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Viel ist geredet worden, nach den zuletzt unbefriedigenden Darbietungen der Gladbacher Borussia. Drei Spiele in Folge zeigte das Team eine Leistung, die keinen Fan glücklich machen dürfte. Viele reagieren zunehmend sauer angesichts dessen, was die Profis in Freiburg, Stuttgart und gegen Fürth fabrizierten. Einige wenige besonders anspruchsvoll oder emotional gewirkte Borussenanhänger beginnen schon, personelle Konsequenzen zu fordern. Dankenswerterweise handelt es sich hierbei um eine Minderheit. Durchaus mehrheitsfähig dürfte allerdings die Auffassung sein, dass das Auftreten der Mannschaft und die Aktionen des Trainers in Wort und Tat bisweilen rätselhaft sind. Versuchen wir also, diese Rätsel zu lösen.

 

Kein Biss, kein Wille?

Augenfällig war vor allem in den beiden Auswärtsspielen in Baden-Württemberg die Unfähigkeit oder der Unwille, nach einem Rückstand Druck auf den Gegner aufzubauen und vor allem das völlige Ausbleiben jeder Form von Schlussoffensive. Gerade in Freiburg, wo der Rückstand denkbar knapp war, wäre eine Art Alles-oder-Nichts in den letzten fünf Minuten im Grunde zu erwarten gewesen. Aber auch in Stuttgart tat die Mannschaft zum Ende des Spiels hin nicht mehr, als über die vorangegangene Zeit.

Gerätselt wird unter den Borussenanhängern über die Frage „dürfen die nicht oder können die nicht“. Womöglich ist die richtige Antwort: Sie dürfen nicht, weil sie nicht können. Das teilweise Aufgeben der defensiven Ordnung endete in den vergangen Spielen oft fatal. Gegen Freiburg war es genau der Moment, in dem die Mannschaft begann, sich zögerlich nach vorne zu arbeiten, in dem sie plötzlich hinten offen war und sich dem künftigen Mannschaftskameraden Max Kruse die Möglichkeit zum Führungstreffer bot – die der gekonnt ausnutzte. Und selbst das 2:0 war Folge einer hektischen Aktion Marc-André ter Stegens, der den Ball am liebsten in den gegnerischen Strafraum gebolzt hätte, vor lauter Wollen aber einen Rohrkrepierer von einem Abschlag produzierte, der in des Gegners Füßen landete. 

In Stuttgart spielte Borussia in den ersten 27 Minuten etwas mehr nach vorne, als in Freiburg und gegen Fürth – prompt kam Stuttgart zunächst zu einer Großchance und schließlich zu zwei Toren, wobei natürlich eine Schiedsrichter-Fehlentscheidung, Pech und ein Blackout des Torwarts den Stuttgartern noch mehr half, als die Aufgabe der defensiven Ordnung.

Gegen Fürth dagegen stand die Mannschaft hinten recht sicher und infolgedessen ebenso die Null. Das allerdings ging vollständig auf Kosten des Angriffsspiels.

Offenbar traut Lucien Favre seinem Team nicht viel zu, solange sich nicht ein Torwart, vier Abwehrspieler, zwei defensive Mittelfeldspieler und durchaus auch noch zwei der offensiven Akteure vor allem auf das Verhindern von Gegentoren konzentrieren. Und womöglich hat er damit sogar Recht. So mag sich der Trainer kurz vor dem Ende eines Spiels sagen: verhindern wir ein Debakel, drehen tun wir das Spiel ohnehin nicht mehr. Und hätte man nicht auch in dieser Saison schon erlebt, dass Borussia durchaus eben doch in der Lage ist, Spiele zu drehen, man könnte ihm widerspruchslos folgen. So bleibt der Eindruck, dass der Trainer mit der laufenden Saison bereits abgeschlossen hat und es völlig ernst meint, wenn er von seinen Spielern fordert, die Rahmenbedingungen - sprich das Schneckenrennen um die Tabellenplätze fünf bis sechs (gegebenenfalls sogar sieben) -zu vergessen.

Dass die Anhänger des Vereins und auch Teile des Präsidiums (die durchaus auch Anhänger sind) das nicht so einfach können und wollen und angesichts des blutleer und mutlos wirkenden Sicherheitsfußballs bisweilen in ihren Reaktionen etwas über die Stränge schlagen, ist nur normal. Das sollte auch Lucien Favre wissen und die Kritik, die er jetzt zu spüren kommt, entsprechend einordnen. Die trotzige Behauptung, das erbarmungswürdige Spiel in Stuttgart sei in Wahrheit nicht schlecht gewesen, der gebetsmühlenartig vorgetragene Verweis auf den Tabellenstand vor zwei Jahren oder der auf den bis zur Ermüdung beweinten Verlust des Rückgrats hilft niemandem weiter. Solche Äußerungen führen allein dazu, dass Favre als sturer und schrulliger wahrgenommen wird, als er hoffentlich ist.

 

Das Personal

Wenn die Einschätzung zutrifft, dass Lucien Favre nach dem abgebrochenen Versuch einer Spielweise mit hoch stehender Abwehr zu Saisonbeginn nunmehr alles Augenmerk auf eine sichere Defensive legt, muss über das Personal gesprochen werden, mit dem er das versucht. Marc-André ter Stegen steht trotz gelegentlicher Böcke außerhalb der Kritik – die Summe der Punkte, die er Borussia gerettet hat, beträgt ein Vielfaches derer, die er seine Mannschaft gekostet hat. Die drei Innenverteidiger sind gut, auch hier gibt es nichts zu diskutieren. Auf den Außenpositionen in der Viererkette sieht es anders aus. Tony Jantschke stagniert in dieser Saison, dass einige gutwillige Beobachter ihn im Sommer noch auf dem Weg ins Nationalteam sahen, mutet derzeit etwas skurril an. Dramatisch sind seine Auftritte dennoch in der Regel nicht, zumal der Kader keinerlei erfolgversprechende Alternative bietet. Das ist bei seinem Pendant auf der linken Abwehrseite anders. Man möchte Oscar Wendt angesichts der Vorkommnisse beim Spiel gegen Fürth ungern kritisieren, kommt aber nüchtern betrachtet nicht um die Erkenntnis herum: Filip Daems ist der bessere Linksverteidiger und die vielbeschrieene Offensivstärke des Schweden ist ein Mythos.

Im defensiven Mittelfeld gibt es drei Kandidaten für zwei Plätze. Keiner der drei Kandidaten hat zuletzt belegt, deutlich besser oder schlechter zu sein, als die Konkurrenz. Thorben Marx spielt Sicherheitsfußball ohne Risiko und ohne Impulse für das eigene Spiel. Granit Xhaka wird von den Gegnern des Berliners gelobt, wenn er genau das gleiche tut. Versucht er mehr, ging es in der Regel daneben, mit der Konsequenz, dass er inzwischen nicht mehr mehr versucht. Havard Nordtveit hat eine bärenstarke Hinrunde gespielt. Zwischendurch mutierte er unerklärlicherweise zu Mr. Ballverlust und zeigt nunmehr Sicherheitsfußball ohne Risiko und ohne Impulse für das eigene Spiel. Mehr Kandidaten für die „Sechs“ gibt es nicht. Das Experiment mit Lukas Rupp ging schief, über Alexander Ring müssen wir nicht mehr sprechen und über Tolga Cigerci ist an anderer Stelle zu reden.

Und zwar genau hier: die offensiven Mittelfeldleute müssen bei Borussia unter Favre richtigerweise nach hinten mitarbeiten. Das klappte in der Vergangenheit streckenweise auch sehr gut. Juan Arango war sich nicht zu fein, Filip Daems beim Dichthalten der linken Abwehrseite zu helfen, Patrick Herrmann müht sich auf rechts nach Kräften, es seinem Gegenpart gleichzutun. Den besten „defensiven Offensiven“ gab Lukas Rupp, dessen Spiel teilweise so aufs Zustellen und Ballerobern konzentriert war, dass nach vorne ein bisschen zu wenig passierte. Aber auch da zeigte der Ex-Karlsruher mit zunehmender Spielpraxis Besserung, bis er der Umstellung im Angriffsspiel (Younes für Herrmann) zum Opfer fiel und seither offenbar bei seinem Trainer auch keine Rolle mehr spielt.

Mehr Offensivimpulse sollen von Tolga Cigerci kommen. Im defensiven Mittelfeld sieht auch Lucien Favre den von ihm für hochtalentiert befundenen Deutsch-Türken nicht mehr, stattdessen bekommt Cigerci immer wieder die Chance, sich als „Achter“ zu beweisen. Und die versemmelt er mit bemerkenswerter Konsequenz. Engagiert, aber völlig kopflos agiert die Leihgabe vom VfL Wolfsburg. Wenn es etwas zu entscheiden gibt, wählt Cigerci mit traumwandlerischer Sicherheit die falsche Option. Seine Pässe gehen selten dorthin, wo sie hinsollen – und wenn doch, kommen sie zu spät, wie in Stuttgart bei zwei Versuchen, Patrick Herrmann steil zu schicken. Erst als der Stürmer längst ins Abseits gelaufen war, spielte Cigerci den Ball. Dennoch durfte er die volle Spielzeit bestreiten.

Es ist im Grunde kein Fehler, einem Nachwuchsspieler mehrere Chancen zu geben. Wenn sie aber fortwährend ungenutzt bleiben, sollte man das Experimentieren einstellen und vor allem nicht länger über einen Kauf des Spielers nachdenken. Selbst wenn Cigerci deutlich billiger wäre, als die zunächst ausgehandelte und inzwischen verfallene Ablösevereinbarung mit Wolfsburg vorsah: der Sinn einer dauerhaften Verpflichtung des Spielers erschließt sich nicht. Wer Talent hat, sollte das auch gelegentlich herzeigen.

 Wenig muss man über die verbleibenden Akteure sagen: Arango ist außer Form, was aber ein temporäres Phänomen bleiben dürfte. Ohne ihn lief es in Freiburg nicht besser, als mit ihm in Stuttgart, von daher ist es wohl durchaus vernünftig, ihn – sofern er das möchte – weiter mitspielen zu lassen. Und sei es für den einen Freistoß, der vielleicht schon am Freitag ins Augsburger Tor fliegt.

Die Stürmer sind in der momentanen Situation auf sich allein gestellt, allzu harsche Kritik verbietet sich aus diesem Grund. Alle: Herrmann, de Jong, Younes, Mlapa und Hanke mühen sich nach Kräften. Gelingen will nicht viel, aber Luuk de Jong ist unermüdlich und eben am Ende doch immer wieder für ein Tor gut. Herrmann ist im rechten Mittelfeld besser aufgehoben als vorne und sollte künftig wieder dort zum Einsatz kommen. Younes hat nach schwachen Auftritten in Freiburg und gegen Fürth in Stuttgart zurecht ausgesetzt, dürfte aber angesichts der Vorliebe von Lucien Favre für zwei unterschiedliche Angreifertypen gegen Augsburg wieder zur Startelf gehören.

 

Fazit

Ein Fußball-Feuerwerk ist von Borussia in dieser Saison nicht mehr zu erwarten. Dass die Mannschaft in den letzten Spielen vom bisher praktizierten System abweicht, ist nahezu ausgeschlossen. Ob zu Unrecht oder zu Recht: das Spiel aus einer stabilen Defensive ist das, was Lucien Favre seinem Team verordnet hat. Damit das zum Erfolg führt, braucht die Mannschaft entweder das Glück, den einen, entscheidenden Treffer zu erzielen oder sie braucht die Kunst der Ausnahmekönner im Offensivbereich. Mit gutem Willen kann man Patrick Herrmann dazuzählen, er war tatsächlich zuletzt häufig der gefährlichste und inspirierteste Akteur im Team. Juan Arango ist ohne Frage ein Ausnahmekönner, aber eben zur Zeit nicht gut aufgelegt. Und Luuk de Jong mag Ausnahmefähigkeiten haben, hängt aber stark von seinen Mitspielern ab, wenn er sie zur Geltung bringen will. Das Tor gegen Fürth sei als Beispiel genannt.

Richten wir uns darauf ein: es wird bis Mitte Mai noch einige Spieler der Kategorie „grausam anzusehen“ geben. Hoffen wir einfach, dass trotzdem noch einige Punkte, vielleicht auch unverhoffte, für Borussia dabei abfallen. Und wenn nicht: setzen wir auf die kommende Saison mit frischem Wind durch neue Gesichter im Team, von dem dann auch die anderen Spieler profitieren.