Die Borussia hat nach drei Pflichtspielniederlagen in Folge den berühmten “freien Fall” vermieden und sich am Freitagabend gegen den VFB Stuttgart durchgesetzt. Der Sieg war verdient, am Ende sogar deutlich, und dennoch wird keiner der etwas mehr als 53.000 Zuschauer am Abend im trotz zuletzt schlechter Ergebnisse ordentlich besuchten Borussia-Park nicht mindestens einmal gedacht haben, dass der Ausgleich wohl doch gleich fallen würde. Man hat es in jüngster Zeit einfach zu oft gesehen, wie man Ergebnisse und Punkte nicht über die Zeit brachte. Nach Toren von Hofmann und Thuram und einem Gegentor von Tiago Tomas führte die Borussia mit 2:1, musste in der Schlussphase völlig unnötig wieder einmal zittern und erst mit der absolut letzten Aktion erlöste Hermann den Park (und sich) von allen Zweifeln.

Als eine Stunde vor Spielbeginn die Aufstellung auf dem Handybildschirm angekündigt wurde, hatte Trainer Farke mal wieder zu überraschen gewusst. Elvedi fiel erkrankt aus, Ngoumou und Stindl fanden sich auf der Bank wieder, stattdessen stellte sich Tony Jantschke auf die linke Innenverteidigerposition der Viererkette, vor der Konè wieder an der Seite von Julian Weigl agierte, und Christoph Kramer dadurch nach vorne auf Stindls Position schob, von dem er auch die Kapitänsbinde übernahm. Über Jonas Hofmanns Rückkehr in den Kader war spekuliert worden, überraschend lief er von Beginn an auf. Hatte man ob dieser Personalie fragend die Augenbrauen gehoben, dann konnte man diese nach Ablauf der 4.  Spielminute senken, denn dann hatte Jonas Hofmann bereits einen simplen Angriff über links mit anschließender präziser Flanke von Plea aus zentraler Position versenkt.

Borussia war gut ins Spiel gekommen und konnte beinahe gleich nachlegen. Bensebaini nahm einen zur Bogenlampe gewordenen Pressschlag mit vollem Risiko direkt; Müller im Stuttgarter Tor verwehrte mit einem starken Reflex den verdienten Lohn dafür (10.). Auf der Gegenseite wurde Stuttgart zum ersten Mal gefährlich, also, zumindest theoretisch. Praktisch ist ein Ball, der aus drei Metern aufs (!) Tor gelegt wird, irgendwie nicht so gefährlich (11.).

Auf der Gegenseite sahen sich beide Mannschaften benachteiligt. Zunächst flankte Kramer den Ball links in den Strafraum auf Plea, der von Stenzel kurz gehalten wurde, dann aber doch noch zum Abschluss kam , den wieder Müller zur Ecke abwehren konnte (15,). Die Gladbacher reklamierten das Halten, aber Schiedsrichter Jöllenbeck wollte den Eckball ausführen lassen. Dem entgegen stand aber der Stuttgarter Anton, der sich nach einem typischen Gerangel und einem unbeherrschten Geschubse von Bensebaini schreiend vor Schmerzen am Boden wälzte. Jöllenbeck zückte dafür die gelbe Karte, was Video-Assistent Welz in Köln als klare Fehlentscheidung und deshalb interventionswürdig empfand; Jöllenbeck blieb aber auch nach wiederholter Ansicht der Bilder bei seiner unzweifelhaft richtigen Meinung (18.).

Der Höhepunkt des Spiels folgte in der 25. Minute. Eine feine Ballstafette landete über Scally, Thuram und Bensebaini bei Plea, der sich kurz orientierte und dann mit dem Außenrist einen Ball auf den gestarteten Thuram spielte, von dessen Schönheit Anton und Mavropanos so geblendet waren, dass sie Thuram beim Abschluss nahezu unbehelligt gewähren ließen. Müller war endlich zum zweiten Mal geschlagen (25.).

Überhaupt Plea: In dieser ersten Halbzeit zeigte er noch einmal seine ganze Klasse mit einem perfekt getimten Zuspiel an den Strafraum, dass Scally vor dem herauseilenden Müller erreichen konnte. Leider antizipierte Scally den folgenden Zusammenprall mit ihm und ließ sich vor dem „Kontakt“ fallen; Jöllenbeck verweigerte zurecht den Elfmeterpfiff (28.).

Danach gab die Borussia das Spiel etwas aus der Hand, Stuttgart blieb aber weiter ungefährlich, was sich in der 35. Minute schlagartig änderte. Da legte Tiago Tomas ein gutes Zuspiel in den Strafraum von Sosa mit der Hacke am etwas unglücklich aussehenden Friedrich vorbei und zirkelte den Ball sehenswert um Sippel herum in die rechte Ecke. Gladbach wackelte nun deutlich, brachte das 2:1 aber in die Pause.

Nach der Pause erspielte sich Borussia zunächst ein optisches Übergewicht, ohne daraus wirklich gefährliche Situationen zu kreieren. Und dann geschah das, was man befürchten musste. Je länger das Spiel dauerte, umso bestimmender wurden die Gäste. Weite Verlagerungen schafften immer wieder Raum hinter der aufgerückten Viererkette der Borussia, und man musste für die mangelnde Stuttgarter Torgefährlichkeit dankbar sein, dass wirklich brenzlige Situationen nicht heraussprangen. Am besten noch eine Chance in der 78. Minute, als die Restverteidigung der Borussia bei einem Stuttgarter Konter nicht im Bilde war und Silas von rechts den Ball auf den völlig blank stehenden Führich heben konnte. Dessen miserable Ballannahme führte dazu, dass Koné korrigieren konnte. Fünf Minuten später konnte kein Abwehrspieler mehr helfen. Wieder rollte ein Stuttgarter Angriff über die rechte Seite, der Torschütze konnte den Ball scharf an den 5 Meter-Raum spielen, wo Guirassy den Ball aufs Tor spitzeln konnte. Sippel, der bis dahin wenig Gelegenheit hatte, sich zu auszuzeichnen, parierte den Ball aus kürzester Distanz mit einem großartigen Reflex. Auch danach musste man zittern, selbst wenn sich keine gefährlichen Situationen mehr ergaben. Aber die Souveränität war mal wieder dahin. Trotzdem stand am Ende ein klares Ergebnis, da der eingewechselte Patrick Hermann von Koné gegen die aufgerückten Stuttgarter geschickt wurde und von der Strafraumkante trocken einnetzte (90.+4.).

Ein eminent wichtiger Heimsieg, der Stärken wie Schwächen der Borussia exemplarisch zeigte: Im Spiel nach vorne beeindruckt immer wieder die individuelle Klasse der Spieler, heute natürlich besonders Plea; hervorzuheben auch die derzeitige Treffsicherheit eines Thuram. Im Spiel gegen den Ball ist aber weiterhin Luft nach oben, und zwar betrifft das das ganze Mannschaftsgefüge, nicht nur die Abwehr, in der sich Jantschke einmal mehr als zuverlässiger Vertreter auch ohne jede Matchpraxis zeigte. Es ist ärgerlich, dass auch gegen einen heute insgesamt doch recht harmlosen VFB Stuttgart so viel Unruhe entstehen konnte und es speziell im letzten Drittel so wenig echte Entlastung gab. Dadurch blieb es bis zuletzt unnötig spannend. Immerhin hielt man diese Woche dem Druck letztendlich stand.