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Am Ende gab es nur Verlierer. Nach 40 teils sehr erfolgreichen Jahren trat der SV Werder den bitteren Gang in die zweite Liga an. Auch dem Gast vom Niederrhein war keineswegs zum Feiern zumute, hatte man doch trotz des 4:2 Erfolgs die Qualifikation für das europäische Geschäft verpasst. Natürlich war dieses Spiel nicht der eigentliche Grund für die allgemeine Tristesse. Zu viele Chancen hatten beide Teams bereits im Vorfeld ausgelassen. Das letzte Aufeinandertreffen machte nur jeweils den Deckel auf eine gebrauchte Saison. Am kommenden Samstag kommt es zu einem Wiedersehen – diesmal aber unter deutlich positiveren Vorzeichen.

Platz 6, 12 Punkte aus 7 Spielen, zweitbeste Abwehr nachdem man in den Vergangen jahren eher zum Toreschießen einlud. Und das obwohl die ungeliebten Spiele in Freiburg und gegen Red Bull auf dem Spielplan standen und man bei den stark gestarteten Münchenern antreten musste. Keine Frage, der Start in die neue Saison verlief besser, als viele nach zwei eher tristen Spielzeiten gehofft hatten. Doch wo steht die Borussia grade wirklich? Kritische Geister könnten anmerken, dass die Fohlen ausgenommen der unterklassigen Gegner und einschließlich der Testspiele außer Leipzig keinen Gegner dominierten. Bei einem etwas ungünstigeren Verlauf würde man sich demnach, ähnlich wie in den letzten beiden Jahren, im grauen Mittelfeld wiederfinden. Positivere Zeitgenossen können hingegen darauf verweisen, dass man außer in München auch in keinem Spiel dominiert wurde. Der ein oder andere Punkt wäre bei glücklicherem Verlauf durchaus möglich gewesen. Da die Wahrheit bekanntlich in der Mitte liegt, dürfte die aktuelle Tabelle durchaus den wahren Stand der Borussia widerspiegeln. Womit man auch schon beim kommenden Gegner von der Weser ist.

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Der vermeintliche Abstiegskandidat hat vielleicht keinen furiosen, aber einen durchaus respektablen Start hingelegt. Auswärts ist das Team von Ole Werner weiterhin ungeschlagen, trotz Kaliber wie den Champions League Teilnehmern Dortmund oder Leverkusen, gegen die man sogar lange zurück lag. Zuhause wartet man hingegen weiterhin auf den ersten Sieg. Lediglich gegen den VfB Stuttgart konnte ein Punkt geholt werden und auch dieser kam erst in der 95ten Minute zustande. Der letzte Bundesligaheimsieg datiert sogar aus Februar 2021, seitdem blieb man 9 Spiele in Folge ohne Sieg. Festung Weserstadion? Lange her. Aber natürlich ist es unfair, die Horrorsaison 20/21 in eine aktuelle Bewertung mit einzubeziehen. Das klinisch tote Werder Bremen von damals ist nicht mehr mit der heutigen Mannschaft vergleichbar. Und der Zeitpunkt, wann sich dies gewandelt hat, ist mit dem Amtsantritt von Ole Werner eindeutig bestimmbar. Unter dem ehemaligen Kieler Erfolgstrainer legte man eine beeindruckende Aufholjagd aus dem grauen Mittelfeld der zweiten Liga hin und verlor seitdem in 27 Pflichtspielen nur noch viermal, interessanterweise nur einmal auswärts.

Spieler wie Leonard Bittencourt und Patrick Weiser haben unter Werner wieder zu ihrer alten Stärke gefunden. Da man mit Buchanan, Burke und Pieper ein gutes Händchen am Transfermarkt bewies, konnte man an der Weser wieder ein schlagkräftiges Team formen. Über alle dem steht natürlich Niklas Füllkrug. Nicht wenige sehen in ihm einen Kandidaten für Hansi Flick, was wohl aber mehr die derzeitige überschaubare Qualität deutscher Stürmer widerspiegelt.Trotzdem ist Platz 2 in der Torschützenliste natürlich alle Ehren wert. Vieles steht und fällt aber gleichzeitig in Bremens Offensive mit ihm, zumal sich sein Sturmpartner Ducksch derzeit in einer Krise befindet und in der Bundesliga noch nicht überzeugen konnte. Bremens Stärke liegt in einer geschlossenen Mannschaftsleistung die auch Rückschläge verkraften kann – neun der bislang erzielten 13 Treffer fielen ab der 80ten Minute. Zuletzt rückte die defensive Disziplin wieder etwas mehr in den Vordergrund. Fielen in den ersten 4 Spielen noch durchschnittlich 5 Tore pro Partie, waren es zuletzt noch maximal 2. Die Borussia trifft somit auf einen kampfstarken, disziplinierten Gegner, dem vielleicht nur eines abgeht – ein Spiel zu gestalten.

Spielgestaltung ist wiederum etwas, was der Borussia liegt. Hatte man bei Adi Hütter zeitlebens den Eindruck, dass seine Idee vom Fußball nur in seinem Kopf besteht, es aber mit der Übersetzung an/durch die Spieler hapert, ist Farkes Handschrift schon deutlich erkennbar. Auch wenn noch bei weitem nicht alles funktioniert, die Ansätze sind vielversprechend. Zwar sind die Fohlen weiterhin die lauffaulste Mannschaft der Bundesliga, nur wenige haben aber das Passspiel so intensiviert, wie die Rheinländer. Selbst Ausfälle werden derzeit noch klaglos hingenommen. Stattdessen sorgt Farke mit überraschenden taktischen Finessen, wie zuletzt mit einem offensiven Christoph Kramer, immer wieder für kreative Lösungen. Viel sollte allerdings nicht mehr passieren. Neben den Langzeitverletzten Itakura, Neuhaus und Wolf droht Thuram nicht voll einsatzfähig zu sein. Wenigstens meldet sich Plea etwas früher als erwartet zurück, für 90 Minuten wird es aber noch nicht reichen. Möglich also, dass Daniel Farke schneller als gewollt auf die junge Garde hinter den etablierten Spielern zurückgreifen muss.

Trivia am Rande: Beide Mannschaften treffen am Samstag zum 111. Mal aufeinander. In Bremen gelang der Borussia 1987 ihr bislang höchster Auswärtssieg, bevor man sich 28 Jahre lang das Benzingeld für die Auswärtsfahrten sparen konnte. Dies hat sich inzwischen grundlegend geändert, in den vergangenen acht Begegnungen im Weserstadion konnte Werder nur noch einmal gewinnen, in den vergangenen fünf gar nur einmal punkten. Sollte sich diese Serie fortsetzen, würden die Fohlen den hanseatischen Konkurrenten aus Hamburg in der ewigen Tabelle überholen. Zwar hat man nicht so viele Spiele wie der Dino, die eigene Raute ist aber ungleich hübscher und Sexyness macht eben erfolgreich(er). Auch wenn die meisten Bremer Fans dagegen sicherlich nichts einzuwenden haben, auf Schützenhilfe darf man wohl nicht hoffen.

Der SEITENWAHL-Tipp:

Thomas Häcki: Am Ende gibt es einen Handshake zwischen Farke und Werner und die Übereinstimmung, dass das 1:1 gerecht ist.

Michael Heinen: Beim einstigen Angstgegner sah Borussia in den letzten Jahren meistens gut aus. Diesen Samstag reicht es im Weserstadion aber nur zu einem 1:1.

Volkardt Patten: Für meinen Seelenfrieden hier im Werderland wäre ein Punktgewinn schön. Aber ich vertraue den Männern von Farke. Wir siegen 3:1.

Christian Spoo: Borussia tritt zunächst souverän auf, verdaddelt am Ende aber eine eigentlich beruhigende Führung. 2:2.

Claus Dieter Mayer: In einem munteren Spiel setzt sich die Borussia am Ende mit einem 3:2 Sieg durch.