Eine Mannschaft hat einen Lauf, die andere will in den Europapokal. Was also spricht gegen ein tolles Derby, große Emotionen, tollen Fußball am Samstagabend in Mönchengladbach? Zuallererst: Borussia. Zehn Punkte aus vier Spielen hat das Team von Adi Hütter zuletzt geholt. In der Tat, das ist ein Lauf. Wer diese Spiele gesehen hat, tut sich allerdings etwas schwer, den Lauf nicht in Gänsefüßchen zu setzen. Auch Hütter und Sportdirektor Roland Virkus wollen sich offenbar nicht zu weit aus dem Fenster lehnen und nennen es einen „kleinen Lauf“. Denn hat sich Borussia jeden dieser zehn Punkte mühsam erspielt. Einen wirklich komplett souveränen Sieg gab es nicht, in jedem der Spiele gegen nominell schwächere Gegner gab es Momente, in denen die Partie hätte kippen können. Wirklich guten Fußball spielt Borussia nur phasenweise und überwiegend in der ersten Halbzeit. Nach der Pause reichen Konzentration und Kondition meist nicht mehr. Das war selbst beim Auswärtssieg in Fürth so. Der kaum bundesligataugliche Gegner konnte daraus dankenswerterweise kein Kapital schlagen, so dass Borussia sich mit dem Thema Abstieg nicht mehr wirklich beschäftigen muss.

Wie anders ist die Situation beim 1.FC Köln. Im Spiel gegen Mainz gab das Team von Steffen Baumgart quasi die Anti-Borussia. Nach mauer erster Halbzeit und verdientem Zwei-Tore-Rückstand drehte man die Partie mit einer Willensleistung noch und kann tatsächlich jetzt nach oben schielen. Wenig bescheiden gab der Trainer dann auch vor dem Derby die Parole Europa aus. Ein Punkt fehlt im Moment zu Platz sechs. Das Aufdiebrusttrommeln des Trainers vor dem potenziell emotionalen Spiel in Gladbach ist dennoch sicher auch taktischer Natur. „Wir strotzen vor Selbstbewusstsein“ ist die Ansage an den rheinischen Rivalen und der kann sich das in der Tat erst einmal nur in einer Mischung aus Neid und Sorge anschauen. Spielt Borussia wie zuletzt und spielt der FC wie zuletzt, dann wird das Derby eine unerfreuliche Angelegenheit für alle Anhänger des Pokalsiegers von 1973.

Hat Adi Hütter begriffen, welche Bedeutung dieses Spiel für viele Fans des von ihm trainierten Teams hat? „Es geht nur um drei Punkte“ betonten Trainer und Sportdirektor zuletzt fast mantraartig. Irgendwie seien Derbys was Besonderes, irgendwie aber auch nicht – ob man die Mannschaft auf diese Weise so heiß macht, wie das Publikum es gerne hätte? Auch hier bietet Baumgart das Gegenprogramm. „Ich freue mich, wenn es auf den Tribünen hitzig zugeht. Ich freue mich, dass beide Fanlager im Stadion sein werden“.  So weit so gut, der Rest seines Zitats sei der Vollständigkeit halber nachgeliefert. „Aber Gewalt gehört nicht ins Stadion. Wir sehen, was in der Ukraine passiert. Das will niemand.“ Gut gemeint, ist nicht immer gut gesagt. Und eine Trainingsjacke macht noch keinen Christian Streich.

Zum Thema komische Dinge, die man auf Pressekonferenzen sagt, hat Borussia auch etwas zu liefern, allerdings von deutlich geringerem Cringefaktor: Dass Roland Virkus sich im Interview mit einem Manuel-Neuer-Fanzine aus Nürnberg mindestens zweideutig zur gemeinsamen Zukunft von Borussia und Adi Hütter geäußert hatte, wollte der Sportdirektor nicht bestätigen. Das ganze spiele sich nur in den Köpfen von Journalistinnen und Journalisten ab. Hütter und Virkus versicherten sich daraufhin ihrer gegenseitigen Wertschätzung und bekannten sich zueinander. Zumindest so halb.

Personell ist der 1.FC Köln völlig sorgenfrei, bei Borussia droht der Ausfall des zuletzt wieder treffsichereren Marcus Thuram. Marvin Friedrich ist weiter krank. Jonas Hofmann ist wieder fit und spielt in den Planungen des Trainers für Samstagabend eine Rolle – womöglich wird er der Thuram-Ersatz, so könnte Alassane Plea erneut die Rolle spielen, in der er zuletzt Mitgarant für Punkte war.

SEITENWAHL-Prognose

Christian Spoo: Zur Pause steht es leistungsgerecht 1:1 und das Derby hält bis dahin mehr, als man sich davon versprochen hat. Danach geht alles seinen Gang und der 1.FC Köln ärgert sich, dass er nur 3:1 gewonnen hat.

Michael Heinen: Gegen den effzeh wird die Mannschaft stärker gefordert werden als in den vergangenen Wochen. Wenn jeder Spieler sich der Bedeutung des Derbys bewusst ist, sollte es aber endlich mal wieder zu einem echten Borussen-Feiertag reichen können. Gerade nach der Hinspiel-Schmach wünsche ich mir einen demütigenden 5:1-Heimsieg.

Volkhard Patten: Im Westen nichts Neues. Nach einer passablen ersten Hälfte und einer 2:0- Pausenführung bricht die Borussia wie gehabt im zweiten Durchgang ein und steht nach dem 2:4 gegen die Gäste aus der Stadt mit der großen Bahnhofsmission als Derbydepp der Saison da.

Thomas Häcki: Borussia beginnt furios und lässt stark nach. Dank eines Gegentreffers in der Nachspielzeit fühlt sich der Fan nach dem 1:2 endgültig frustriert.

Claus-Dieter Mayer: Es ist leider nicht die erwünschte Revanche für die Niederlage in der Hinrunde, aber zumindest erleben die Zuschauer beim gerechten 2:2 ein rasantes Derby.