Nach dem 3:1-Sieg über den Hamburger SV beherrscht weniger das Spiel die Schlagzeilen, sondern der Ausbruch von Sportdirektor Max Eberl nach dem Schlusspfiff. Eberl störte sich an den Unmutsbekundungen des Publikums während der (lange anhaltenden) Schwächephase der Borussia und fand markige, abseits der Mikrofone angeblich sogar unflätige Worte. Nun ist es unzweifelhaft richtig, dass es eine Unsitte ist, dass Zuschauer die eigene Mannschaft während eines Spiels auspfeifen, solange es sich nicht um einen Fall von klarer Leistungsverweigerung hält. Und davon war der Auftritt der Borussia an diesem Freitag Abend tatsächlich weit entfernt. Andererseits ist das, was Funktionäre und Spieler nach der Partie absonderten auch nicht gerade ein klares Indiz für Realismus.

Es war kein gutes Spiel der Borussia, dass der HSV über weite Strecken die aktivere Mannschaft war, lässt sich nicht wegdiskutieren und warum die Mannschaft nach furiosen Anfangsminuten in einen übertrieben zurückhaltenden Verwaltungsfußball verfiel, darf durchaus hinterfragt werden. Es war sicher nicht der Rückpass des ansonsten sehr ordentlich spielenden Michael Cuisance, den die Zuschauer auspfiffen, es war die ganze Mannschaft, die völlig ohne Not ein Spiel aus der Hand zu geben drohte. Es ist überdies nicht das erste Mal in dieser Saison, dass Borussia sich ein Spiel im Nachhinein schöner redet, als es wirklich war. Vielleicht ist die kritische Haltung einiger Fans eine Reaktion darauf. Dennoch, es sei wiederholt, damit er klar ist: Man pfeift nicht während des Spiels gegen sein eigenes Team. Punkt. 

Eine weitere Aussage Max Eberls lässt aufhorchen: Er unterscheidet zwischen guten und schlechten Fans. Und zwar durchaus entlang einer nachvollziehbaren Linie. Nicht die Nordkurve sei der Delinquent, Nordkurve durchaus als Äquivalent für die Fans gemeint, die seit Jahren die Mannschaft durch gute und schlechte Zeiten, durch Champions League und Zweite Liga begleiten. Diese Fans pfeifen nicht. Und das stimmt. Es ist das Eventpublikum, es sind die Kunden, die unterhalten werden wollen, die aus dem Zahlen des Eintrittsgeldes das Recht ableiten, die Mannschaft auszubuhen. Es sind diejenigen, die zu Borussia (zurück-) gefunden haben, als die Mannschaft unter Lucien Favre Tiki-Taka spielte und in der Anfangszeit der Ära Schubert die Gegner in Grund und Boden stürmte. Wer Borussia dagegen unter Jürgen Gelsdorf und Michael Frontzeck ertragen hat, der schüttelt möglicherweise bisweilen den Kopf darüber, dass der Fußball heute zeitweise an diese grauen Tage erinnert, der weiß aber auch, dass das Klagen auf sehr hohem Niveau bedeutet. Denn für 28 Punkte zur Winterpause hätte so mancher seinerzeit vermutlich sogar seine Oma verkauft. 

Allerdings sind es genau diese Event-Fans, sind es die Kunden, die kommen, ein paar Euro im Fanshop lassen, ein paar an der Wurstbude und mit denen man sich jenseits des Spieltages nicht beschäftigen muss, die der moderne Fußball umwirbt. Wer heutzutage noch Fußball lebt, sieht sich kampagnenhafter Kritik von DFB, Bildzeitung und anderen zweifelhaften Akteuren ausgesetzt. Diejenigen, die Borussia bedingungslos unterstützen, und die sich jetzt von Max Eberl loben lassen dürfen, sind die bösen Menschen, die RB Leipzig nicht wollen und Dietmar Hopp den Heiligenschein klauen. Es sind die, die Mitsprache bei ihren Belangen wollen, die keine Lust auf Bundesliga am Montag Abend oder am Sonntag Mittag haben. Es sind die, die sich von den undurchsichtigen Machenschaften rund um den Videobeweis veräppelt fühlen und die Simon Rolfes sicher ein paar Takte Eberl-Style sagen würden, wenn er salbadert, Fußball müsse sich mehr an Computerspielen orientieren, um zukunftsfähig zu sein. 

Borussia ist keiner der ganz Schlimmen, wenn es darum geht, Fußball zu modernem Fußball zu machen. Das sei unserem Verein ausdrücklich konzidiert. Aber Borussia ist auch keiner der Guten. Borussia ist in Sachen moderner Fußball mindestens ein Mitläufer. Max Eberl muss sich entscheiden: Will er die Event-Fans haben, darf er sich nicht wundern, dass sie kommen und sich verhalten, wie Event-Fans sich nun mal verhalten. Und natürlich will er sie haben, alles andere wäre auch ökonomischer Selbstmord. Um Ruhe in den Karton zu bekommen, würde es vermutlich ausreichen, Spielanalyse weniger als Marketinginstrument zu verstehen sondern schlicht einzuräumen, was gut war und was nicht. Wenn Borussia Spiele wie das gegen Hamburg als Glanzleistung zu verkaufen versucht, macht der Verein jedenfalls nichts besser.