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Es war ein Wochenende zum Vergessen für Borussia. Nach einer enttäuschenden wie verdienten Niederlage beim Rückrundenauftakt auf Schalke und den zeitgleichen Siegen der Konkurrenz aus Dortmund, Freiburg und Leipzig ist der Frust groß am Niederrhein. Dabei war das 0:2 auch eigenen taktischer Fehlern geschuldet. Und weil einzelne Spieler offenbar ins System passen sollen, die leider nicht immer passen. Es wird Zeit, dass trotz des Champions-League-Rangs Fragen gestellt werden dürfen.

Inzwischen haben die Interviews vor den Spielen von Borussia durchaus Züge aus dem bekannten Streifen „Und täglich grüßt das Murmeltier“. Fast im Wochenrhythmus und mit nur wenigen Ausnahmen heißt es, der Gegner habe „eine ähnliche Spielanlage“ wie das eigene Team, man erwarte „ein hohes Anlaufen“ und „tiefes Pressing“, gegen das man, natürlich, „Lösungen finden“ müsse.

Nun ist es Marco Rose nicht unbedingt vorzuwerfen, dass ein Großteil der Liga (und auch Europas) diesem offensichtlichen Trend folgt. Nach dem inzwischen vierten enttäuschenden Auswärtsspiel nacheinander sollten jedoch Fragen erlaubt sein. Erstens, wenn die Gegner so oft das gleiche System spielen wie die eigene Mannschaft, warum finden die Spieler dann ebenso selten ein Gegenmittel? Und zweitens, warum machen es die anderen Teams dann so oft so viel besser? Und drittens, mit Blick auf den vergangenen Freitagabend, warum wurden sowohl der Gegner als auch das eigene System taktisch so falsch eingeschätzt respektive zu spät korrigiert? Und all das nach einer gerade beendeten und offenbar von allen Beteiligten als positiv erachteten Vorbereitung?

Die Niederlage gegen Schalke war ohne Frage hochverdient. Und wieder einmal wurde Borussia von einem Gegner nicht her- oder auseinandergespielt, sondern vielmehr niedergekämpft, was im Grunde noch frustrierender ist. Schalke war nahezu im gesamten Spiel kompakter, handlungsschneller, giftiger. Wenn der Dreiersturm aus Embolo, Thuram und Plea mal etwas Platz hatte, sah es durchaus auch mal gefällig aus und Torabschlüsse kamen zustande. Die Lücken und Schwächen im Mittelfeld waren jedoch zu eklatant, so dass sowohl der Gegner zu viel Platz bekam als auch die eigenen Angreifer zu wenig Unterstützung.

Ja, die kurzfristigen Ausfälle von Elvedi und Bensebaini taten weh, dazu hatte Stefan Lainer seinen wohl bisher schwächsten Auftritt im Gladbacher Trikot, was ihm nach einer außerordentlich guten Hinrunde auch zugestanden werden muss. Auch ist ein Lars Stindl nach seiner langen Verletzung nicht in der alten Form, die in zum Nationalspieler gemacht hat. Viel gravierender und einer näheren Betrachtung würdig waren jedoch die Personalien Jonas Hofmann und Breel Embolo.

An Hofmann scheiden sich weiter die Geister. Er ist einer dieser Spielertypen „Trainerliebling“, warum und ob er so viel wertvoller für die Startelf ist als Lászlo Benes oder Lars Stindl, ist oft nicht nachzuvollziehen. Hofmann läuft viel, er hat viele Ballaktionen, aber er ist eher ein braver Verbindungsspieler, aber weder Spielmacher noch Stabilisator. Weder er noch das Trainerteam erkannten, dass Denis Zakaria im defensiven Mittelfeld oft völlig alleine war, die Lücken zwischen Zakaria und Embolo (zu ihm kommen wir noch) waren groß. Hofmann war überall, nur oft nicht da, wo er hätte sein müssen, zudem geht ihm die Robustheit in den Zweikämpfen ab, die ein Zakaria hat und Christoph Kramer auch gehabt hätte. Patrick Herrmann bleibt oft stur auf der rechten Außenbahn. So agierte Borussia am Freitagabend mit nahezu vier Stürmern in vorderster Reihe, einem überforderten defensiven Mittelfeldspieler und einem Hofmann, der seine Rolle nie fand und beide Gegentore maßgeblich mit verschuldete, weil er entweder gar nicht da war (vor dem 0:1) oder den entscheidenden Zweikampf verlor (vor dem 0:2). Dass die Taktik nicht aufging, ist das Eine. Dass hier nicht viel früher korrigiert wurde, bleibt unverständlich. 

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Und dann Embolo. Der Schweizer Nationalspieler war an alter Wirkungsstätte motiviert, das war deutlich zu erkennen. Oft fehlten seinen Aktionen jedoch die letzten Details, der erste gute Kontakt am Ball, die letzte Konsequenz. Er hat ohne Frage in dieser Saison bereits gezeigt, welche Wucht und Qualität er dem Spiel Borussias verleihen kann. Dennoch bleibt beim Beobachter das Gefühl, dass der Preis, den die Mannschaft für das Quiz „Wohin mit Embolo?“ bezahlen muss, oft zu hoch ist.

Womit wir wieder zu Marco Rose kommen. Der Trainer, das ist offensichtlich, schätzt den Spielertypen Embolo aufgrund seiner Physis und Laufstärke mehr als die Raffaels oder Benes´dieser Welt. Und dennoch: Die Unwucht, die dadurch entsteht, ist augenscheinlich. Rose wirkt bisweilen wie ein Koch, der gerne scharfes Essen zubereitet, dann aber stets alle ihm zur Verfügung stehenden Gewürze benutzt, statt subtiler oder nuancierter zu würzen.

Gladbach fehlt bei aller Wucht oft das spielerische Element. Ein Element, das alle anderen Mannschaften, mit denen die Fohlen derzeit konkurrieren, aber auf den Platz bringen. Ob Forsberg (Leipzig), Thiago/Coutinho (Bayern), Reus/Hazard (Dortmund), Havertz (Leverkusen) oder Harit (Schalke), es gibt immer mindestens einen Spieler der Kategorie „Techniker“, einen, der aus dem offensiven Mittelfeld heraus Gefährlichkeit ausstrahlt oder die Stürmer in Szene setzen kann und damit eben genau das Element einbringt, um die kämpferisch starken, aber am Ende biederen Mannschaften von Union Berlin, Hertha BSC oder auch Schalke 04 zu knacken. Nicht umsonst nannte Rose selbst den Transfer seines ehemaligen Schützlings Erling Haaland zum BVB das „fehlende Puzzlestück“, da die Schwarz-Gelben wiederum zu viel Technik und zu wenig Wucht im Angriff aufboten, diesen Mangel aber erkannten und offenbar erfolgreich beheben konnten.

Im eingangs genannten Film wird Hauptstarsteller Bill Murray übrigens erst dann von seinen Leiden in der Zeitschleife erlöst, als er beginnt, sein bis dahin stures Handeln zu überdenken.

Ein guter Film.

Die Sicht der anderen SEITENWAHL-Redakteure 

Christian Spoo: Den Schuh, sich vercoacht zu haben, muss Marco Rose sich anziehen. Ist der Gedankengang hinter der Auf- und Einstellung des Teams noch nachvollziehbar, sind Zeitpunkt und Form der Korrektur doch diskutabel. Zakaria nach der Halbzeit keinen kampfstarken zweiten Sechser zur Seite gestellt zu haben und Embolo auf seiner Position belassen zu haben, ist zumindest rückblickend ein Versäumnis. Dass der Trainer nach dem Spiel betonte, er habe reagiert und auf Dreierkette umgestellt, war vor allem deswegen bemerkenswert, weil das keiner bemerkt hatte. Was auch einiges über den Auftritt von Borussia an diesem Freitag Abend sagt. Dass beide Außenverteidiger (oder was auch immer Lainers und Wendts Job nach der Pause gewesen sein mag) ihren Aufgaben in diesem Spiel nicht gewachsen waren, ist freilich nicht dem Trainer anzulasten. 

Claus-Dieter Mayer: Trainerentscheidungen, die nach hinten los gingen, individuelle Katasrophenleistungen und eine insgesamt nicht bissig und wach genug wirkende Mannschaftsleistung: das Spiel hatte alles was einen beschissenen Rückrundenauftakt so ausmacht. Die groβe Frage ist, ob das jetzt ein Einzelfall war oder symptomatisch für die nächste Zeit ist. Eine Diskrepanz zwischen Auswärts und Heim-Leistungen deutet sich auf jeden Fall an, d.h. Mainz = Pflichtsieg!