Werder BremenZugegeben: Die Überschrift ist nach einem ungefährdeten Sieg erklärungsbedürftig. Zumal nach einem, bei dem selbst der Gegner einräumte, dass man sich über drei oder vier weitere Gladbacher Treffern nicht hätte beschweren können. Also: „ratlos“? Nicht „Galavorstellung“, nicht „Fußballfest“ nicht „Befreiungsschlag“, nicht wenigstens „souveräner Heimsieg“?

Von all dem auch ein bisschen. Trotzdem: Ratlos waren nach dem Spiel nicht nur die Bremer, wenn auch die ganz besonders. Ein wenig ratlos ist man in Gladbach, wenn man sich fragt, wie dieser Sieg einzuordnen ist und wo man nach dem sechsten Pflichtspiel der Saison eigentlich steht. Sechs Pflichtspiele: eine mühevoll erledigte Pflichtaufgabe im Pokal gegen einen Viertligisten, der vielumjubelte Einzug in die Champions League mit einer rauschen Ballnacht daheim gegen Bern, ein knapp entschiedenes Auftaktspiel auf hohem Niveau gegen starke Leverkusener. Das ließ sich alles sehr erfreulich an. Dann aber zwei Niederlagen, jeweils nach erschreckend schwacher Vorstellung, in Manchester gar mit einem Klassenunterschied. Und nun Bremen.

Positivdenkern liefert das Spiel genügend Futter. Ihre Geschichte würde sich in etwa so lesen: Nach dem Tiefschlag von Manchester ist Borussia in beeindruckender Weise wieder aufgestanden. Im nächsten Spiel tauschte sie einfach die Rollen: wieder ein Klassenunterschied, diesmal aber mit den Gladbachern auf der klassenhöheren Seite. Wie die Mancunians am Mittwoch spielten diesmal die Fohlen den Gegner an die Wand, sorgten mit beinahe jedem Angriff für Gefahr und hellste Aufregung und hätten leicht noch viel höher gewinnen können. Dass sie nach der Halbzeit Kräfte sparten und Trainer Schubert Schlüsselspielern eine Pause gönnte war im Grundsatz vernünftig. Mag sein, dass man es mit dem Schonmodus ein wenig übertrieb. Aber nach einem 4:1-Sieg ist alles Klagen darüber Jammern auf sehr hohem Niveau. Für ein Team, für das die Champions League immer noch Neuland ist, ist auch die angemessene Dosierung Teil des Lernprozesses.

Das ist die eine Geschichte. Skeptiker werden eine ganz andere erzählen: Man muss sich Sorgen machen. Stark war Borussia zwar in den Heimspielen gegen Basel und Leverkusen. Dem steht aber eine erschreckend schwache Leistung in Freiburg entgegen. Schon im Pokal quälte man sich – gegen einen Viertligisten! - mehr schlecht als recht in die nächste Runde. Das 3:1 in Bern liest sich deutlicher, als es war. Borussia profitierte zum idealen Zeitpunkt von einer Fehlentscheidung: Das irreguläre Führungstor drehte eine Partie, die gerade drauf und dran war, zu Gunsten der Schweizer zu kippen. In Manchester zeigten die Gladbacher, dass man in der Champions League in etwa die Rolle eines Fernsehzuschauers spielen wird, der in einem Preisausschreiben eine Komparsen-Rolle in seiner Lieblingsserie gewonnen hat. Und Bremen? Ja, Borussia konnte sich 45 Minuten offensiv austoben. Aber welche Kunst ist das gegen einen Gegner, dessen Abwehr bei simpelsten langen Bällen auszuhebeln ist? Diese Werderaner zu Gast zu haben war ein Geschenk. „Slapstick-Abwehr“, „bundesligauntauglich“, „Leistungsverweigerung“ – you name it. Aber als die Bremer nach der Pause wieder halbwegs professionell agierten, war es prompt vorbei mit der Gladbacher Herrlichkeit. Zurückschalten ist das eine. Ddie Art und Weise, wie sich Borussia nach dem Wechsel präsentierte, erinnerte aber an den blutleeren Auftritt von Freiburg. So weit her scheint es mit dem Lernprozess denn doch nicht zu sein. Schon vor Gnabrys Treffer zeigten sich bedenkliche Lücken in Gladbachs Abwehr. Ohne einen erneut glänzend aufgelegten Yann Sommer und gegen einen kaltschnäuzigeren Gegner wäre es nicht bei dem einen Gegentreffer geblieben.

Soweit die zwei Geschichten. Aus der Unmöglichkeit, zum aktuellen Zeitpunkt zu entscheiden, welche davon stimmt, rührt die Ratlosigkeit. Klüger werden wir in ein paar Wochen sein. Schon das Mittwochspiel in Leipzig wird Aufschlüsse geben. Die Skeptiker erwarten die Fortsetzung des Freiburgs-Spiels, die Positivdenker hoffen, dass Borussia wenigstens in Teilen an die ersten 45 Minuten der Partie gegen Bremen anknüpfen kann.

Immerhin in Sachen Personalauswahl  vergrößerte das Spiel vom Samstag die empirische Basis: Ein Jonas Hofmann in der aktuellen Form sollte sich für erste keine allzu großen Hoffnungen auf einen Startelfeinsatz machen. Dahoud steckt in der Krise, Vestergaard weiterhin im Gewöhnungsprozess. Und Granit Xhaka wird man diese Saison noch oft vermissen.