schalke neu

Die hohe Anzahl von Trainerwechseln war eines der diskutierten Themen zur Sommerpause. Nun mit einem halben Jahr Wissensvorsprung lassen sich die ersten Fazite ziehen. Aus den gegebenen Gründen ignorieren wir dabei die Personalie Julian Nagelsmann, der im Osten der Republik den üblichen RB-Cocktail aus brechreiz-erregender Widerwärtigkeit und hoher sportlicher Kompetenz zu neuen Ebenen von verachtenswertem Erfolg geführt hat. Der Rest hat sich ziemlich gleichförmig über die Liga verteilt: Die Herren Beierlorzer und Covic wurden nach unsanften Landungen im unteren Tabellen-Drittel  ihrer Ämter enthoben. Oliver Glasner und Alfred Schreuder würden die Fans ihrer jeweiligen Clubs noch im unklaren lassen, was sie nun von ihrem neuen Trainer zu halten haben, wenn, ja wenn diese Vereine denn irgendwelche Anhänger hätten. Die anderen beiden “Neuen” stehen sich nun zum Auftakt der Rückrunde am Freitagabend in Gelsenkirchen gegenüber und können jeweils auf eine sehr befriedigende Halbserie zurückblicken. Das Märchen von Marco Rose, der besten Hinrunde seit 43 Jahren und der wochenlangen Tabellenführung wurde an dieser Stelle schon ausführlich erzählt (die Nebenstory von der bösen Fee und den Pokalwettbewerben klammern wir mal aus), weshalb wir uns zunächst mal David Wagner widmen,  der auf Schalke vielleicht weniger spektakuläre aber auch sehr gute Arbeit geleistet hat.

Spannt man den Bogen etwas weiter mag ein fünfter Platz für den S04 völlig normal wirken, die Beurteilung ändert sich aber rasch, wenn man die Vorsaison zum Vergleich heranzieht. Es waren ja nicht nur Pech oder das Versagen Domenico Tedescos, die zum Absturz der Knappen im Vorjahr führten, sondern auch ein seltsam unausgewogener Kader, den Wagner –zumindest im Kern- übernehmen musste, da die Finanzlage nur punktuelle Verstärkungen erlaubte. Wie schnell der Ex-Huddersfielder es schaffte, einer Mannschaft, die Monate vorher bestenfalls bemüht auf dem Platz herumirrte und dem Abstiegskampf nahe war, wieder eine funktionierende Struktur zu verpassen, ist beeindruckend. Die “Klopp-Klone” hatten wir Rose und Wagner in unserem Vorbericht zum Hinspiel im August genannt und in der Tat hat der Liverpool-Coach einigen Einfluss auf beide Trainer gehabt. Aber selbst Zwillinge entwickeln sich oft unterschiedlich und während Roses Philosophie sehr offensiv ausgerichtet ist, interpretiert Wagner die Kloppsche Doktrin eher defensiv und schon beim Auftaktspiel im August bekam die Borussia zu spüren, dass dieses neue Schalke ein unangenehmer Gegner ist. Ein weiterer Verdienst Wagners ist es, Amine Harit – vermutlich der begabteste Kicker im momentanen Kader – wieder auf sein eigentliches Niveau zurückgehievt zu haben, was dem Kreativspiel der Gelsenkirchener enorm hilft, wie die 11 Scorerpunkte des Marrokaners beweisen. Zur zweiten Stütze im Schalker Offensivspiel avancierte in der Hinrunde Suat Serda, der bei 14 Einsätzen 6 Treffer erzielen konnte (in seinen 71 Bundesligaeinsätzen zuvor waren es nur 4!). Auch Benito Raman zeigte zuletzt ansteigende Form und konnte in den letzten 5 Hinrundenspielen 4 Tore erzielen. All das ist aber auch bitter nötig, angesichts der Tatsache, dass der eigentliche Mittelstürmer Guido Burgstaller seit geraumer Zeit den Beweis seiner Bundesligatauglichkeit schuldig bleibt und trotz 15 Einsätzen noch keinmal in dieser Saison treffen konnte, sicher auch ein Grund dafür, dass man in der Winterpause Michael Gregoritsch aus Augsburg auf Leihbasis holte.

In der Abwehr fehlt den Schalkern mit Stambouli und Sane verletzungsbedingt die komplette Stamm-Innenverteidigung, die aber bislang von Oczipka und dem jungen Kabak (teuerster Einkauf der Sommerpause) gut vertreten wird. Auch Michael Cuisances zukünftiger Nachbar auf der Bayern-Bank Alexander Nübel muss nach seiner roten Karte gegen Frankfurt am Freitag aussetzen und wird durch den U21-Nationalmannschafts-Torwart Markus Schubert vertreten werden.

Bei der Borussia hat sich im Winter traditionsgemäß wenig getan, außer dass durch die Leihen von Villalba, Poulsen und Beyer der Kader etwas gestutzt wurde. Überrascht hat dabei höchstens, dass Beyer, der ja durchaus schon zu Einsätzen unter Rose kam, sich vorübergehend dem HSV anschließt, was wohl auch daran liegt, dass der schon fast vergessene Fabian Johnson anscheinend im Trainingslager auf sich aufmerksam machen konnte und im Augenblick die Nr 1 als Backup für Stefan Lainer zu sein scheint. Ärgerlich ist der Ausfall Ramy Bensebainis, der auf dem besten Wege schien, Oscar Wendt endgültig von seinem Platz zu verdrängen, jetzt aber wegen einer Muskelverletzung wohl mehrere Wochen ausfällt.  Ansonsten kann Marco Rose aus dem Vollen schöpfen und hat auf Grund der fehlenden Mehrfachbelastung auch keinen Grund mehr zu rotieren, so dass es sehr interessant sein wird zu sehen was der Gladbacher Trainer denn nun eigentlich als seine “Erste Elf” sieht. Die Abwehr mit Denis Zakaria davor stellt sich ziemlich von selbst auf.  Im Sturm galt in der Hinrunde meist das “Zwei von Drei”-Prinzip was Thuram, Plea und Embolo anging, denkbar ist jedoch, dass man nun öfter alle drei zusammen spielen sehen wird. Sollte das auf Schalke der Fall sein, so blieben nur 2 Plätze im Mittelfeld für ein ziemlich großes Bewerberfeld frei. Stindl, Benes, Neuhaus, Hofmann, Hermann,…, ja wer denn nun? Und natürlich ist es nicht nur eine Personalfrage, sondern eng verbunden mit den taktischen Erwägungen. Werden wir in der Rückrunde häufiger die von Rose eigentlich bevorzugte Mittelfeldraute sehen? Wird es wie zum Teil in den Testpielen gesehen eine Veränderung zur Dreierkette in der Abwehr geben?

Viele Fragen bleiben also offen vor dem Rückrundenauftakt, aber gerade diese Vielseitigkeit und Unberechenbarkeit sind eine Stärke von Marco Rose und seinem Team und verhindern hoffentlich, dass der Rest der Liga die Borussia so durchschaut, wie es Dieter Heckings bis dahin so erfolgreicher Mannschaft vor einem Jahr erging.

Als im öffentlich-rechtlichem Fernsehen live übertragenes Eröffnungsspiel der Rückrunde erhält dieses Rhein vs Ruhr Duell natürlich besondere mediale Aufmerksamkeit und manch einer spricht schon von „Vorentscheidung“ was die Champions-League-Qualifikation angeht. Wie das Vorjahr gezeigt hat, wird am 18. Spieltag jedoch wenig vorentschieden. Damals konnte die Borussia mit einem 1:0 in Leverkusen den Vorsprung auf die Werkself auf 12 Punkte ausbauen, stand am Ende aber nur auf Platz 5 hinter Bayer. Auch dieses Jahr ist dies erstmal nur eines von 17 Spielen der Rückrunde und wichtiger als das Ergebnis selbst ist die Frage, ob die am Ende der Hinrunde müde und überspielt wirkende Borussia nach der kurzen Pause wieder zur Form des Herbstes zurückkehren kann. Gelingt dies, werden die Ergebnisse und Punkte sich unabhängig vom Ausgang des Schalke-Spiels schon von selbst einstellen.

Seitenwahl-Tipps:

Claus-Dieter Mayer: Ich erwarte ein intensives und nicht unbedingt schönes Spiel, an dessen Ende beide mit dem 1:1 gut leben können.

Christian Spoo:  Es wird enges Spiel zweier ambitionierter Teams. Spannend bleibt es bis zum Schluss. Schalke behält aber die Punkte dank des einzigen Tors des Abends.

Mike Lukanz: Das ist ähnlich schwer zu tippen wie zum Saisonauftakt. Deswegen winde ich mich ähnlich heraus und tippe auf ein erneutes 0:0, was für mich aber eher ein Omen für weitere 30+ Punkte in der Rückrunde sein soll.

Uwe Pirl: Mit Schalke und Gladbach treffen zwei Teams aufeinander, die in der Hinrunde die Erwartungen übertroffen haben. Gladbach noch mehr als Schalke. Aus beiden Lagern hört man Aussagen über eine gute Vorbereitung, aufgeladene Akkus und Vorfreude. Viel spricht für ein Unentschieden, dieses Mal aber kein torloses: 2:2

Michael Heinen: Zu Beginn der Rückrunde werden beide Teams nach der guten Hinserie selbstbewusst, aber auch mit Respekt vor dem Gegner in die Partie gehen und daher erst einmal nicht zu viel Risiko wagen. Es ergibt sich ein ausgeglichener Schlagabtausch, der mit einem 1:1 endet. 

Thomas Häcki: Keine Zeit zum Aufwärmen. Die Borussia wird direkt im Topspiel gefordert. Mit dem 0:0 können beide leben.