Borussia bleibt oben dran, schiebt sich an der ungeliebten Namenscousine aus Westfalen vorbei und zieht sich fürs Erste den Wurm. Nach dem 4:2 im Heimspiel am Freitagabend herrscht eitel Freude, und das durchaus zu Recht. Ein Spiel, das in der ersten Halbzeit den befürchteten Verlauf zu nehmen schien, entwickelte sich zur reifsten Leistung der Mannschaft seit langem – möglicherweise sogar der ganzen Saison. Wie Borussia nach der Halbzeit agierte, hatte etwas Abgezocktes. Dieses Merkmal wies das Spiel der Mannschaft schon lange nicht mehr auf. Nach der Führung durch das traumhafte Bensebaini-Tor verteidigte Borussia kompakt, überließ Dortmund zeitweise den Ball, ließ aber keine Chancen zu und setzte immer wieder Nadelstiche in Form von Kontern. Schon Alassane Plea hätte für die Vorentscheidung sorgen können. Dass es am Ende Marcus Thuram war, der mit seinem Kopfballtor die Zweifel am Sieg zerstreute (auch wenn vermutlich viele Fans der Kategorie „borussisch wäre jetzt…“ Puls bis zur 88. Minute hatten), war erfreulich für alle Kommentatoren, die gerne „ausgerechnet“ sagen, krönte aber vor allem ein vielversprechendes Comeback.

Welche Lehren lassen sich aus der Partie gegen Dortmund ziehen?

Große Gegner liegen Borussia in dieser Saison offenbar. Bayern, Leipzig und jetzt Dortmund, außerdem Inter Mailand und zumindest im Heimspiel auch Real Madrid. Gegen namhafte und nominell stärkere Teams zeigt die Mannschaft sich gerne von ihrer besten Seite. Das ist schön, legt aber auch die Frage nahe, warum es gegen schwächere Gegner häufig nicht so läuft.

 Ist es ein Mentalitätsproblem oder funktioniert wirklich nur die Erstbesetzung und zu den Reservespielern klafft eine übergroße Niveau-Lücke? Immerhin konnte es sich Marco Rose erlauben, die eigentlich als unverzichtbar angesehenen Jonas Hofmann und Lars Stindl schon Mitte der zweiten Halbzeit vom Feld zu nehmen, ohne dass das merkliche qualitative Einbußen zur Folge gehabt hätte. Der zu Recht bisher viel kritisierte Hannes Wolf fügte sich diesmal gut ein und arbeitete aufmerksam nach hinten mit. Die Einwechslung von Thuram brachte sogar noch einmal einen Schub. Der Franzose scheint sich in der Zeit seiner Zwangspause regeneriert zu haben. Wirkte er vor der Spuckpause häufig etwas müde, sprühte er diesmal vor Energie, zeichnete sich durch Ballgewinne und Tempoläufe aus, brachte seine Physis gewinnbringend ein, nicht nur beim Musterkopfball zum 4:2. In dieser Verfassung kann Thuram in den kommenden Wochen ein wichtiger Faktor sein, wenn es gilt, weiter oben dran zu bleiben.

Ein Schlüssel zum Erfolg gegen Dortmund war die taktische Umstellung nach dem 2:1. Zweimal hatte Dortmund die Borussendefensive schwindlig kombiniert. Bei beiden Gegentoren lag die Basis des Misserfolges allerdings weiter vorne. Zweimal schleppten Borussen den Ball im Aufbau durchs Mittelfeld, ließen sich Zweikämpfe aufdrücken, die sie verloren. Schnell nach vorne gespielt profitierte Dortmund von der ob der Situation etwas aufgescheucht-orientierungslos wirkenden Abwehr. Diese Form des Aufbauspiels unterließen die Borussen in der Folge, außerdem wurde der als zentraler Abwehrspieler offenkundig überforderte Denis Zakaria erlöst, im 4-4-2 lief es fortan deutlich entspannter. Die Dreierkette ist eine Variante, die Marco Rose offenkundig mag und nicht zum ersten Mal ausprobiert. Es war gleichzeitig aber auch nicht das erste Mal, dass er seine Herangehensweise danach korrigieren musste.

Borussia ist im Jahr 2021 bisher ungeschlagen, auch wenn sich das 2:2 in Stuttgart arg nach Niederlage anfühlte. Man ist oben dabei, das Saisonziel „Champions League“ ist Stand jetzt kein Hirngespinst. Jetzt gilt es, die konzentrierte Leistung gegen Dortmund zu verstetigen. Eine gute Gelegenheit bietet das kommende Spiel bei Union Berlin. Wenn sich die Mannschaft vergegenwärtigt, dass man es erneut durchaus mit einer Mannschaft zu tun bekommt, die zurzeit auf Augenhöhe agiert – Union hat nur drei Punkte weniger als Borussia auf dem Konto – dann sollte es erneut zu einem Auftritt auf hohem Niveau reichen.