bayern_neu.jpgEs ist noch nichts verloren, Borussia steht auf einem Champions-League-Platz und es sind noch vier Spiele zu bestreiten. Trotzdem hat sich im Borussia-Park und bei den Anhängern eine gewisse Ernüchterung breit gemacht und trotz der prima vista guten Ausgangssituation scheint sich die Mehrheit schon damit abgefunden zu haben, dass es auch in dieser Saison wieder „nur“ zum Einzug in die Euro-League reichen wird. Schon jetzt rühmt Max Eberl – noch wohltrainiert von derselben Situation vor einem Jahr – Platz fünf als großartiges Resultat. Man weiß halt immer noch, wo man irgendwann mal hergekommen ist. Der schwache Auftritt in Bremen und die unglücklich-dumme Niederlage von Freiburg haben ihre Spuren hinterlassen. Dazu kommt eine Aufgabe am Samstag Abend, die kaum erfolgreich zu bewältigen scheint. 

Mutig und aufmerksam soll die Mannschaft das das Spiel bei Bayern München angehen, sagt Trainer Marco Rose. Dass sein Team krasser Außenseiter ist, weiß der Trainer natürlich nur zu gut. Die wöchentliche Pressekonferenz vor dem Spiel war in dieser Woche aus anderen Gründen weniger eintönig als sonst. Zum einen nahm Marco Rose noch einmal deutlich Stellung zum Platzverweis für Alassane Plea in Freiburg und dem ähnlich gelagerten desselben Spielers vom Spiel bei RB Leipzig. Borussenuntypisch und erfreulich klar gab sich der Trainer nicht diplomatischen Floskeln hin oder entschuldigte das Unverständnis, das die gelb-rote Karte während des Spiels hervorgerufen hatte, nachträglich mit fehlgeleiteten Emotionen. Nein: Die jeweils zweiten gelben Karten gegen Plea sind und bleiben in den Augen des Trainers ungerecht. In so mancher Diskussion nach dem Freiburg-Spiel wurde gefragt, – sicher auch vor dem Hintergrund des neben Corona im Moment dominierenden Nachrichtenthemas – ob Plea die Karten auch gesehen hätte, wenn er eine weiße Hautfarbe hätte. Auch innerhalb der Seitenwahl-Redaktion wurde das diskutiert. Einhellige Meinung dazu: Unterbewusst wird die Hautfarbe bei der Beurteilung von Situationen durch Schiedsrichter gelegentlich eine Rolle spielen. Bewussten, gar belegbaren, aktiven Rassismus in diesem Fall halten wir für mindestens unwahrscheinlich. Haltlos ist eine solche Diskussion nicht, zu einem befriedigenden Ende wird man sie allerdings nicht führen können. 

Bei Borussia hat dieses Fass bisher niemand aufgemacht, das Thema Rassismus war aber in der Pressekonferenz ebenfalls präsent. Nach dem Solidaritäts-Kniefall von Marcus Thuram im Spiel gegen Union Berlin hatte es nicht nur freundliche Reaktionen gegeben. Auf das gemeinsame Anti-Rassismus-Video, das Borussia mit dem 1.FC Köln, Borussia Dortmund und Schalke 04 veröffentlicht hatte, gab es neben viel Beifall auch negatives Feedback in den sozialen Medien. Sportdirektor Max Eberl gab darauf eine klare Antwort. Nicht nur distanzierte er sich in aller Deutlichkeit von diesen Fans, er gab ihnen auch zu verstehen, dass Borussia auf den Support von Menschen dieser Geisteshaltung verzichte. Klare Worte – und doch bleibt ein etwas merkwürdiger Beigeschmack: Wo fängt Rassismus an? Wer entscheidet, was als rassistisch gilt und was nicht? Wir tun es nicht. Erinnern an dieser Stelle aber trotzdem an Eberls wachsweiche Haltung in der Affäre Tönnies. 

Der Gegner aus München klagt über die Mehrfachbelastung. Angesichts der langen Pause und schwierigen Rahmenbedingungen fühlen die Bayern sich durch das Pokal-Halbfinale vom Mittwoch Abend über Gebühr beansprucht. Das Spiel gegen Eintracht Frankfurt war gegen Ende spannend, dafür dass die Bayern eine äußerst souveräne erste Halbzeit gespielt hatten und die 1:0-Pausenführung für den Gegner durchaus schmeichelhaft war. Borussia kann aus dieser Partie lernen, dass eine abwartende Herangehensweise gegen den Rekordmeister nicht erfolgversprechend ist. Frankfurt konnte das Spiel, nach der Aufgabe der eher vorsichtigen Ausrichtung eine Weile durchaus offen gestalten und kam zum Ausgleich. Mehr aber war nicht drin und die Bayern machten den Eindruck, nur das nötigste für das Weiterkommen zu investieren – nach dem Ausgleich nochmal kurz einen Gang rauf, wieder in Führung gegangen und das 2:1 dann doch relativ unangestrengt über die Bühne gebracht. 

Borussia sollte ihr Heil im Angriff suchen. Nicht blind nach vorne, aber doch aggressiv spielen und sich möglichst nicht einschnüren lassen. So ähnlich war die Marschroute auch vor dem ersten Aufeinandertreffen in dieser Saison – und es lief völlig anders. Wir erinnern uns ungern, wie sehr die Bayern im Borussia-Park das Spiel dominierten und sich die Gastgeber nur zurechtzulegen schienen. Borussia war chancenlos – und siegreich. Nach dem 1:0 machten die Bayern mental schon Schluss, mit den bekannten Folgen: Bensebaini, Bensebaini, Kollektivrausch. Bayern hatte vergessen, zeitig die Tore zu schießen. Ob es wirklich einen nennenswerten Vorteil für Borussia darstellt, dass am Samstag mit Robert Lewandowski der Mann gesperrt ist, der für ein Drittel der 90 Bayern-Tore verantwortlich ist, wird man sehen. Möglicherweise ist auch der zweitbeste Torschütze, Serge Gnabry, 12 Treffer, noch nicht fit. Der drittbeste, Coutinho, ist weiter verletzt. Und Torschütze Nummer vier, Thomas Müller, sitzt ebenfalls eine Gelbsperre ab. Vermutlich fällt das alles aber nicht sonderlich ins Gewicht. Dann trifft eben Joshua Zirkzee, Ivan Perisic oder wen auch immer Hansi Flick auf den Platz schickt. Vielleicht ja auch Michael Cuisance, der das Frankfurt-Spiel allerdings wegen Magen-Darm verpasste. Sich von Ex-Spielern einen einschenken zu lassen, ist in Gladbach ja fast schon Tradition. Wie auch immer: Die Bayern sind trotz Schwächephase zum Saisonbeginn (es gab ja – die Älteren mögen sich erinnern – viele Wochen lang einen Tabellenführer, der nicht Bayern München hieß) in dieser Saison erneut eine Klasse für sich und können die gefühlt 278. (faktisch 30.) Meisterschaft im für sie günstigsten Fall mit einem Sieg gegen Borussia schon an diesem Wochenende klar machen. 

Borussia muss gegen die Bayern nicht nur auf den gesperrten Plea verzichten. Auch Denis Zakaria ist noch nicht wieder fit und wird das in dieser Saison auch nicht mehr werden. Vermutlich wird der Schweizer nicht mehr für Borussia auflaufen. Der Beraterwechsel kurz vor Saisonende spricht eine deutliche Sprache: Zakaria wird sich verändern wollen und Borussia wird das trotz aller Bekenntnisse und Eberlfloskeln nicht verhindern können und je nachdem, was dabei für den Verein finanziell herausspringt auch nicht verhindern wollen. So bleibt der besten Saison von Zakaria im Gladbacher Trikot die Krönung verwehrt, er kann nicht mehr eingreifen und Borussia wird aller Voraussicht nach die Champions-League verpassen, die sie womöglich mit einem gesunden Denis Zakaria erreicht hätte und deren Erreichen die Chance auf einen Verbleib des Spielers erhöht hätte. Auch die schon als Abgänge für den Sommer feststehenden Strobl und Johnson fehlen weiter verletzt. Dafür ist Breel Embolo wieder einsatzfähig – ob als Joker oder sogar für die Startelf lässt Marco Rose offen. Das gilt auch für die Frage, ob er die gegen Freiburg erstmals ausprobierte Doppelsechs der eher offensiv orientierten Hofmann und Neuhaus auch gegen Bayern ranlässt oder mit Kramer einen etwas defensiver orientierten Spieler aufbietet. Wahrscheinlich ist, dass Neuhaus oder Hofmann angesichts des Plea-Ausfalls weiter nach vorne rücken und dass Marcus Thuram als einzige echte Spitze auflaufen wird. 

Mögliche Aufstellung

Bayern: Neuer – Pavard, Boateng, Alaba, Davies – Kimmich, Goretzka – Thiago – Coman, Pesisic – Zirkzee

Borussia: Sommer – Lainer, Elvedi, Ginter, Bensebaini – Kramer, Neuhaus – Embolo, Stindl Hofmann – Thuram

SEITENWAHL-Prognose

Christian Spoo: Nichts zu holen bei überlegenen Münchnern. Die Frage ist, ob sie sich diesmal daran erinnern, rechtzeitig genug Tore zu schießen. Meine Prognose: Bayern führt schon zur Halbzeit mit 3:0 und so geht das Spiel dann auch aus. 

Michael Heinen: Die Überraschung bleibt aus. Der FC Bayern verliert 0:1 gegen Borussia.

Mike Lukanz: Das Freiburg-Spiel hat mich so desillusioniert, dass ich mit Blick aufs Spiel in München tatsächlich arg schwarzmalen muss. Zu mehr als einem glanzlosen 1:0-Auswärtssieg wird es dieses Mal nicht reichen.

Thomas Häcki: Ich kann mich nicht erinnern, dass mich ein Spiel gegen Bayern so wenig interessiert hat. 0:3, na und? Platz 5 wird erreicht, mehr ist nicht möglich.

Claus-Dieter Mayer: In diesem Kalenderjahr hat mich noch kein Spiel gegen Bayern so elektrisiert wie dieses.  2:1-Auswärtssieg. Und, was? Der dritte Platz winkt!