Ein erster Auswärtssieg in der Saison, noch dazu mit 1:4 Toren, und das, obwohl die gesamte Seitenwahl-Redaktion maximal ein glückliches Pünktchen im Bereich des Möglichen hielt, da ist ja wohl ein eitel Tanz und ebensolche Freud fällig, oder? Grundsätzlich natürlich schon, und ein ganz normales Bundesligaspiel in einer ganz normalen Saison hätte bei diesem Ergebnis auch jeden Zweifler verstummen lassen. Aber dies ist natürlich keine ganz normale Saison und das 1:4 bei der TSG Hoffenheim war auch kein ganz normales Ergebnis.

Personell gab es durchaus Überraschungen. Der unter der Woche verletzt ausgewechselte Kramer konnte spielen und lief wiederum auf der 10 auf, was nach zuletzt überwiegend vernommener Fanmeinung eine große Fehleinschätzung Daniel Farkes darstellt. Dafür musste, was wenige antizipiert hatten, Plea weichen, denn Stindl kehrte nach Gelbsperre in die Startelf zurück, ebenso wie der genesene Hofmann, der Ngoumou ersetzte. Ansonsten veränderte sich nur die Viererkette, trotz zuletzt ordentlicher Leistungen musste Lainer seinen Platz wieder für Scally räumen. Bei allen personellen Änderungen hielt Farke also am grundsätzlichen Ansatz fest, und in der ersten Halbzeit sollte sich dies auch als erfolgreich herausstellen. 

Die Borussia zeigte einen konzentrierten Vortrag und hatte das Spiel weitgehend im Griff. Allerdings konnte man sich leisten, den doch sehr limitierten und harmlosen Hoffenheimern drei wirklich gute Gelegenheiten zu gestatten, weil man die eigenen, gut herausgespielten Chancen eiskalt nutzte. Zweimal bediente Stindl Hofmann und dieser bedankte sich, indem er erstmals zwei Tore in einem Spiel in der Fremde erzielte (12. und 37.). Gefühlt war es daher überraschend, dass der xGoals-Wert zur Halbzeit einen klaren Vorteil für Hoffenheim sah, was daran lag, dass die Heimmannschaft ihre Gelegenheiten zum Teil kläglich hatte liegen lassen. 

In der zweiten Halbzeit deutete sich zunächst ein Spielverlauf an, der sich ebenso vertraut wie ärgerlich anfühlte: Zunächst gelang es der Borussia noch relativ souverän, den Gegner vom eigenen Tor fernzuhalten; selbst aber glückte es nur noch bei einer einzigen Kontergelegenheit, Torgefahr zu kreieren. Mit zunehmender Spieldauer fassten die Hoffenheimer mehr und mehr Mut, vor allem die Hereinnahme von Bebou stellte die linke Gladbacher Abwehrseite vor Probleme. Er war es auch, der nach einer Serie von hochkarätigen Hoffenheimer Chancen den ebenso verdienten wie überfälligen Anschlusstreffer erzielte (80.). 

An dieser Stelle wich das Spiel vom altbekannten Drehbuch ab. Statt – wie zuletzt üblich – noch den Ausgleich zu kassieren, tauschten Hofmann und Stindl die Rollen und nach einem wiederum feinen Angriff ließ sich Stindl bei der zweiten Torannäherung in der 2. Hälfte nicht lange bitten (83.). Dem Spiel war damit der Stecker gezogen, die eingewechselten Netz und Wolf legten sogar noch eine Koproduktion zum 1:4 hin (90.+1.). 

Das damit mehr als deutliche Ergebnis lässt einen etwas ratlos zurück. Die ergebnisgeprägte Berichterstattung macht daraus natürlich einen überzeugenden Auftritt überlegener Gladbacher, aber über 90 Minuten betrachtet ist das wohl kaum eine zutreffende Einschätzung. Andererseits war keiner der Treffer zufällig oder glücklich entstanden (sieht man von etwas Flipperei bei Hofmanns zweitem Tor ab), sondern blitzsauber und mit Qualität herausgespielt. Hofmann und Stindl machten dabei deutlich den Unterschied zum Auftritt unter der Woche. Aber auch der viel gescholtene Kramer zeigte eine deutlich verbesserte Leistung und vermochte seine Qualitäten in die Spielgestaltung einzubringen, auch wenn allem Anschein nach seine pazifistische Grundeinstellung ihm eigene Versuche der Torerzielung weiterhin vollumfänglich verbietet. So bleibt weiterhin vieles Stückwerk. Konés dynamische Balleroberungen werden oft von unerklärlichen Fehlpässen gefolgt. Thuram fand wiederum über 90 Minuten kaum Bindung zum Spiel und blieb wenig sichtbar, auch wenn er mit manch cleverem Laufweg Gegenspieler an sich band und so durchaus an den Toren beteiligt war.  

Folglich setzte das Spiel die Beobachtungen der letzten Wochen nahtlos fort: Zweifellos vorhandene individuelle Klasse gepaart mit einer seltsamen Passivität, die auch Daniel Farke dem Team bisher nicht auszutreiben verstand. Man weiß also auch nach dem Spiel nicht, wie man es einordnen soll. Das Ergebnis ist natürlich überaus erfreulich und angesichts der kommenden Gegner könnte man hoffen, dass man sich in den beiden kommenden Spielen entscheidend von den Abstiegsplätzen wird absetzen können. Aber so richtig sicher ist man sich natürlich nicht. Es ist schließlich weiterhin Borussia.