augsburg neuWhy did you tell me all your secrets when it was hard enough to love you knowing nothing? fragte dereinst der wortgewandte britische Songwriter Lloyd Cole in seinem Song Four Flights Up eine (imaginäre) junge Dame, ob ihrer seltsamen Flirtstrategie. Man kann vermuten, dass Max Eberl weniger naiv zu Werke ging als er im Vorjahr mit Marco Rose anbandelte. Er mag ihm vom Mythos Gladbach erzählt haben, von heißen Europapokalabenden im Borussia-Park, dem leicht rostigen aber immer noch hübschen Blech in der Vitrine, großen Schlachten gegen die Bayern wie sie in Deutschland nur eine Mannschaft liefern kann usw. Von Auswärtsfahrten nach Augsburg wird er (hoffentlich) nichts gesagt haben. Die würden früh genug kommen, warum die gute Laune verderben?
Wie die Pressekonferenz am Donnerstag bestätigte, wurde Marco Rose daher erst vor kurzem informiert. Über Augsburg, über den Fluch, dem keiner seiner 3 Vorgänger entkommen konnte. Der Fluch, der selbst für Spieler wie Reus, Arango, Xhaka, Marx, Raffael, Stindl oder Plea zu groß war. Den Grund, warum eine Generation von Borussia-Kindern von ihren Eltern zusammengebrüllt werden wenn das Lied von der Insel mit zwei Bergen aus dem Kinderzimmer ertönt. Und Borussias neuer Übungsleiter wird sich vermutlich verwirrt am Kopf kratzen. Hat man diesen FCA nicht im Hinspiel mit 5:1 in seine Einzelteile zerlegt? Spielt da nicht der Vierte beim Zwölften?
Die Antworten sind ja und ja, aber es bleibt Augsburg. Vor der Saison wurden die Fuggerstädter von so vielen Experten als Geheimfavorit auf den Abstieg gehandelt, dass da nicht geheimes mehr von übrig blieb. Zu chaotisch war die Vorsaison gewesen, das unrühmliche Ende des Ex-Trainer Baums (den man nur zu gern mal nach seinem Verhältnis zu Martin Hinteregger befragen würde), die Verpflichtung des sympathischen aber für wenig Fußball stehenden Martin Schmidt, die katastrophale Vorstellung am letzten Spieltag in Wolfsburg, die Borussia beinahe noch den 5. Tabellenplatz gekostet hätte. Der Saisonbeginn schien diese düsteren Prognosen voll zu bestätigen. Nach 10 Spieltagen stand man mit nur 7 Punkten auf dem Relegationsplatz und war zu diesem Zeitpunkt unter anderem auch schon n Mönchengladbach mit 1:5 unter die Räder gekommen. Eine unerwartete Serie von 5 Siegen und einem Unentschieden spülte das Team jedoch plötzlich ins Mittelfeld der Tabelle. Der Talisman der Augsburger war dabei diesmal nicht so sehr der verletzungsgeplagte Isländer Finbogasson, sondern der im Sommer aus Freiburg gekommene Niederlechner, der mit bereits 11 Ligatreffern mehr Tore erzielt hat als jeder der vielgerühmten Gladbacher Stürmer. Der andere wichtige Leistungsträger in Augsburg ist Verteidiger Philipp Max. Im Sommer war der 26-jährige vielen in Augsburg eher zu wechselwillig erschienen (auch die Borussia war damals zeitweilig im Gespräch, fand diesen Querelen zu trotz im Laufe der Hinrunde wieder zur Bestform.
Der scheinbar komfortable zwölfte Tabellenplatz des FCA mit 7 Punkten Vorsprung auf den Relegationsplatz ist allerdings etwas trügerisch: von den letzten 7 Spielen konnte man nur eines gewinnen und das gegen Bremen, was dieser Tage irgendwie nicht so richtig zählt. Nach dem Heimspiel gegen Gladbach geht es direkt zu den Bayern, sodass es gut möglich ist, doch noch einmal in den Abstiegskampf hineinzuschliddern. Insofern ist dies aus Augsburger Sicht ein absolutes Schlüsselspiel, denn mit einem Sieg gegen einen der Lieblingsgegner könnte man einen vorentscheidenden Schritt zum Klassenerhalt machen.
Nicht weniger wichtig ist die Partie für die Borussia. Nach 8 Heimsiegen verschenkte man in der Vorwoche das erste Mal nach längerer Zeit wieder Punkte auf dem eigenen Platz und das angesichts eines verschossenen Elfers, eines vom VAR zurückgenommenen Tores und des sehr späten Gegentors auf zwar nicht unverdiente aber sehr ärgerliche Art und Weise. Angesichts der guten Leverkusener Form der letzten Wochen droht im Moment das Vorjahresszenario, dass man trotz hervorragender Hinrunde am Ende nur auf dem fünften Platz landet. Und da gehts es dann ausgerechnet nach Augsburg. Warum Borussia dort in 8 Anläufen in der Bundesliga noch nie gewinnen konnte (nur in Liga 2 gab es 2008 mal einen 2:0-Sieg), bleibt ein Rätsel. Die lange Anfahrt mag ein Grund sein, ein latentes Unterschätzen des Gegners vermutlich auch, die unangenehme Spielweise der bayrischen Schwaben kommt hinzu. Wie auch immer, es ist höchste Zeit diese Serie zu beenden. Vor allem da es keine Ausreden jedweder Art für die Fohlenelf gibt: Man hatte keine Europapokalverpflichtungen unter der Woche, bis auf eine Erkältung Fabian Johnsons gibt es keinerlei Einschränkungen was die Aufstellung angeht, Marco Rose hat die volle Klaviatur zur Verfügung, fragt sich nur was/wie er spielen lässt. Offensiv waren zuletzt Breel Embolo und Patrick Herrmann etwas hinten dran, unklar ob der Gladbacher Trainer einen der beiden mal wieder eine Startelf-Chance gibt. Für Herrmann spräche seine Geschwindigkeit, für Embolo vor allem seine physische Präsenz, ein Aspekt der in den letzten Jahren oft eher ein Plus für die Augsburger war. Eine Rückkehr Ramy Bensebaini auf die linke Außenverteidigerposition ist ebenfalls denkbar.
Der wichtigste Ausfall auf Augsburger Seite ist Kapitän und Vereinslegende Daniel Baier, der wegen einer Gelbsperre fehlt, wohingegen Außenverteidiger Liechtensteiner wohl wieder zur Verfügung steht. Für den VFL gilt es sich weder vom Augsburg-Fluch noch dem Hoffenheimspiel mit all den Diskussionen darum ablenken zu lassen. Die letzten beiden Auftritte auf fremden Platz waren zumindest eine Halbzeit lang sehr überzeugend; wenn man daran anknüpfen kann, braucht man sich weder vor der Wilden 13 noch vorm FC Ausgburg zu fürchten.


Seitenwahl-Prognosen:

Claus-Dieter Mayer: Wie immer werden wir fluchen; gegen den VAR, die ruppige Spielweise des Gegners, zwei Pfostenschüsse, aber es nützt nichts: am Ende siegt der FCA irgendwie mit 2:1.

Christian Spoo: Dem mäßig inspirierten Auftritt gegen Hoffenheim folgt ein weiterer in Augsburg. Und auch das Resultat ist das gleiche, weil Borussia vor dem gegnerischen Tor nicht effizient ist.

Thomas Häcki: In Augsburg gibt es traditionell nichts zu holen. Borussia ist unberechenbar. Um diesen Wiederspruch aufzulösen bedarf es einem 2:1 Auswärtssieg

Mike Lukanz: Puh, Augsburg. Irgendwann muss ja jede Serie mal reißen. Aber nicht dieses Mal. Der FCA wird Borussia den Schneid abkaufen, dank der höheren individuellen Qualität reicht es dann noch zu einem 1:1, das leider vorerst den CL-Platz kosten wird.

Michael Heinen: In Augsburg tut sich Borussia immer schwer. Das galt aber für Düsseldorf genauso. Borussia gewinnt daher sein erstes Erstligaspiel in der Puppenspielerstadt mit 2:1.