Ein Freistoß, wie ihn Juan Arango nicht schöner hätte schießen können, hat Borussia den Sieg gegen Schalke 04 gebracht. Das Team baut die Siegesserie in der Bundesliga weiter aus. Das 3:1 war der fünfte Sieg in Folge, unter Trainer André Schubert hat Borussia in der Liga noch keinen Punkt abgegeben. Die Mannschaft hat sich aus der Abstiegszone bis auf Platz sieben vorgearbeitet - in die Einstelligkeit, die ja das offizielle Saisonziel darstellt. Der Freistoß zum 2:1 fiel dabei zum besten denkbaren Zeitpunkt. Ohne den Kunstschuss von Raffael hätte Borussia das Spiel womöglich verloren.

Die Partie war gekippt - da waren sich die meisten Zuschauer einig. In der ersten Halbzeit hatte Borussia schwache Schalker fast nach Belieben dominiert. Das Kombinationsspiel flüssig, das Angriffsspiel zielstrebig, die Defensive, in der Jantschke den angeschlagenen Dominguez ersetzte, stabil. 44 Minuten lang sah es so aus, als könnte Borussia sich allenfalls selbst schlagen, denn die Chancenverwertung war an diesem Sonntag Abend suboptimal. Das lag weniger an der Tauglichkeit der Versuche als vielmehr am hervorragenden Schalker Torwart Ralf Fährmann. Der hielt sogar einen Foulelfmeter von Lars Stindl, im Nachsetzen konnte der Borusse den Ball dann aber per Kopf zur hochverdienten Führung ins Schalker Netz wuchten. Als die erste Halbzeit gefühlt schon vorbei war, schlug Schalke dann wie aus dem Nichts zu. Eine Ecke war schon abgewehrt, Sané verzog einen Distanzschuss, statt aufs Tor kam der Ball zu Max Meyer, der im Strafraum sträflich allein stand. Seine scharfe Hereingabe traf das Bein von Christensen, von dort flog der Ball ins Gladbacher Tor. So stand es für Schalke schmeichelhaft zur Pause 1:1
Auch wenn es für den "psychologisch ungünstigen Zeitpunkt" keinen statistischen Beleg gibt, schien die Binsenweisheit in diesem Fall zuzutreffen. Borussia kam verunsichert aus der Halbzeit, Schalke mit viel Selbstbewusstsein und Schwung. In den folgenden 25 Minuten drückten die Gelsenkirchener Borussia hinten rein, nur selten gab es Entlastung - wenngleich Stindl bei den beiden einzigen Chancen während der Schalker Druckphase das 2:1 auf dem Fuß bzw Kopf hatte - stattdessen rettete Maskenmann Yann Sommer sein Team mit zahlreichen Glanzparaden. In dieser Phase wirkte Borussias Defensive nicht sattelfest. Konnte man in Turin noch trotz Überlegenheit des Gegners Torchancen fast komplett verhindern, gelang den Schalkern immer wieder der Weg in den Strafraum und der Abschluss. Außerdem schien den Borussen die Kraft zu schwinden - die hohe Intensität des Turin-Spiels und die engagierte erste Halbzeit schienen Tribut zu fordern. André Schubert reagierte und ersetzte den ausgepumpten Dahoud durch Nordtveit. Zu diesem Zeitpunkt wären die meisten Borussenfans wohl mit einer Punkteteilung zufrieden gewesen.

Dann aber kam der Freistoß. Matip hatte Traoré an der Strafraumgrenze berührt, der ging dankbar zu Boden. Trotz der geringen Tordistanz entschloss sich Raffael, den Ball über die Mauer zu drehen, das gelang perfekt. Matip sprang einen Moment zu spät, der Ball senkte sich im richtigen Moment und schlug im rechten Torwinkel ein. Fährmann war machtlos. Das Tor brachte den Borussen die zweite Luft, es ging wieder nach vorne, es gab wieder Chancen. Schalke fand fortan nicht mehr statt. Das schien auch Johannes Geis zu spüren, der Schalker Mittelfeldmann, an dem auch Borussia vor der Saison interessiert war, ließ sich zu einem der widerlichsten Fouls der jüngeren Bundesligageschichte hinreißen. Ohne Chance, an den Ball zu kommen, ging er mit gestrecktem Bein in den gerade eingewechselten André Hahn. Schiedsrichter Wolfgang Stark zögerte keine Sekunde und zeigte Geis rot. André Hahn musste unter Schmerzen vom Platz getragen werden und droht, lange auszufallen. Jämmerlich war die Reaktion des Schalker Blocks, die den Schwerverletzten mit höhnischen "Auf Wiedersehen"-Rufen bedachten. Ob Borussias Fans in einer solchen Situation angemessener reagieren würden? Man möchte es hoffen.

Borussia erhielt - Hazard hatte Hahn ersetzt - den Druck aufrecht, von Schalke kam weiterhin nichts. Folgerichtig fiel die Entscheidung in der 84. Minute. Raffael spielte am Strafraum wunderbar in den freien Raum, Hazard ließ für Julian Korb liegen, der den Ball überlegt ins Lange Eck schob. Korbs erster Bundesligatreffer krönt eine Entwicklung, die dem Rechtsverteidiger wohl kaum jemand zugetraut hätte. Seit dem Trainerwechsel ist Korb ein neuer Spieler. Defensiv mindestens genauso stabil wie vorher, trägt er zur Belebung des Offensivspiels bei, ist mutig und sucht den Abschluss. So holte er auch den Elfmeter heraus, der zum 1:0 führte und hätte mit einem satten Distanzschuss eine der besten Torchancen in der ersten Halbzeit. Es ist, als seien Fesseln von ihm genommen. Korbs Leistungsexplosion ist damit exemplarisch für den Weg, den Borussia nach dem Rücktritt von Lucien Favre genommen hat.

Der fünfte Sieg im fünften Bundesligaspiel unter André Schubert. Es ist unvermeidlich, dass die Stimmen, die eine dauerhafte Verpflichtung des Mannes, von dem Roman Neustädter lernen könnte, wie man "Frisur" würdevoll buchstabiert, fordern, jetzt noch lauter werden. Warum sich Deutschlands komplette Medienwelt darauf eingeschossen hat, Borussia in dieser Frage unter Druck zu setzen, ist leicht zu verstehen. Der Grund fängt mit "Po" an und hört mit "pulismus" auf. Max Eberl und Konsorten sind aber gut beraten, sich weiterhin nicht zu einer Entscheidung drängen zu lassen, sofern sie von dieser nicht zu 100% überzeugt sind. Auf einer Welle des Erfolges ist alles rosarot, Spieler, die nicht kritisiert werden müssen, werden nicht unzufrieden sein, Schubert hatte bisher gar nicht die Gelegenheit, all seine Fähigkeiten und Kompetenzen zu zeigen, schlicht aus dem Grund, dass sie noch nicht gefragt waren. Wir als Borussenfans sollten uns vom medialen Schubidu nicht mit verrückt machen lassen und - wie der Trainer auch - einfach den Moment genießen.