Mit einem guten Gefühl in die lange fußballfreie Zeit. Darüber wollen wir uns nicht beschweren. Borussia hat das Fußballjahr 2022 mit einem schönen Erfolg abgeschlossen. Der Sieg über den Ballsportverein Dortmund war verdient, schön anzusehen und bringt drei wichtige Punkte im Kampf um die Einstelligkeit – oder was auch immer Borussia meint, in dieser Spielzeit erreichen zu können und zu wollen. In der zweiten Halbzeit war die Partie erstaunlich einseitig, niemand hätte sich beschweren dürfen, wäre der Sieg noch um ein-zwei Tore höher ausgefallen. Marcus Thuram allein hätte das Resultat in seinem womöglich letzten Spiel für Borussia noch höher schrauben können. Aber auch so reichte der Auftritt gegen Dortmund, um von Frankreichs Nationaltrainer Didier Deschamps als letzter Spieler in das Aufgebot für die Spiele des Grauens in Katar nominiert zu werden. Dem Marktwert des Angreifers wird das weiteren Auftrieb geben, so dass ein Verkauf im Winter trotz des enormen Wertes von Thuram für das Spiel der Gladbacher Mannschaft geboten scheint.

Auch der zweite potenzielle Verkaufskandidat machte mit einer starken Leistung und einem Tor auf sich aufmerksam. Ramy Bensebaini zu halten, haben sich Roland Virkus und Konsorten ganz offenbar schon abgeschminkt. Ob der Algerier Lust verspürt, Borussia noch im Winter zu verlassen oder ob er bis zum Sommer wartet, ist offen. Denkbar ist, dass er eine mögliche Ablösesumme in Form von Handgeld nach der Saison gerne selbst einsacken möchte. Dortmund als möglicher neuer Arbeitgeber wird gerne bis dahin warten. Meister wird der BvB in dieser Spielzeit ohnehin nicht mehr.

Neben großer Freude über den Sieg mischte sich bei vielen Borussia-Fans am Freitagabend auch Unverständnis. Zu groß war die Diskrepanz zwischen der Darbietung im Borussia-Park an diesem Abend und der Leistung drei Tage zuvor im Bochumer Ruhrstadion. War der engagierte Auftritt gegen Dortmund Folge der Selbsterkenntnis, die Aufgabe in Bochum falsch angegangen zu sein. War er Folge einer schmerzhaften Kopfwäsche durch Trainer Daniel Farke? Oder kann diese Mannschaft sich nur motivieren, wenn sie sich der großen Bühne gegen einen Top-Gegner bewusst ist?

Vor dem Dortmund-Spiel hatten Daniel Farke und Roland Virkus eine bemerkenswert unterschiedliche Interpretation des Offenbarungseides von Bochum geliefert. Hatte Farke ein Problem mit der Geisteshaltung der Mannschaft ausgemacht, stritt Virkus genau das ab und vermutete eher mangelnde „Skills“ der Spieler als Grund für diesen und andere weniger als ausreichende Auftritte in dieser Saison. Nun ist weder das eine noch das andere eine sonderlich schmeichelhafte Diagnose sowohl für das Team als auch für das eigene Wirken eines Trainers und eines Sportdirektors. Nach dem Sieg gegen Dortmund muss man aber konstatieren: Die Skills sind weitgehend vorhanden, die schafft sich kein Spieler innerhalb von drei Tagen drauf. Die Geisteshaltung dagegen lässt sich leichter verändern. Die Diagnose von Daniel Farke scheint der Wahrheit näher zu kommen, als die von Roland Virkus. Was allerdings die Frage nicht klärt, woraus die ungute Haltung vor Spielen wie in Bochum resultiert. Ist es der Charakter einzelner Spieler? Ist es die Zusammensetzung der Mannschaft, die dem Team insgesamt einen volatilen Charakter verleiht? Ist es die Ansprache durch den Trainer? Das Klima im Verein? Eine intensive und schonungslose interne Analyse wäre vonnöten, auch wenn Borussia vielen eher als Wohlfühloase denn als Hort der Selbstkritik gilt.

Nach dem Dortmundspiel hat zumindest Daniel Farke zurück zur gewohnten Geisteshaltung gefunden, und die ist zumindest nach außen eher sanft und wenig selbst- oder mannschaftskritisch. Nach dem Bochum-Spiel offenkundig angefressen, schwenkt der Trainer zurück auf die Linie, dass doch eigentlich alles ganz töfte ist. Der Verweis, wonach die Punkteausbeute nach dem 15. Spieltag besser ist, als vor einem Jahr zur gleichen Zeit, erinnert an den von einigen zur Brandrede stilisierten „Wissense“-Monolog vor dem Spiel gegen Mainz 05. Man kann nur hoffen, dass das wirklich nur Folklore für die Außenwelt ist. Zum Thema Skills und Virkus darf man annehmen, dass er seine eigenen in den kommenden Wochen bis zum Neustart der Bundesliga-Saison in die Waagschale wird werfen müssen. Es gilt, Einnahmen zu generieren und bestenfalls personell schon nachzusteuern, um nach der Winterpause eine schlagkräftige(re) Mannschaft aufs Feld schicken zu können. Damit Spiele wie gegen Dortmund in Zukunft auch mal gegen weniger strahlkräftige Gegner gelingen.