koeln neu

Lassen wir Milde walten. So eine Sommerpause ist lang, die Erwartungen erfahrungsgemäß hoch, Corona & Trump trüben die Stimmung, da fallen die Reaktionen bisweilen heftiger aus. Nähme man einiges ernst, was so an Reaktionen nach den ersten beiden Spieltagen zu lesen war, wird Borussia Mühe haben, einen einstelligen Tabellenplatz zu erreichen, der FC Schalke ohnehin bald Drittligist sein, der BVB mit diesem Trainer sowieso nie mehr Deutscher Meister und der FC Bayern München bleibt zumindest in dieser Saison ohne Titel.

Der geschätzte SEITENWAHL-Leser hat sich an den Defätismus zumindest dieser Redaktion ja bereits gewöhnt, das geht schließlich schon seit 1997 in wechselnder personeller Besetzung so. Insofern wird es in dieser Saison die Aufgabe des Autors, mindestens im Versuch die depressive Grundstimmung der Kollegen mit sachlich (in den Worten der Kollegen: mit an Naivität grenzendem Optimismus) auszugleichen.

Keine Frage, der Saisonstart Borussias war holprig. Die Niederlage in Dortmund zwar zu hoch, aber durchaus verdient, das Remis gegen Union Berlin durchzogen von Ungenauigkeiten, fehlender Zielstrebigkeit in der Offensive und Schlafmützigkeit in der Defensive. Da kommt das Derby in der Domstadt gerade recht, möge man denken. Nun, eine gewisse Brisanz liegt durchaus in dieser Partie, denn so sicher die drei Punkte gegen den lieben Erzfeind in der Vergangenheit oft waren, eine Niederlage im Derby würde den Fehlstart – auch mit Blick auf die darauffolgende Länderspielpause – auch formaljuristisch perfekt machen.

Damit das nicht so kommt, muss Borussia in ihrem Spiel tatsächlich einige Hebel gleichzeitig umlegen. Das Fehlen der fitten Leistungsträger Plea, Thuram, Embolo, Zakaria und wahrscheinlich auch Lazaro kann die Mannschaft noch nicht kompensieren. Die Wucht in der Offensive fehlt, die leider ein wesentliches Merkmal des Rose-Fußballs ist. In den letzten Rückrundenspielen der abgelaufenen Saison wurden signifikante Ausfälle durch eine nicht möglich gehaltene Leistungsexplosion von Jonas Hofmann oder Florian Neuhaus aufgefangen. Da gerade Letztgenannter im Verbund mit Christoph Kramer im Heimspiel gegen Union Berlin eine seiner schlechtesten Leistungen im Gladbacher Trikot abgerufen hat, reicht es dann eben auch nicht mehr gegen einen Aufsteiger des Vorjahres. Die Liga ist zu ausgeglichen, als dass 50% des möglichen Leistungsvermögens ausreichten. In Dortmund oder München werden sie dies nach dem 2. Spieltag bestätigen.

Doch das sind alles Luxusprobleme beim kommenden Gegner, unseren Freunden aus der Domstadt. Der FC wartet seit zwölf Bundesligaspielen auf einen Sieg und steht auch in der laufenden Saison dort, wo er sich naturgemäß am wohlsten fühlt: im Tabellenkeller. Ein 2:3 im Auftakt gegen Hoffenheim folgte ein 0:1 beim Aufsteiger aus Bielefeld. Trainer Markus Gisdol hatte den Klub erst im November 2019 von Achim Beierlorzer übernommen (der, der inzwischen auch in Mainz gehen musste), als der FC abgeschlagen im, richtig, Tabellenkeller stand. Ein starkes Zwischenhoch von sieben Siegen in neun Spielen im Winter genügte dann, um den Abstieg zu vermeiden und damit unserer Borussia auch für die Spielzeit 2020/21 sechs Punkte zu garantieren. Dafür vielen Dank, Markus Gisdol.

Die Corona-Pause hat auch die Kölner finanziell getroffen, große Transfers waren in der Sommerpause nicht möglich. Der prominenteste Zugang ist Sebastian Andersson, der von Union Berlin an den Rhein gewechselt ist und für die Berliner zumindest zwölf Saisontreffer erzielen konnte. Andersson hat ohne Zweifel gehobenes Bundesligaformat. Dafür musste der FC im Gegenzug seinen besten Stürmer der vergangenen Saison, John Córdoba, ziehen lassen, der den umgekehrten Weg vom Rhein an die Spree ging, allerdings zur Windhorst-gepamperten Hertha aus Charlottenburg. Ohne die Tore Córdobas, der neun seiner 13 Saisontore in der Rückrunde schoss, wäre es für die Kölner wahrscheinlich eng geworden mit dem Klassenverbleib.

Insgesamt strahlt der Kader nicht viel Angsteinflößendes aus. Torwart Timo Horn ist seit einigen Jahren kein sicherer Rückhalt mehr, aber offenbar immer noch stärker eingeschätzt als Ron-Robert Zieler, der nach Köln gewechselt ist. Kapitän Jonas Hector spielt inzwischen auf der Sechser-Position, konnte aber nicht mehr an seine Leistungen anknüpfen, die ihn einst als linken Verteidiger zum Nationalspieler machten. Sein Einsatz ist aufgrund von Nackenproblemen ohnehin fraglich. In der Abwehr sollten Rafael Czichos und Sebastiaan Bornauw auflaufen, beides solide Innenverteidiger, die jedoch einem Stürmer im Format Pleas oder Embolos keine Angst machen sollten. Auch sollte Marcus Thuram auf dem linken Flügel mit einem Marco Höger einen machbaren, direkten Gegenspieler erhalten.

Spielmacher Ondrej Duda hat an guten Tagen (und im Trikot der Hertha) auch Borussia schon wehgetan, Potenzial hat der technisch beschlagene Slowake ohne Zweifel, gilt allerdings als sehr launisch. Dennoch gilt es für Borussia aufzupassen, die Zentrale um Duda, in Teilen Drexler und Mittelstürmer Andersson zu kontrollieren. Wenn das gelingt, sollte der Qualitätsunterschied zwischen beiden Teams zu groß sein und ein weiterer Derbysieg in der Statistik auftauchen.

Mögliche Aufstellung:

Borussia: Sommer - Lainer, Ginter, Elvedi, Bensebaini - Kramer, Neuhaus, Stindl - Plea, Thuram

1.FC Köln: Horn - Höger, Bornauw, Czichos, J. Horn - Skhiri, Hector - Limnios, Duda, Drexler - Andersson

SEITENWAHL-Prognose:

Christian Spoo: Der Motor stottert weiter. Für Köln reicht es aber trotzdem. 1:0.

Claus-Dieter Mayer: Weder Fisch noch Fleisch. Eine vegetarische Borussia ergattert am Ende ein 1:1 beim Erzfeind.

Thomas Häcki: Kein gutes Spiel. Nach dem 0:0 ist der Fehlstart perfekt. Die Borussia ist um Ruhe bemüht.

Michael Heinen: Wo könnte ein Knoten besser platzen als in Köln? Borussia gewinnt mit 5:1 und zerstört damit jegliche Gedanken an einen Fehlstart.

Uwe Pirl: Wenn man so die leeren Stadien und die damit verbundene Stimmung betrachtet, kann man sich fast die Irren in den Maleranzügen zurückwünschen ... Nein, so groß ist die Not nun auch nicht und Borussia lässt in Köln nichts anbrennen (außer der Bahnhofskapelle) - damit gar keine Serie erst aufkommt, machen wir es abwechslungsreich. Auf Niederlage und Unentschieden folgt Sieg: Borussia gewinnt 2:0 und hat die Lage jederzeit im Griff. Derbystimmung kommt da gar nicht erst auf ....

Mike Lukanz: Was für ein schönes Wochenende! Borussia freut sich auf Real Madrid und Inter Mailand in der Champions League und besiegt den alten Rivalen standesgemäß mit 3:1. Die Saison kann losgehen.