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Treffen sich zwei verflossene Liebhaber...“. Was wie ein Witz beginnen könnte, ist angesichts des ständig schwelenden Rosenkriegs der gekränkten Eitelkeiten leider eine eher traurige Geschichte. Blieb im Hinspiel allen Beteiligten ein Wiedersehen noch weitestgehend erspart, sehen sich am Samstag nun erstmals auch offiziell der Max und die Borussia wieder. Hätten nicht bereits dutzende Sportjournalisten hierüber geschrieben, die GALA würde sich sicherlich um die Exklusivrechte bewerben.

Sex sells, Klatsch auch. Zur Wahrheit gehört, dass Max Eberl kaum Sportdirektor bei einem Marketingprojekt eines österreichischen Zuckerwasserhersteller wäre, hätte ihm die Borussia seinerzeit nicht die Chance geboten, vom Nachwuchsleiter in die Position des sportlichen Managers zu wechseln. Zur Wahrheit gehört auch, dass Max Eberl diese Chance zu nutzen wusste. Ohne seine Vision der Leitplanken, sprich eines konsequenten Leitbilds, wäre der Aufstieg der grauen Maus zu einem nationalen Spitzenclub wohl kaum denkbar gewesen. Dies erreichte er mit einer ungeheuren Akribie und einem gewissen Maß des hierfür nötigen Glücks (seien wir hier bitte ehrlich Max, bei einem Abstieg 2011 wäre die Geschichte sicherlich anders geschrieben worden). Max Eberl wuchs an der Borussia und die Borussia wuchs an Max Eberl, eine perfekte Ehe hatte sich gefunden. Das diese letztlich Risse bekam, ist bekannt. Auch weil man etwas „Neues versuchen wollte“ und dabei das Leitbild vergaß, was beide in der Vergangenheit so stark gemacht hatte. Und so gehört schließlich auch zur Wahrheit, das viele von Borussias derzeitigen Problemen mit der Person des derzeitigen Leipziger Geschäftsführers Sport verbunden sind. Die Rolle des windigen Charmeurs mit begrenzter Halbwertszeit in der Leipziger Coaching Zone lassen wir hierbei unbeachtet, GALA übernehmen Sie bitte.

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Gepoltert werden sollte vor der Hochzeit, danach wirkt es für alle Beteiligten nur noch peinlich. Der neue Mann an der Seite der Borussia, der fleißige, im Vergleich aber etwas bieder wirkende Roland, hat nun die undankbare Aufgabe, einerseits die Scherben einer zerbrochenen Beziehung zusammenzukehren, andererseits aber auch den Blick in die Zukunft zu richten. Ein neues Leitbild muss her, gerne auch eine Wiederbelebung des alten. Ballbesitzfußball alleine ist dabei nicht ausreichend. Erinnern wir uns, Ballbesitzfußball wurde erst ein Teil der Borussia, als ein anderer Akteur dieser Soap Opera, Lucien Favre, erkannte, dass er mit dieser taktischen Ausrichtung das Beste aus dem ihm gegebenen Potential erreichen konnte (und ja, es war schwäär). Schwer auch für Daniel Farke, der erkennen musste, dass dieser Kader trotz all seiner Qualität für seine Idee des Fußballs nicht geeignet ist. Gibt der Gegner der Borussia den Raum, dann kann die Borussia ihre Qualität ausspielen, andernfalls ergibt man sich all zu schnell seinem Schicksal. Das der Kader umgebaut werden muss ist also mittlerweile allen klar, unter welchen Prämissen dies geschieht hingegen noch nicht. Da trifft es sich ganz gut, dass man am nächsten Samstag zumindest auf einer Position gezwungen ist, den Blick in die Zukunft zu richten.

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Nach der unbedarften und überflüssigen Französisch-Lektion von Bensebaini bekommt nun Luca Netz sehr wahrscheinlich für zwei Spiele die Möglichkeit zu zeigen, dass er die Zukunft auf Gladbachs linker Verteidigerposition sein wird. Die Anstrengungen, das Hertha Talent Lukas Ullrich als ersten Neuzugang zu präsentiere n lassen vermuten, dass man in Netz genau diese Zukunft sieht. Konsequent wäre es, mit Joe Scally auch auf der rechten Verteidigerposition der Zukunft Spielpraxis zu geben.Im Tor wird man gezwungenermaßen an der Vergangenheit festhalten müssen. Alle die gehofft hatten, dass Tobias Sippel mit dem Freiburgspiel einen versöhnlichen Abschluss gefunden hatte, werden sich weiter gedulden müssen. Olschowsky fällt mit einer Magen-Darm-Erkrankung genauso sicher wie Omlin aus.Wenig Veränderungen sind in der Offensive zu erwarten. Da Thuram gegen Freiburg aussagegemäß „die beste Leistung in 2023“ gezeigt hat, dürfte er wohl in der Startelf stehen – wobei die bisherigen Leistungen in 2023 auf einem eher niedrigen Niveau verliefen. Hofmann, Plea und Stindl sind die weiteren Kandidaten, wobei vielleicht auch Wolf eine erneute Chance erhält. Bislang konnte er allerdings nicht auf sich aufmerksam machen. 

Auch beim Marketingprojekt wird man nicht auf die vollständige Belegschaft zurückgreifen können. Die Ausfälle von Nkunku und Schlager wiegen schwer. Zudem dürfte ein Einsatz für Dani Olmo noch zu früh sein. Trotzdem ist die Favoritenrolle klar beim Gastgeber anzusiedeln. In Leipzig möchte man sich auch in der nächsten Saison europaweit wieder mit den Besten der Besten messen, während man am Niederrhein derzeit damit zufrieden wäre, möglichst schnell die erforderlichen zehn Punkte zu sammeln um dem Abstiegskampf zu entgehen. Man brauche einen sehr guten Tag, um für Punkte in frage zu kommen. Auch wenn dies realistisch ist, zufriedenstellend ist es nicht. Aber derzeit sind Ehrgeiz, Hunger und Vision Dinge, die dem Verein abgehen. Man kann also nur hoffen, dass man sich bald der Altlasten der Eberlschen Ära entledigt und endlich den Blick in die Zukunft richtet, anstatt über die Schwierigkeiten der Umstände zu lamentieren. L'amour est fini, wie es Bensebaini wohl sagen würde. Sich selbst kleinzureden macht nicht attraktiv, vor allem nicht für potentielle Bewerber. Eine Vision zu haben und zu verkaufen hingegen schon. Das war eine Stärke des verflossenen Liebhabers und damit konnte die Borussia auch in der Vergangenheit hungrige Talente zu einem Wechsel bewegen, in Zeiten, in denen die Rahmenbedingungen weitaus unattraktiver waren. Also liebe Borussia – etwas weniger relativieren und etwas mehr Selbstbewusstsein würde dir, nicht nur in der Mannschaft, gut zu Gesicht stehen.

Der SEITENWAHL-Tipp:

Thomas Häcki: In Leipzig gibt es gute Musik. Dem Orchester der Borussia klingelt es nach dem 1:4 erneut in den Ohren.

Christian Spoo: Feistes Grinsen und lässiges Schmunzeln nach dem 3:0 Sieg des Bösen. Fussball ist ein A****loch.

Volkhardt Patten: Borussia wird in Leipzig gut mitspielen, letztlich gibt aber die individuelle Stärke des Kaders des Brausesatans den Ausschlag. 3:1 für das Projekt aus Fuschl.

Michael Heinen: In Leipzig ist für Borussia nichts zu holen. Leider jubeln am Ende nur die Ex-Borussen über einen 3:1 Heimsieg.

Claus-Dieter Meyer: Nach Blaswichs Notbremse gegen Hofmann mit anschließender roten Karte in der Anfangsphase, wird die Aufgabe für die Borussia ein ganzes Stück leichter und man schafft tatsächlich den 3:0 Sieg aus dem Hinspiel zu wiederholen.

Michael Oehm: Ich mach es kurz: Wenn wir da nicht in diesem Spiel mindestens einen Punkt holen, dann sind wir fertig miteinander, der Fußballgott und ich. Und ich meine nicht Tony. Also 1:1.