In einem umkämpften Spiel kommt die Borussia zu einem 1:0 Heimsieg und hat mit sieben Punkten einen richtig gelungenen Saisonstart eingelegt, was die Punkte angeht. Spielerisch bleibt noch Luft nach oben.
Im März des Jahres war es zum letzten Aufeinandertreffen der beiden Mannschaften gekommen, einen seinerzeit zum Entlassico stilisierten Wettstreit zweier Versagermannschaften mit glücklosen Don Quichottes auf den Trainerbänken, die bei einem verkrampften Tjost die schlechtere Rosinante von Mannschaft ermitteln durften. Als diese erwies sich damals die alte Dame aus der Hauptstadt. Der geschätzte, wenn auch zur Publikation praecox neigende Kollege Spoo urteilte seinerzeit zurecht, dass eine schlechtere Mannschaft in Bälde nicht zur Bewunderung im Borussia-Park vorstellig werden würde und eben nur die bessere von zwei sehr schlechten Mannschaften das Not-Elend-Duell hatte gewinnen können.
 
Die Entwicklung dieser beiden Mannschaften fast auf Augenhöhe verlief aber seitdem sehr unterschiedlich. Man kann sagen, dass die Borussia als klarer Favorit gegen eine auch in dieser Saison zumindest glücklos agierenden Gegner ins Spiel ging. Wenn sich die Spieler in Gestalt der nun schon etablieren Stammelf der ersten beiden Spieltage Ähnliches gedacht und auf leichtes Spiel gehofft haben sollten, wurden sie schnell eines Besseren belehrt.
 
Die Hertha störte die Ballbesitzphasen der Borussia früh und kam vor allem durch die schnellen Lukebakio und Ejuke zu gefährlichen Kontersituationen, vor allem als ersterer in der 4. Minute eine verunglückte Rückgabe des anfänglich fahrigen Kramer antizipierte, in den Ball sprintete und dabei den etwas verdutzten Scally einfach stehen ließ. Zum Glück für die Borussia zeigte sich hier wie auch bei späteren Gelegenheiten, dass Lukebakio in der derzeitigen odonkoresken Form ebenso schnell wie ungefährlich im Torabschluss ist. 
 
Auf der anderen Seite traf in der 7. Minute Plea nach einen putzigen Gepurzel diverser Hertha-Abwehrspieler übereinander nur den Pfosten, weil Kempf den Ball noch entscheidend ablenken konnte. Darüber hinaus waren auf beiden Seiten noch einige vielversprechende Ansätze, wenn auch nicht echte Chancen zu bewundern, so dass man wohl von einem verteilten Spiel in der Anfangsphase sprechen muss, bei dem die Hauptstädter die ihnen zugedachte Underdogrolle überhaupt nicht ausfüllten, sondern konsequent das zu behäbige Aufbauspiel der Borussia attackierten.
 
In der Folge hatten beide Mannschaften gute Einschussmöglichkeiten, die beste Thuram im Gewühl nach einer Ecke, als er - etwas überrascht - aus wenigen Zentimetern den Berliner Schlussmann Christensen anzuschießen vermochte (17.). Nach einem Stockfehler von Scally nahm Ejuke sofort Fahrt auf, schüttelte diverse Gegenspieler ab und kam zu einem Abschluss, der aber zu mittig kam um Sommer ernsthaft vor Probleme zu stellen (24.).
 
Nach einer halben Stunde, als sich das Spiel gerade etwas zu beruhigen schien, kam es zur spielentscheidenden Szene. Bei einem Flankenversuch von Hofmann übernahm Mittelstädt den Patrick-Herrmann-Wanderpokal für unverständliche Handspiele mit einer schönen Interpretation von John Travolta in Saturday Night Fever. Plea übernahm die Verantwortung und versenkte den Ball wuchtig im Eck. Dass das Spiel entschieden war, war aber im weiteren Verlauf der 1. Halbzeit nicht zu merken. Die Hertha ließ mehrere gute Gelegenheiten zum Ausgleich liegen, bei denen sie jeweils im Abschluss nicht zwingend genug agierte. In dieser Phase zeigte sich, dass der glänzend aufgelegte Itakura bester Mann der Borussia an diesem Abend war, der viele weitere gefährliche Situationen durch beherztes Eingreifen verhindern konnte. Gladbach mit nur noch einer guten Torannäherung in der Nachspielzeit der 1. Hälfte, doch Elvedis Kopfball ging knapp vorbei.
 
Beide Mannschaften kamen unverändert aus der Kabine und auch Spiel änderte sich nicht viel, bis darauf, dass die Borussia defensiv etwas konsequenter agierte und weitere Herthaner Chancen zunächst verhindern konnte. Im Offensivspiel jedoch blieb das Problem das gleiche: Borussia agierte im Ballbesitz nicht selbstverständlich genug, vor allem Elvedi verweigerte den Pass nach vorne nahezu konsequent, so dass das Aufbauspiel zu durchschaubar blieb. Die Hertha stellte weiterhin alle Anspielstationen im Mittelfeld zu, so dass eine Viertelstunde eigentlich nichts Nennenswertes in beiden Strafräumen passierte. Nach einer geblockten Schusschance von Hofmann im 16er gab es einen Eckball, bei dem es zunächst so aussah, als ob auch nicht Nennenswertes passiert sei, doch dann meldete  sich der Assistent aus Köln und bat Schiedsrichter Jöllenbeck zum Videostudium von Uremovics Abwehrverhalten. Auch hier wurde ein Handspiel ausgemacht und Thuram und Bensebaini berwarben sich um die Austragung des Elfmeters, der für einen ruhigen Restabend im Borussia-Park sorgen sollte, zumal Uremovic beim ersten Elfmeter für penetrantes Einlaufen in den Strafraum bereits gelb gesehen hatte und somit vorzeitig runter musste.
 
Doch halt: Hofmann schoss und Christensen war der Held. Viel helfen sollte es aber dennoch nicht. In Unterzahl war die Hertha zwar beileibe nicht chancenlos, denn die Borussia spielte nicht zwingend genug für ein weiteres Tor. Und natürlich kam es noch zur Standardsituation kurz vor Schluss. Man muss schon sehr hartgesotten sein, wenn man sich in der Sekunde nicht an das Spiel vor Wochenfrist zurückerinnert fühlte. Dieses Mal aber bleib die Borussia verschont, weil der eingewechselte Boateng der Last seiner Jahre Tribut zollen musste und einen Schritt zu spät in einen gefährlichen Abschluss von Jovetic grätschte.
 
Drei eminent wichtige Punkte, hart erkämpft gegen einen gut organisierten und im Ansatz immer wieder gefährlichen Großstadtverein, der sich objektiv vermutlich sogar mehr verdient hatte, aber an seiner Abschlussschwäche scheiterte. Zum Trost habe ich ihren Schlachtruf im Text versteckt.
 
Bei der Borussia glänzen sieben Punkte, die aber aus schwerer Arbeit und Spielglück gemacht sind, nicht aus Gold. Dass noch viel Arbeit wartet und definitiv nötig ist, wird keiner der Protagonisten ernstlich bestreiten. Aber jetzt wartet erstmal die Benchmark des deutschen Fußballs, und da das selbst in der letzten Saison Spiele außerhalb des jeweiligen Entwicklungsstandes waren, darf man zumindest bis Anpfiff gespannt und gelassen abwarten, was da kommen wird.