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Der neutrale Zuschauer freut sich über ein unterhaltsames Spiel auf gutem Niveau, für einen ersten Spieltag zumal. Der Anhänger von Borussia Mönchengladbach freut sich vielleicht am Tag nach dem Tag danach über einen Punkt gegen den Rekordmeister. Zunächst aber ärgert er sich über zwei nicht gegebene Elfmeter in der Schlussphase. Die wirklich erstaunliche Nicht-Reaktion von Schiedsrichter Marco Fritz in der 83. Minute, das nicht minder wunderliche Signal des Video-Referees zwei Minuten vorher, das trübt die Freude über ein ordentliches Spiel und einen verdienten Punkt nicht ganz unerheblich.

Der Auftakt des Spiels wurde überschattet von der Darbietung des Deutschlandliedes durch einen – wie Google verrät – früheren Voice-of-Germany-Kandidaten. Der junge Mann ließ den Glanz des Glückes zwar immerhin blühen und nicht das Licht brühen, aber dann doch lieber „Die Seele brennt“, wenn schon nicht „Die Elf vom Niederrhein“. 

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Sportlich hatte Borussia in diesem Spiel zwei wirklich gute Phasen. Die ersten 15 Minuten gehörten ganz klar der Mannschaft von Adi Hütter, die stets den Weg nach vorne suchte, hoch stand und Bayern zu Fehlern zwang. Die zweite starke Phase wurde durch die Einwechslung von Jonas Hofmann eingeläutet. Der Nationalspieler, der den emsigen und durchaus nicht schlechten Patrick Herrmann ersetzte, brachte Struktur ins Spiel, auch Marcus Thuram, der gleichzeitig aufs Feld kam, war um ein Vielfaches präsenter, als der oftmals kaum sichtbare Torschütze zum 1:0, Alassane Plea. Die starken Phasen rahmten eine lange Zeit ein, in der Bayern mehr Druck machte, die Fehler aus der Anfangsphase ausließ, aber mehrfach am hervorragend aufgelegten Yann Sommer scheiterte. Hervorheben muss man zudem den Bundesliga-Debütanten Joe Scally. Was sich gegen Kaiserslautern im Pokal schon angedeutet hatte, bestätigte sich gegen Bayern eindrucksvoll: Scally spielt ohne Angst und ohne überzogenen Respekt vor der neuen Aufgabe. Mit einer für einen 18-Jährigen schon fast unnatürlichen Selbstverständlichkeit, Griffigkeit nach Hinten und Drang nach vorne beackerte er die linke Seite. Mit dem weiter vorne postierten Hannes Wolf harmonierte er gut. Auch Wolf hatte allerlei gute Szenen, das Problem seiner fehlenden Durchsetzungskraft sollte er im Lauf der Saison aber in den Griff bekommen. 

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Dass Borussia in der 81. Minute einen Elfmeter hätte bekommen müssen, bestreitet nach dem Spiel auch der eingangs erwähnte neutrale Zuschauer nicht. Klarer foulen als Upamecano Marcus Thuram kann man eigentlich nicht. Ein Rätsel, warum der Video-Referee die Szene nicht als eindeutig bewertete oder den Feldschiedsrichter nicht wenigstens an den Monitor dirigierte. Zwei Minuten später sah es im ersten Moment weniger deutlich aus, aber die Fernsehbilder belegen, dass abermals Upamecano den Gladbacher Stürmer zu Fall bringt. Gleich dreimal berührt er Marcus Thuram, bis der schließlich fällt. Führt man sich vor Augen, wie oft „der Kontakt war da“ als Begründung für einen Elfmeterpfiff herhalten muss, ist es schwer zu erklären, dass in diesem Fall drei Kontakte nicht für einen Pfiff reichen und sich „Köln“ ganz offenbar nicht einmal einschaltet. Trainer Adi Hütter, der über 90 Minuten äußerst agil in seiner Coaching-Zone unterwegs war, eskalierte hernach etwas und bekam die gelbe Karte und vermutlich allein deswegen nochmal ein paar Sympathie-Extrapunkte beim geneigten Publikum.

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Am Ende steht nichtsdestoweniger eine Punkteteilung, die die Kräfteverhältnisse an diesem Sommerabend im Borussia-Park korrekt abbildet. Schön, dass wieder Zuschauer da sind, es ist so eben doch ein anderes Spiel als das Gegeistere, an das man sich zuletzt schon fast gewohnt hatte. Hoffen wir, dass trotz steigender Inzidenzen eine Lösung gefunden wird, die Fußballspiele wie dieses, inklusive der Rahmenbedingungen, weiter möglich machen. SEITENWAHL hat das Spiel, trotz des Doppelversagens von Feld- und Videoschiedsrichters, mit einer lange nicht empfundenen Leidenschaft verfolgt – weil auch die Mannschaft eine Lebendigkeit ausgestrahlt hat, die es seit einem halben Jahr nicht mehr gegeben hat. Es war nur ein Spiel, dennoch sagen wir vorsichtig: Das könnte nett werden, in der neuen Saison. 

(Fotos: Georg Henning)