Nach der 2:3-Niederlage gegen Angstgegner Leverkusen wartet auf Borussia bereits am Mittwoch ab 20.30 Uhr das Auswärtsspiel beim nächsten Angstgegner aus Augsburg. Eine weitere Niederlage kann sich die Fohlenelf kaum leisten, da sie sonst zum Hinrundenende endgültig im Tabellen-Niemandsland versacken würde. Mit 6 Siegen, 4 Remis und 6 Niederlagen könnte die Bilanz schon jetzt nicht mittelmäßiger sein. Insbesondere auswärts sind die Leistungen dieser Saison zu schlecht, als dass der Traum von Europa realistisch erscheint.

Der langjährige Augsburg-Fluch konnte immerhin 2020 durch einen 3:2-Erfolg gebannt werden – passenderweise dank eines Doppelpacks von Lars Stindl. Im neunten Erstligaspiel war dies Borussias erster Auswärtssieg im Schwabenstadion. 2021 wurde aber bereits eine neue Negativserie gestartet mit zwei weiteren Niederlagen – zuletzt mit 0:1.

Mit ihrer kampfbetonten Spielverhinderungstaktik sind die Fuggerstädter genau der Typ Gegner, der Borussia klassischerweise nicht liegt. Der Elf von Enrico Maaßen gelingt es regelmäßig, qualitativ stärker besetzte Gegner auf ihr Niveau herunterzuziehen. Diese Erfahrung machte zuletzt der BVB, der am Sonntag nur mühsam 4:3 gewinnen konnte.

Damit wartet der FCA inzwischen seit neun Spielen auf einen Sieg. Zuletzt konnte am 2. Oktober 2022 beim FC Schalke mit 3:2 gewonnen werden. Davor gab es den einzigen Heimsieg der bisherigen Saison, der bezeichnenderweise gegen Bayern München erzielt wurde. Mit fünf Punkten ist Augsburg die heimschwächste Mannschaft der Liga. Neben den Bayern waren Wolfsburg und Leipzig die einzigen Punktelieferanten. Das macht Hoffnung, denn offensichtlich fällt es Augsburg gegen Spitzenteams leichter zu punkten als gegen Mannschaften der Kategorie Mönchengladbach. Mit bislang vier Punkten ist Borussia auswärts sogar noch schlechter als Augsburg daheim.

Gegen die Werkself war die Defensive trotz der erfolgreichen Rückkehr von Ko Itakura und dem ordentlichen Debüt von Jonas Omlin der gewohnte Schwachpunkt. Nico Elvedi kann als 26jähriger bereits auf eine großartige Karriere mit 212 Bundesligaspielen und 43 Länderspielen sowie je zwei WM- und EM-Teilnahmen zurückblicken. Trotzdem ist nicht zu übersehen, dass er in den letzten Jahren allzu sehr in seinen Leistungen stagniert und den Schritt hin zum Führungsspieler bislang nicht gehen konnte. Zudem streuen sich zuletzt wieder vermehrt Fehler ein, die an seine Anfangsjahre als Profi erinnern und die er sich auf seinem Anspruchsniveau nicht erlauben darf. Eine Pause könnte ihm daher in der englischen Woche guttun. Allerdings hat auch Marvin Friedrich in dieser Saison bislang nicht wirklich besser abgeliefert, sodass die grundsätzlichen Defensivprobleme mit ihm kaum behoben würden. Dies umso weniger, als dass auch Ramy Bensebaini und Julian Weigl bei „ihren“ Gegentoren sehr unglücklich aussahen und Borussia insgesamt viel zu naiv und offen verteidigt hat gegen die pfeilschnelle und effiziente Bayer-Offensive.

Borussias Angriff konnte bis zur Einwechselung von Stindl so gut wie gar keine Gefahr entfachen. Christoph Kramer hat gegen RB Leipzig überragend auf der 10er-Position agiert. Seitdem sind aber acht weitere Spiele vergangen, in denen sich sehr deutlich gezeigt hat, dass dies keine dauerhaft geeignete Position für ihn ist. Sofern Daniel Farke seinen „Lieblingsspieler“ bereit ist zu opfern, könnte Florian Neuhaus wieder ins Team rutschen.

Durch den Ausfall von Marcus Thuram zeigte sich am Sonntag einmal mehr, wie schwach Borussia in der Breite besetzt ist. Farke kann es rhetorisch hervorragend verpacken, dass kein Verein den Ausfall des „besten Bundesligastürmers“ verkraften könnte. Kein anderer Bundesligist sähe sich aber gezwungen, das Sturmzentrum in diesem Fall mit einem unerfahrenen Außenläufer zu besetzen, der bei seinen bisherigen Pflichtspiel-Auftritten sehr deutlich offenbart hat, noch weit von einer Bundesligatauglichkeit entfernt zu sein. Die 8-10 Millionen Euro Ablöse, die Ngoumous Transfer im Sommer gekostet hat, werden sich hoffentlich langfristig noch auszahlen. Kurzfristig ist der Franzose aber bisher leider keine Verstärkung, sondern nicht nur gegen Topspieler aus Leverkusen hoffnungslos überfordert.

Es bleibt zu hoffen, dass Thuram am Mittwoch wieder spielfit ist. Sollte er auflaufen, wäre damit vermutlich auch ein Winter-Wechsel vom Tisch. So bitter ein ablösefreier Abgang im Juli wäre. Sportlich ist der Vize-Weltmeister offensichtlich nicht zu ersetzen. Sofern er in Augsburg weiter ausfällt, bieten sich angesichts von Stindls Gelbsperre kaum brauchbare Alternativen an. Alassane Plea wäre noch der logischste Kandidat für die Sturmmitte.

Unabhängig von einem Verbleib Thurams wäre ein weiterer Stürmer noch in diesem Winter eine sinnvolle Investition (gewesen). Lange Zeit galt hierfür Dion Beljo als aussichtsreichster Kandidat. Der Transfer des Kroaten in die Bundesliga scheiterte im letzten Sommer aber an überzogenen Ablöseforderungen. Jetzt kam er doch noch zustande. Für vermeintliche 3 Millionen Euro sicherte sich aber nicht Borussia, sondern der FC Augsburg die Dienste an dem 1,95 Meter großen Stoßstürmer. Mit einer Torvorlage führte er sich in seinem ersten Bundesligaspiel ordentlich ein und ersetzte den gelbgesperrten Topstürmer Berisha. Gegen die echte Borussia könnten beide gemeinsam stürmen, da sich Ruben Vargas in Dortmund verletzte. Demirovic würde dann vermutlich auf Linksaußen ausweichen. Ebenfalls verletzt sind mit Reece Oxford, Andre Hahn und Tobias Strobl alle drei Ex-Borussen im Kader der Augsburger.

Manager Stefan Reuter nutzte die lange Winterpause für insgesamt 5 Zukäufe. Neben Beljo stand der 19jährige 6er Arne Engels (ehemals Club Brügge) am Sonntag direkt in der Startelf. Zwei Spieler mit prominenten Nachnamen kollaborierten kurz nach ihrer Einwechselung zum zwischenzeitlichen 3:3. Kelvin Yeboah setzte den Ball zunächst an den Pfosten, von wo ihn David Collina erben und zum Ausgleich abstauben konnte. Im offensiven Mittelfeld kam mit Irvin Cardona eine weitere Joker-Option für den Trainer, der ebenfalls einen prominenten, wenngleich minderwertigen, Namensvetter vorweist.

Schiedsrichter der Partie wird ein alter Bekannter der Fohlenelf sein. Daniel Schlager pfiff u. a. beim letzten Einsatz der Borussia in Bayern, wo er mit Hilfe des VAR das vermeintliche Führungstor des Rekordmeisters aberkannte. Ende des vergangenen Jahres zelebrierte er zudem in Bochum eine sehr eigentümliche Interpretation des so genannten deliberate play.

Ein kontrolliertes Spiel wird von Borussia am Mittwoch gegen einen höchst unbequemen Gegner verlangt, um dem Mittelmaß doch noch zu entfliehen und die Hinrunde dieser Saison erfolgreich zu beschließen.

Augsburg: Gikiewicz – Gumny, Gouweleeuw, Uduokhai, Pedersen – Engels, Rexhbecaj – Maier, Demirovic – Beljo, Berisha

Borussia: Omlin – Scally, Itakura, Friedrich, Bensebaini – Weigl, Koné – Hofmann, Kramer, Plea – Thuram

Seitenwahl-Tipps

Michael Heinen: „Es ist zu verlockend, die Saisonbilanz auf teuflische 6 – 6 – 6 zu stellen. Nach dem 1:1 in Augsburg und Hoffenheim ist Borussia endgültig in der absoluten Mittelmäßigkeit angekommen.“

Michael Oehm: „Borussias Achterbahnfahrt geht weiter und lässt den geneigten Fan zwischen Hoffnungslosigkeit und Optimismus oszillieren: im Moment ist wieder eine Bergfahrt dran. Borussia gewinnt überraschend mit 1:2 in der Fuggerstadt.“

Christian Spoo: „Ein Gegner, der Borussia traditionell nicht liegt und der Daniel Farke vermutlich nicht den Gefallen tun wird, das Spiel seinen Vorstellungen anzupassen. Da müsste unser Trainer sich mal was Neues überlegen. Tut er aber nicht. Und so können wir von Glück sagen, dass es trotzdem einen Punkt gibt. 1:1.“

Volkhard Patten: „Augsburg Härte und die gut gestaffelte Defensive sind nichts für Ballbesitzfußball. Die Jungs aus der Fuggerstadt gewinnen 2:1.“

Thomas Häcki: „Im Duell um das Mittelmaß schlägt Aggressivität Ballbesitz mit 2:0.“

Claus-Dieter Mayer: „Immerhin kann Borussia mit dem Abstiegskandidaten Augsburg mithalten und ein 2:2 erringen. Ein Punktgewinn für die Moral der Truppe, 2 Punkte Verlust, was irgendwelche höheren Ambitionen in dieser Saison angeht.“