Die ersten befürchteten schon eine Hängepartie und eine Transferperiode vor unsicherem Hintergrund, aber dann ging es doch ganz schnell: Gerardo Seoane ist neuer Trainer von Borussia Mönchengladbach. Nils Schmadtke wird neuer Sportdirektor. Der Trainer bekommt einen Dreijahresvertrag, der Sportdirektor die offizielle Bezeichnung „Sportdirektor Lizenz“, während Roland Virkus künftig als „Geschäftsführer Sport“ firmiert. So geht Borussia mit zwei Neuen an entscheidenden Stellen im Verein in die Sommerpause und kann den allseits als unausweichlich geltenden Umbruch angehen.

Dass es bei der Suche nach einem Nachfolger für den geschassten Daniel Farke auf den Schweizer Seoane herauslaufen würde, galt von Beginn an als wahrscheinlich. Dass Frankfurts Noch-Trainer Oliver Glasner nach dem Pokalfinale am Wochenende auf einen möglichen Job bei Borussia angesprochen wurde, lag wohl nur daran, dass es in der Sache noch keinen Vollzug gab.

Über Seoane hatte man in Mönchengladbach auch schon nachgedacht, als der noch bei Young Boys Bern Trainer war. Die erste Bundesliga-Station des Schweizers wurde dann aber Bayer Leverkusen, wo er ein sehr erfolgreiches Jahr mit Platz drei und weitere sehr erfolglose drei Monate mit Leverkusens schlechtestem Saisonstart aller Zeiten erlebte. Mit Bern war er zuvor dreimal in Folge Schweizer Meister geworden.

Der 44-jährige gilt als flexibler Trainer, der in der Lage ist, einzelne Spieler besser zu machen. Damit wäre Seoane quasi der Anti-Farke, denn seinem Vorgänger wurde unter anderem zur Last gelegt, dass er ausschließlich „seinen“ Fußball spielen lassen wollte, was die Mannschaft aber nicht umsetzen konnte oder wollte und dass kein einziger Spieler des Kaders in der vergangenen Saison einen Leistungssprung gemacht hat. Seoane darf sich hingegen rühmen, in seinem ersten Jahr in Leverkusen gleich mehrere Spieler weiterentwickelt zu haben. So wurde Florian Wirtz unter ihm zum Stamm- und Führungsspieler, auch Moussa Diaby und Kerem Demirbay machten unter Seoane deutliche Fortschritte. Borussias neuer Trainer gilt als Verfechter eines offensiven Spielstils, aber nicht eines Aggro-Pressings á la Rose. Ballzirkulation und gepflegtes Passspiel hatten sowohl Bern als auch Leverkusen unter Seoane im Repertoire. Wichtig waren für beide Teams aber auch schnelle Offensivleute für ein direktes Umschaltspiel.

Hier besteht bei Borussia eindeutig Nachholbedarf, allein Nathan Ngoumou fällt in die Kategorie „schneller Offensivmann“, hat aber in seinem ersten Jahr in Gladbach seine Bundesligatauglichkeit bestenfalls andeuten können. Von daher ist es gut, dass jetzt feststeht, wer in der kommenden Saison – und hoffentlich diesmal auch darüber hinaus – an der Seitenlinie das Sagen hat. Bei der Kaderzusammenstellung wird Seoane noch mitreden können und müssen. Voraussetzung für Ausgaben aller Art sind dabei aber – so ist es in Gladbach Usus – Einnahmen. Bei der Frage „wer kommt, wer geht“ ist die zweite Personalie mitentscheidend.

Wie erwartet wird Nils Schmadtke Borussias neuer Sportdirektor. Der Verein hat die Verpflichtung des 34-Jährigen jetzt offiziell bestätigt. Schmadtke soll Roland Virkus in dieser Position nicht 1:1 ersetzen sondern offenbar ergänzen. Wie die Rollenverteilung im „Team Sport“ künftig aussieht, wird man sehen. Der Verein spricht von einem Triumvirat aus Virkus, Schmadtke und Steffen Korell, die künftig die Führung des Teams Sport bilden. Während Korell als „Head of Scouting“ weitermachen kann, müssen die beiden anderen ihre Zuständigkeiten noch klären. Hilfreich ist sicher, dass Schmadtke in Gladbach auf viele Bekannte trifft. Vor seiner Zeit als Chefscout des VfL Wolfsburg war er Mitglied im Scouting-Team von Borussia und hat dabei gute Eindrücke hinterlassen. Mit seiner Verpflichtung geht Borussia einen Weg, der es allen Beteiligten ermöglicht, sich als Gewinner zu fühlen. Hätte man Roland Virkus einen erfahrenen Sportdirektor vor die Nase gesetzt, wäre das zu Recht als Brüskierung wahrgenommen worden. Dass man jetzt einen Rookie auf den Posten an Virkus‘ Seite befördert, tut dem alten Sportdirektor nicht weh und ist für den neuen ein deutlicher Karriereschritt. Zu hoffen ist, dass der schmerzlose Weg nicht bedeutet, dass Borussia ihren Ruf als Wohlfühloase sich ständig gegenseitig bestärkender Jasager noch stärkt. Dass das nicht so kommt, dafür steht Nils Schmadtke mit seinem Namen. Denn wie sein Vater soll der Junior durchaus meinungsstark und bei Bedarf auch dickköpfig sein. So jemand könnte Borussias „Team Sport“ wirklich weiterbringen, wenn die Verantwortlichkeiten klar geregelt und das „Team Sport“ trotz charakterlicher Unterschiede als Einheit auftritt. Dass sich Spieler – wie in der Vergangenheit dem Vernehmen nach immer wieder geschehen – bei Problemen mit dem Verantwortlichen A an den Verantwortlichen B wenden und so für Unfrieden sorgen, sollte nicht mehr vorkommen.

Klar ist: Roland Virkus fremdelte auch nach anderthalb Jahren im Amt mit der Rolle, die ihm zugedacht war. Die öffentliche Rede ist seine Sache nicht. Um den Posten gedrängt hatte sich der Ur-Gladbacher ohnehin nicht, mehr aus Verlegenheit denn aus Überzeugung wurde er nach dem plötzlichen Ende der Ära Eberl an die Spitze katapultiert. Gemessen an der Skepsis, die Virkus von Beginn an auch von unserer Seite entgegenschlug, kann sich seine Bilanz durchaus sehen lassen. Bei den Transfers und Vertragsverlängerungen hat er keine offensichtlichen großen Fehler begangen. Der Sommer-Omlin-Deal darf als sein Meisterstück gelten. Die Vertragsverlängerung von Jonas Hofmann war wertvoll, die Verpflichtung von Ko Itakura und Julian Weigl ist definitiv auf der Haben-Seite zu verbuchen. Dass er die Altlasten von Max Eberl nicht schadlos beseitigen konnte, ist Virkus nicht anzulasten.

In der aktuellen Transferperiode muss sich erweisen, dass Borussia auch Umbruch kann und dass es nicht erneut dazu kommt, dass Spielerverträge einfach auslaufen. Mit Nils Schmadtke bekommt Roland Virkus nun Unterstützung, die hoffentlich hilft, die nötigen Dinge auch zu tun. Konkret: Die Verträge von Nico Elvedi und Florian Neuhaus verlängern oder die Spieler gewinnbringend verkaufen. Bei Alassane Plea schauen, ob der technisch gute aber langsame Franzose ins Konzept des neuen Trainers passt, die Spieler identifizieren, die zur von einigen Beobachtern als „toxisch“ bezeichneten Struktur beigetragen haben und sich gegebenenfalls von ihnen trennen. Und den schmerzhaften aber wohl nötigen Transfer von Manu Koné möglichst gewinnbringend über die Bühne bringen. Dass Borussia hier womöglich mit Nils Schmadtkes Vater ins Geschäft kommen muss, birgt eine gewisse Pikanterie, sollte aber einer professionellen Abwicklung nicht im Weg stehen. Mindestens genauso wichtig wird es sein, mit den erlösten Mitteln eine Mannschaft zu formen, die die zwei verlorenen Jahre unter Hütter und Farke vergessen macht. Eine Mannschaft die macht, was der Trainer von ihr will. Ein Trainer, der seine Ideen dem Kader, den er zur Verfügung hat, anzupassen und der es hinbekommt, den Spielern zu vermitteln, was sie zu tun haben.