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So unbeschwert und optimistisch konnten Borussias Fans seit gefühlten Ewigkeiten nicht mehr in eine Saison starten wie in jene, die am kommenden Sonntag ab 14.30 Uhr mit der Pokalpartie in Darmstadt beginnen wird. Im Gegensatz zum Vorjahr wurde die Stammelf zusammengehalten und sogar noch um einige viel versprechende Akteuren ergänzt. Die Mannschaft ist besser aufgestellt und sollte sich daher insbesondere im Spiel nach vorne besser präsentieren können als in der Vorsaison. Dort reichte es am Ende zu einem schmeichelhaften Platz 8, als trotz erheblicher spielerischer Defizite bis zum letzten Spieltag auf einen Platz in der Europa-League gehofft werden durfte. Für diese Saison wird ein ähnlicher Verlauf anvisiert, aber mit besserem Ende. Die Verantwortlichen können sich noch so sehr darum bemühen, als offizielle Zielvorgabe eine Stabilisierung in der oberen Tabellenhälfte zu propagieren. Noch eine Saison werden sich Borussias Fans nicht mit Mittelmaß und mit so wenigen herausgespielten Torchancen zufrieden geben.

Doch Vorsicht: Borussia enttäuschte in ihrer Historie oft gerade dann, wenn die Erwartungen des Umfelds besonders hoch waren. Wer erinnert sich nicht zurück an die letzten beiden Besuche der Tabellenspitze, die später jeweils im Abstieg mündeten? Ein jeder übereuphorisierter Fan sollte sich folgende Zahlenreihe zu Gemüte führen: 11, 15, 18, 12, 12, 11, 15, 10, 18, 15, 12, 16. Dies sind Borussias Erstliga-Platzierungen in den Jahren zwischen 1996 und 2011. Seit der letzten Hochphase der Vereinsgeschichte, die in den 1990er-Jahren ganze zwei Jahre lang anhielt, schwankte Borussia stets zwischen Mittelmaß und Abstiegskampf. Die einstelligen Tabellenplätze der beiden letzten Spieljahre bilden da die ganz große Ausnahme und es ist schon ein wenig vermessen, ohne Zweifel davon auszugehen, dass ein Rückfall in das bewährte untere Mittelfeld absolut ausgeschlossen sein muss. 

Borussias Neuzugänge:

Die Hoffnung, dass diese Zweifel unbegründet bleiben, beruht nicht zuletzt auf den Transfers dieses Sommers. Zwar war die Euphorie ob der namhaften und teuren Neuzugänge schon im Vorjahr hoch gewesen. Während Max Eberl damals aber auf viel versprechende Wundertüten setzte, die ihre hohen Erwartungen bislang überwiegend verfehlten, wählte er in dieser Transferperiode einen risikoärmeren Weg. Verpflichtet wurden drei Akteure, die sich allesamt bereits über mindestens zwei Jahre in Deutschlands Profiligen bewährt haben. Christoph Kramer zwar nur in Liga 2, wo er aber in den vergangenen beiden Jahren einer der größten Lichtblicke beim VfL Bochum gewesen war. Mit seinen 22 Jahren spielt er die 6er Position bereits erstaunlich abgeklärt. Seine Zweikampfstärke und Ausdauer erinnern an den jungen Roman Neustädter, für den jetzt möglicherweise mit einjähriger Verzögerung ein adäquater Nachfolger gefunden worden ist. In den Testspielen deutete Kramer zudem seine Stärke im Spielaufbau an, so dass ihm ein Sprung in die Stammelf zuzutrauen ist. Aber Vorsicht: Auch für Kramer gilt, dass er seine guten Leistungen aus Liga 2 zunächst einmal im Oberhaus konstant wird bestätigen müssen.

Diesen Nachweis haben die beiden anderen Neuen bereits erbracht. Speziell Raffael kann auf 4 Jahre erstklassigen Fußball in der Bundesliga zurückblicken, in denen er stets zu den Leistungsträgern gehörte. Lucien Favre schätzt an seinem Ziehsohn die hohe Spielintelligenz und Handlungsschnelligkeit. Raffael mache im Spiel fast alles richtig, so das Kompliment des Lehrmeisters, unter dem der Brasilianer einen Stammplatz weitgehend sicher haben sollte.

Den spektakulärsten Transfer wickelte Max Eberl aber bereits zuvor ab, als er nachwies, dass man auch mit geringeren finanziellen Mitteln erfolgreich arbeiten kann, wenn man schneller ist als die Konkurrenz. Schon Anfang April wurde mit Max Kruse Einigkeit erzielt, der den SC Freiburg aufgrund einer Ausstiegsklausel für 2,5 Mio. Euro verlassen durfte. Wenige Wochen später wäre der Transfer kaum noch realisierbar gewesen, denn spätestens mit der USA-Reise, auf der sich der 25jährige als ernsthafter WM-Kandidat empfahl, geriet Kruse in den Fokus der Fußball-Öffentlichkeit. Selbst aus Dortmund wurde nach dem Götze-Transfer ein konkretes Interesse am Neu-Borussen verbrieft, das zum Glück aber zu spät kam. Nach zwei nahezu perfekt verlaufenen Jahren beim FC St. Pauli in Liga 2 sowie zuletzt beim SC Freiburg möchte Kruse nun bei Borussia den nächsten Schritt auf seiner Karriereleiter gehen und sich bei einem aufstrebenden Bundesligisten konstant auf Topniveau bewegen. Ihm kommt dabei zugute, dass er durch seine Schuss- und Abschlussstärke ebenso zum Zentrumsstürmer taugt, wie er ggf. mit seinem Fleiß und seinen spielerischen Fähigkeiten auch als hängende Spitze oder im offensiven Mittelfeld aufgeboten werden kann.

Borussias Defensive:

Im Tor ist allein ungewiss, ob der junge Blaswich oder der erfahrene Heimeroth den Posten hinter Marc-André ter Stegen auf der Ersatzbank einnehmen werden. Ter Stegen selbst ist trotz einer für seine Ansprüche nur mäßigen Saison unumstritten. Interessant wird sein, wie er mit dem  neuerlichen Negativerlebnis bei der Nationalmannschaft umgeht. Anders als sein neuer Mannschaftskamerad Max Kruse wird ihm die USA-Reise eher negativ in Erinnerung bleiben, da er mit seinem Eigentor über Tage hinweg zur Lachnummer der Nation mutierte. Trotz der Erkenntnis, einer Drucksituation auf höchstem Niveau im Nationaldress erneut nicht gewachsen gewesen zu sein, ist das Interesse einiger europäischer Topklubs ungebrochen, den Gladbacher Jungen schon bald seiner Heimat zu entreißen. Voreilige Quellen verkündeten sogar schon in dieser Transferperiode einen Wechsel zum FC Barcelona. Sollte ter Stegen seine Form der letzten Jahre halbwegs bestätigen, so dürfte der Abschied nach der nächsten Spielzeit tatsächlich anstehen, wenn sein Vertrag nur noch ein weiteres Jahr Gültigkeit haben wird. Bis dahin wird das Gladbacher Eigengewächs höchstmotiviert sein, sich für Barcelona und die WM in Brasilien zu empfehlen. Wenn es ihm gelingt, sich und seine fußballerischen Qualitäten realistisch einzuschätzen und das aktive Torwartspiel nicht zu übertreiben und wenn er weiter an seinem Timing beim Herauslaufen arbeitet, dann stehen ihm alle Türen für eine glorreiche Zukunft offen, die dann allerdings wohl nur noch ein weiteres Jahr im Dress seines Heimatvereins stattfinden wird.

Anders als auf der Torwartposition herrscht in der Viererkette großer Konkurrenzkampf, denn alle vier Positionen sind hier schulbuchmäßig doppelt besetzt. Auf rechts war Tony Jantschke in den letzten Jahren stets unumstritten. Da trotz seiner mäßigen Saisonleistung kein Ersatz für seine Position verpflichtet wurde, spricht erst einmal vieles dafür, dass der U21-Nationalspieler auch in dieser Saison seinen Platz wird behalten dürfen. Die Testspiele deuteten aber an, dass dies keineswegs in Stein gemeißelt sein muss. Hier entpuppte sich Julian Korb ebenso wie im Vorjahr beim (allerdings sportlich bedeutungslosen) Europa-Cup-Auftritt in Istanbul als ernstzunehmende Alternative. Beinahe wäre Korb in diesem Sommer bereits beim MSV Duisburg gelandet, um dort die dringend benötigte Spielpraxis zu erlangen. Nach dessen Zwangsabstieg zerschlug sich aber das anvisierte Leihgeschäft, so dass Korb den Kampf angenommen hat und jetzt versuchen wird, bei Lucien Favre eben jene Spielpraxis auf höchster Ebene zu bekommen.

Hierzu wird er aber entsprechend höchstes Niveau abliefern müssen, denn bei aller berechtigter Kritik an Tony Jantschke. Es gibt in der Bundesliga nicht viele Rechtsverteidiger hinter denen sich der U21-Nationalspieler verstecken müsste. Selbst im modernen Fußball bleibt die defensive Absicherung für einen Abwehrspieler das primäre Ziel, das Jantschke in den meisten Begegnungen erreicht. Seine Bemühungen, darüber hinaus im Offensivspiel an Wertigkeit zuzulegen, waren bislang leider erfolglos. Julian Korb wird aber - wie jeder potentielle Neuzugang in der Zukunft auf dieser Position - daran zu messen sein, Jantschke im Gesamtpaket zu überbieten, das trotz allem nicht so schlecht aussieht wie einige Kritiker es ihm vorwerfen.

Während auf rechts der junge Korb als Herausforderer für den mittlerweile relativ erfahrenen Jantschke gilt, sind die Rollen auf links genau andersherum verteilt. Hier muss sich Routinier Filip Daems nach der letzten Saison als Underdog fühlen, da ihm des Öfteren Oscar Wendt vorgezogen wurde. Der Schwede wird angesichts der neuen Konkurrenz in der Offensive vermutlich seltener als Kandidat für die linke Mittelfeldposition in Frage kommen. Sein Vorteil als Außenverteidiger besteht darin, dass er etwas mehr Zug nach vorne verspricht als der offensiv eher zurückhaltende Daems. Zwar ist auch Wendt kein begnadeter Flankengott, der mit permanenten Sturmläufen auf sich aufmerksam macht. Mit 5 Assists konnte er im letzten Jahr aber immerhin 3 Tore mehr vorbereiten als Daems in seinen gesamten 8 Jahren bei Borussia. Dieser Vorteil wird aber begleitet von unübersehbaren Schwächen in der Defensive, die der routinierte Belgier in den letzten Jahren nicht mehr offenbarte. Insgesamt muss sich Wendt gehörig steigern, um im Gesamtpaket an die Qualitäten des Borussen-Kapitäns heranzureichen und eine Aufstellung nicht nur über sein Alter und seine vermutete Entwicklungsfähigkeit zu rechtfertigen.

Die komfortabelste Ausgangslage im Kader findet Lucien Favre in der Innenverteidigung vor, wo mit Stranzl, Dominguez und Brouwers drei zuverlässige Größen an Bord geblieben sind. Speziell vom Spanier darf man sich in seiner zweiten Saison eine weitere Steigerung erhoffen. Nach seiner soliden Startsaison wird es für Dominguez jetzt darum gehen, der Defensive noch deutlicher seinen Stempel aufzudrücken. Ein Vergleich mit Dante sollte dabei aber unbedingt vermieden werden. Der Brasilianer hat sich bei den Bayern nicht ohne Grund als einer der weltbesten Defensivspieler entpuppt und wäre daher ein unfairer Gradmesser für jeden Spieler.

Als weitere Alternative für die Innenverteidigung hat Favre in diesem Sommer Havard Nordtveit getestet, da er diese Rolle bereits in der norwegischen Nationalmannschaft zufriedenstellend ausgeübt hat. Es ist positiv, solche Optionen im Kader zu wissen. Bei normalem Verlauf sollte die Versetzung in die Viererkette aber erst nach dem Karriereende von Martin Stranzl eine dauerhafte Alternative werden. Bis dahin wird Nordtveit im defensiven Mittelfeld gebraucht, wenngleich ihm dort inzwischen gewichtige Konkurrenz erwachsen ist.

Rein nominell mag das Duo Nordtveit/Xhaka als optimale 6er-Kombination erscheinen. In den zahlreichen Partien, die beide Akteure im Vorjahr gemeinsam absolviert haben, harmonierten sie aber fast ausnahmslos unzureichend. Ihre Versuche, sich ins Offensivspiel einzubringen, gingen deutlich zu Lasten der defensiven Stabilität, was schließlich sogar die Rückkehr des bereits als ausgemustert geltenden Thorben Marx nötig machte. Lucien Favre wird Xhaka und Nordtveit in dieser Spielzeit weitere Gelegenheiten bieten nachzuweisen, dass sie aus ihrem Fehlverhalten gelernt haben und auch zusammenspielen können. Allzu oft sollte dies aber nicht schiefgehen, da sich Favre sonst auf der defensiven 6er-Position erneut für Marx oder für einen der jungen Newcomer entscheiden wird. Neuzugang Kramer ist hier zu nennen, aber auch Mahmoud Dahoud als großer Gewinner der Vorbereitung. Der 17jährige begeisterte Fans und Trainer durch seine unbekümmerte Art, die er selbst gegen den FC Bayern nicht ablegte. Sicher birgt es kein geringes Risiko, einen solch jungen Spieler auf der so wichtigen 6er-Position einzusetzen. Die Vergangenheit zeigte aber, dass die ganz großen Borussen-Talente keine Schonfrist brauchten, um sich auf Anhieb durchzusetzen. Ob Deisler, Enke, Marin, Jansen, ter Stegen, Herrmann oder Reus. Sie alle spielten von Anbeginn ihrer Zeit als Borussen-Profi - und zwar direkt auf so hohem Niveau, dass an ihrem Stammplatz recht bald nicht mehr gezweifelt wurde. Nun ist Dahoud noch ein wenig jünger als die genannten Vorbilder, weshalb er bislang nicht einmal offiziell als Profi geführt werden darf. Sollte er aber tatsächlich die Klasse haben, die er bislang angedeutet hat, dann wird seine weitere Karriere nicht von einem Jahr Lebensalter abhängen.

Trotz aller Hoffnungen, einen neuen Borussen-Stern aufgehen zu sehen, sei aber daran erinnert, dass sich in Testspielen immer wieder einmal Talente hervortun, die ihre Qualitäten anschließend auf der großen Bühne Bundesliga nicht zur Geltung bringen können. Es ist sehr erfreulich, dass Borussia mit Spielern wie Mero, Dahoud oder Brandenburger einige vielversprechende Youngster vorweist. Durch die gestiegene Kaderqualität wird ihnen aber ein umso höheres Qualitätsniveau abverlangt, um sich gegen die inzwischen hochklassigere Konkurrenz durchsetzen zu können.