwürdigen Schiedsrichterentscheidungen eine Niederlage, die sich Trainer und Mannschaft selbst zuzuschreiben haben. Wie Eintracht Frankfurt auftreten würde, war vorher hinreichend bekannt. Ausgerechnet in diesem Spiel auf eine Dreierkette umzustellen und einem Spieler wie Patrick Herrmann die rechte Außenbahn anzuvertrauen, der bekanntermaßen körperlich unterlegen ist, sich von robusten Gegenspielern gerne mal den Schneid abkaufen lässt und der als reiner Offensivspieler insgesamt einfach nicht über die Qualitäten eines Rechtsverteidigers verfügt, ist eine vorsichtig ausgedrückt extrem mutige Entscheidung des Trainers. Man könnte auch sagen: Vercoacht! Was immer der taktische Plan hinter dieser Maßnahme war ging ziemlich gründlich in die Hose. Solange Borussia Mönchengladbach nicht auf beiden Seiten über Außenspieler verfügt, die – in einer Person wohlgemerkt – sowohl defensiv als auch offensiv gehobenes Bundesliganiveau repräsentieren, sollte man derartige Experimente einfach bleiben lassen.

Kommen wir zum Thema der Eier zurück: Wie schon in zahllosen Spielen zuvor gegen aggressiv auftretende Gegner war es erneut auffällig, dass die Mannschaft ins solchen Fällen hilflos ist, eher verschreckt wirkt, keine eigene Aggressivität entwickelt und sich damit auch keinen Respekt beim Gegner verschafft. Insofern hatte ich mit meinem Tipp, dass die Eier entweder in Mönchengladbach vergessen oder unterwegs verloren werden, also leider recht. Wenn Patrick Herrmann in den Reihen von Borussia Mönchengladbach einer der Spieler mit der bissigsten Körpersprache ist, spricht das einerseits für Patrick Herrmann, der wieder auf dem Weg zur Form früherer Tage zu sein scheint. Für den Rest der Mannschaft ist das aber eher ein Armutszeugnis.

Noch mehr Schwierigkeiten bereiten dem Beobachter die Statements nach dem Spiel: Da ist seitens des Trainers die Rede von einem „Spitzenspiel“, seitens der Spieler von einem „guten Spiel“ (Stindl), davon, dass man „vieles im Griff gehabt habe“ (Kramer) und davon, dass man „alles das eingebracht habe, was man in einem Auswärtsspiel braucht“ (Vestergaard). Diese Aussagen – auch in den Kontext gestellt zu den Aussagen des Sportdirektors aus den letzten Wochen – deuten darauf hin, dass man sich bei Borussia Mönchengladbach in einem gewissen Paralleluniversum eingerichtet hat und dazu neigt, durchschnittliche Leistungen wie die vom letzten Freitag um jeden Preis schönzureden. Vollkommen egal, ob die Mannschaften zwischen den Plätzen 2 und 9 in der Bundesliga alle gleich schlecht oder auch nur ausgeglichen gut sind: Die Leistung vom Freitag war weder ein Spitzenspiel noch gut. Es war ein Spiel einer Mannschaft, die am obersten Level ihres Leistungsvermögens agierte und ihre fußballerischen Defizite mit körperlichem Einsatz kompensierte, gegen einen Gegner, der spielerisch überlegen war, aber nicht den Willen, die Einstellung oder Mentalität mitbringt, diese Überlegenheit auch bedingungslos auszuspielen.

In Sachen Willen und Mentalität gibt es bei Borussia Mönchengladbach also unzweifelhaft Diskussionsbedarf. Folgerichtig mehren sich die Stimmen, die eine zu ausgeprägte „Wohlfühloase“ in Mönchengladbach kritisieren. Dem ist allerdings zu widersprechen: Es war in den letzten Jahren klar das gute Gladbacher Betriebsklima, dass Borussia als Arbeitgeber für Spieler und Trainer attraktiv machte (natürlich nicht ausschließlich, sondern neben viel Geld, der Aussicht auf Einsätze und Weiterentwicklung für hoffnungsvolle Nachwuchskräfte). Den Wert dessen sollte man nicht unterschätzen. Das aufzugeben hieße einen Schritt zurück zu gehen in die Ära Pander oder Advocaat, in der gefühlt jeder zweite Spieler zuerst bei seiner Ankunft versicherte, wie sehr sich Borussia Mönchengladbach um ihn bemüht habe, nach dem Weggang jedoch durchblicken ließ, wie schwierig die interne Atmosphäre in Gladbach war. Dahin sollte niemand zurückwollen.