Jetzt geht die Saison erst richtig los, so ist die Haltung vieler Borussia-Fans vor dem ersten Heimspiel. Die obligatorische Niederlage in Dortmund hatten sie schon eingepreist. Dass es erneut nicht einfach nur eine simple Niederlage war, sondern eine mit mindestens diskutablen Schiedsrichter-/VAR-Entscheidungen und dass das Ergebnis die im Großen und Ganzen ordentliche Leistung nicht widerspiegelt, entspricht leider fast schon den Erwartungen. Gegen Union Berlin am Samstag wird das alles keine Rolle mehr spielen. Bei einem Sieg im partiell entgeisterten Borussia-Park, spricht niemand mehr über Dortmund.

Wenn man Borussia einen Vorwurf machen bzw. ein Problem ausmachen kann, ist das die mangelnde Durchschlagskraft im Angriff. Angesichts der Verletzungsthematik muss das im Hinblick auf den weiteren Saisonverlauf nicht viel heißen, für das nächste Spiel möglicherweise aber schon. Dass Marcus Thuram und vor allem Alassane Plea noch nicht wieder die Alten sind, war in der zweiten Halbzeit, als Marco Rose mit der Einwechslung der Franzosen das Spiel noch zu drehen hoffte, recht deutlich zu sehen. Breel Embolo ist ohnehin noch kein Kandidat für den Kader, auch wenn er gesundheitlich Fortschritte macht. Den Versuch mit zwei falschen Stürmern – Stindl und Wolf – zu wiederholen, drängt sich nicht auf. Möglichweise ist Thuram schon weiter als am vergangenen Wochenende, außerdem spricht einiges für den Einsatz des auch in Dortmund vielfach in der Sturmspitze erwarteten Patrick Herrmann. Auch die Defensive dürfte mit der Rückkehr zur Viererkette anders formiert sein. Opfer dieser Umstellung wird Oscar Wendt, der sich voraussichtlich trotz ordentlicher Leistung in der Dreier-/Fünferordnung auf der Bank wiederfinden wird.

Wenn in den vergangenen Wochen über Union Berlin gesprochen wurde, gab es zwei Themen: Max Kruse und die Rückkehr der Zuschauer. Was die Rückkehr des Publikums angeht, zeigt sich Berlins Präsident Zingler als Bundesliga-Variante von Querdenken 711. Seit dem Sommer kämpft er öffentlich für Spiele vor vollem Haus, ohne Abstand und Maske. Seine Ideen kamen meist unausgegoren bis realitätsfremd daher. Erreicht hat er damit bis dato wenig. 4000 Menschen durften die 1:3-Heimniederlage gegen den FC Augsburg im Stadion erleben. Zingler drängt aber weiter auf Experimente in der Alten Försterei. Im Borussia-Park sind wegen des deutlich größeren Stadions auch deutlich mehr Fans erlaubt. 10.804 Zuschauer dürften die Partie gegen Union sehen, dass der Vorverkauf vergleichsweise schleppend lief, hat bundesweit für hochgezogene Augenbrauen gesorgt. Dass Zögern der Borussia-Fans spricht dabei vermutlich weniger für schwindenden Enthusiasmus aLS für eine vernunftgeprägt Anhängerschaft. Ob die Karten am Ende alle weggehen, ist Stand Freitagmorgen noch offen – ist aber am Ende auch egal.

Auch für Union Berlin hat die Saison nicht wunschgemäß begonnen. Das Überraschungsteam der vergangenen Saison unterlag auf eigenem Platz dem Überraschungsteam jeder Saison. Die im Grunde fast jedes Jahr als potenzieller Absteiger gehandelten Augsburger konterten die optisch überlegenen Gastgeber aus. Auch Union zeigte sich dabei durchschlagsschwach. Mehr Effizienz erwarten sich die Berliner von ihrem Stareinkauf Max Kruse. Der Spieler der Kategorie Wandervogel ist für viele überraschend an der Alten Försterei gelandet. Gegen Augsburg wurde der Ex-Gladbacher erst in der Schlussphase eingewechselt. Auch am Samstag wird er nach Aussage seines Trainers Urs Fischer noch nicht in der Startelf stehen. Kruse sei nach einer Sprunggelenksverletzung noch nicht so weit. Dagegen dürfte der zweite Top-Neuzugang von Beginn an dabei sein. Union hatte den Nigerianer Taiwo Awoniyi erst am vergangenen Wochenende vom FC Liverpool ausgeliehen. Die Bundesliga ist für den früheren Mainzer kein Neuland, und Fischer ist von seiner Form und seine Anpassung an das Berliner Spiel nach eigener Aussage überzeugt. Anthony Ujah dagegen fehlt weiter verletzt.

Ihr Heil im Angriff zu suchen wird aber unabhängig von der Besetzung der erste Reihe nicht die Herangehensweise der Berliner sein. „Eklig sein, defensiv spielen und dann Nadelstiche setzen“, so beschrieb der frühere Sportdirektor Christian Beeck das Union-Spiel bei nominell stärkeren Gegnern. In der Hecking-Zeit müsste den Borussen-Fans angesichts dieser Erwartung Angst und Bange werden, gerade gegen solche Teams tat man sich seinerzeit oft schwer. Unter Marco Rose haben die Borussen in der vergangenen Spielzeit aber gezeigt, dass sie sich zu wehren gelernt haben und ihre fußballerischen Vorteile auch gegen Gegner auf den Platz bringen können, die kratzen und beißen.

Mögliche Aufstellung

Borussia: Sommer – Lainer, Elvedi, Ginter, Bensebaini – Kramer, Neuhaus – Herrmann, Hofmann – Stindl, Thuram

Berlin: Luthe – Friedrich, Knoche, Schlotterbeck – Trimmel, Andrich, Prömel, Lenz – Invartsen, Bülter – Awoniyi.

SEITENWAHL-Prognose

Christian Spoo: Nach dem erwarteten Tiefschlag gegen Brych, Köln und Dortmund gilt es, die eigenen Ansprüche zu untermauern. Gegen Union Berlin gelingt das mit einem ungefährdeten 4:2-Sieg.

Claus-Dieter Mayer: Noch läuft nicht alles rund, aber beim 3:1 Sieg gegen Union deutet der VFL an, dass er auch dieses Jahr wieder zu den Anwärtern auf einen Champions-League-Platz zu zählen ist.

Mike Lukanz: 0:0 (Anmerkung der Redaktion: Eine Begründung für diesen ausgesprochen nüchternen Tipp blieb Mike leider auch uns schuldig)

Uwe Pirl: Gladbach findet langsam in die Saison. Das 2:0 gegen Union wird ein Arbeitssieg. Passt.

Thomas Häcki: Die gute Nachricht: Es sind endlich wieder Zuschauer im Stadion. Und diese werden auch mit einem schnörkellosen 3:0 Heimsieg belohnt. Es geht wieder voran.

Michael Heinen: Borussia wird eine Weile brauchen, um die eisernen Gäste zu knacken. Am Ende langt es aber zu einem 2:0-Heimsieg.