AJ7X8482Seitenwahl 03Aug19In einem spektakulären Spiel hat Borussia trotz zweimaliger Führung mit 3:4 gegen Leverkusen verloren. Am Ende muss man leider sagen: Verdient verloren, weil Leverkusen über das gesamte Spiel hinweg die bessere, agilere, in Spielaufbau und Raumaufteilung durchdachtere Mannschaft war.

Um auf den Vorbericht zurückzukommen: Die Gladbacher Klasse konnte man bei allen drei Toren sehen, die Borussia am Sonntagabend erzielt hat – am spektakulärsten war natürlich das leider wertlose 3:4 durch Lazaro, das trotzdem zu den Kandidaten bei der Wahl zum Tor des Monats zählen dürfte. Dem gegenüber fehlte sehr offensichtlich die Konsequenz, mit der man noch am Dienstag den Gegnern von Schachtar Donezk vor allem in der ersten Halbzeit des Fußballspielen faktisch unmöglich machte. Hiervon war gestern nicht mehr viel zu sehen.

Das begann schon bei Yann Sommer, der keinen guten Tag erwischt hatte und beim zweiten Gegentor eklatant patzte, aber auch sonst keine Sicherheit ausstrahlte. Sommer auch die Schuld am 2:3 durch Bailey zu geben, halte ich persönlich für zu hart, aus meiner Sicht ist das in der Realgeschwindigkeit der Spielszene eher Glückssache: Macht er die Beine zu und der Ball geht an ihm vorbei ins kurze Eck, werden sich genauso viele Kritiker finden, die meinen er hätte sich breit machen müssen, um den Winkel zu verkürzen, wie die, die jetzt der Meinung sind, dass der Ball nicht durch die Beine gehen darf. Sommer schmeckte insbesondere nicht, dass er nach Rückpässen von den Leverkusenern aggressiv angelaufen wurde. So geriet er ein ums andere Mal unter Druck, aus dem er sich oft nur mit langen, zwangsläufig wenig präzisen Schlägen lösen konnte.

Das wiederum war für den Gladbacher Spielaufbau wenig förderlich, der insgesamt sehr geschickt vom Gegner unterbunden wurde. Hier sah man einen der wichtigsten Unterschiede zwischen beiden Teams – dem Pressing: Die Werkself war zu jedem Zeitpunkt in der Lage, das Gladbacher Aufbauspiel wirksam zu stören, indem die Räume vor allem im Zentrum extrem eng gemacht wurden, Passwege zugestellt wurden und der ballführende Gladbacher relativ zügig attackiert wurde. Dadurch wurde das Kurzpassspiel von Borussia Mönchengladbach oft eher hektisch und damit unpräzise, sodass es nicht mehr möglich war, die Umschaltsituationen aufzulösen, die stattdessen wieder in Ballverluste mündeten. Im Gegensatz dazu gelang es den Männern in mintgrün (überraschende Farbwahl …!) zu keinem Zeitpunkt des Spiels, den Leverkusener Spielaufbau in gleicher Weise einzuschränken, wie das am Dienstag in Kiew funktionierte. Stattdessen sahen die Pressingversuche der Gladbacher (überspitzt ausgedrückt) manchmal aus wie zu den Zeiten von André Schubert: Vorne wurde angelaufen, dahinter klafften 30 Meter Lücke, die dann vom Gegner zum Kombinieren benutzt wurde. Symptomatisch für solche Szenen war der Ausgleich zum 1:1, als auch noch beide Sechser mit nach vorn gelaufen waren. Tatsächlich ist es aber eines der Grundprobleme einer 4:2:4-Formation gegen den Ball, dass alle Mannschaftsteile eng zusammen agieren müssen, wenn das nicht zu riskant werden soll. Genau das funktionierte bei Borussia Mönchengladbach gestern nur selten, sei es aufgrund eigener Müdigkeit und/oder auch deshalb, weil die Leverkusener das dadurch verhinderten, dass ihre offensiven Außenspieler auch bei Gladbacher Ballbesitz relativ weit vorn blieben und so das Aufrücken der Gladbacher Viererkette effektiv verhinderten.  Ein weiterer Punkt – wenn auch einer, den man schwer lösen kann – waren die offensichtlichen Geschwindigkeitsnachteile auf den Außenpositionen, die bei schnellem Spiel der Werkself nach vorn zutage traten.

Ungeachtet der vorstehend analysierten Schwächen muss man aber auch das Positive sehen – von dem es eine ganze Menge gibt: Wir haben gegen einen gestern sehr starken Gegner drei Tore geschossen und hatten die Chance auf einige mehr. Am Ende war es wahrscheinlich eine Szene – nämlich die schöne Kombination der Gladbacher, die aufgrund des missglückten Abschlusses von Hannes Wolf nicht zum 2:3 führte mit dem anschließenden Führungstreffer der Bayer-Elf – die das Spiel entschied. Hannes Wolf – ein gutes Stichwort – fängt ungeachtet der vergebenen Chance an, sich in der Mannschaft zurecht zu finden. Gleiches gilt für Valentino Lazaro, der – siehe oben – obendrein noch ein phantastisches Tor schoß. Stindl nähert sich mit Riesenschritten der Form, die ihn in die Nationalmannschaft brachte.   

Am Ende muss man also vielleicht auch zugeben, dass gestern von zwei guten Mannschaften einfach die gewonnen hat, die die bessere Tagesform hatte und dass gestern im Grunde genommen nichts Vorentscheidendes für die weitere Saison passiert ist.

Das SEITENWAHL-Fazit

Mike Lukanz: Zwei Mannschaften auf Augenhöhe, die beide Spaß an der Offensive haben und weniger am Verteidigen. Der Unterschied: Die eine Mannschaft hatte diesmal einen Torwart außer Form und Offensivspieler, die das leere Tor nicht treffen. Eine verdiente Niederlage, die dennoch nicht wirklich wehtut.

Christian Spoo: Wäre ich Fußballfan, hätte mir das Spiel vermutlich Spaß gemacht. Ich bin aber Borussenfan, und so kann ich mich nicht mal über das Tor des Monats freuen, sondern ärgere mich über Chancentode und Defensivfehler.

Claus-Dieter Mayer: Trotz schwachen Beginns war mehr drin für die Borussia gegen den ewigen Rivalen um den verbleibenden Champions-League Platz, aber Chancen-Wucher und kleine Nachlässigkeiten kosten den VfL 1-3 Punkte. Hoffentlich trauern wir denen zu Saisonende nicht nach.

Michael Heinen: Gegen Donezk erwischte Borussia einen perfekten Tag und auch in Leverkusen lief es gut an. Nachdem die ersten beiden Chancen zu Toren führten, scheiterte die Mannschaft anschließend aber mal wieder an der Chancenverwertung bei einem Gegner, dem sie in fast allen anderen Kategorien ebenbürtig war.