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Mit Marxisten zu diskutieren, verzweifelte John Kenneth Galbraith einmal, sei wie mit einer Gummilanze gegen eine Burgmauer anzurennen. Ohne bolschewistische Umtriebe in Rheinhessen zu unterstellen, können wir festhalten: So in etwa müssen sich die Spieler der Borussia gefühlt haben, als sie am Samstag erfolglos gegen konsequent verteidigende Mainzer anrannten.

Wobei der Begriff „Mauer“ der Kunst fußballerischer Zerstörung nicht ganz gerecht wird. Das Wort legt nicht nur etwas Undurchdringliches, sondern auch etwas Unbewegliches nahe. Die Mainzer Destruktion war am Samstag aber gerade deshalb so erfolgreich, weil die Spieler über neunzig Minuten in ständiger Bewegung waren, wie ein Schwarm hyperaktiver, torchancenverzehrender Piranhas.

Kreativität dagegen war die Sache des Piranhas nicht und so hoffte der Gegner im seltenen Spiel nach vorne auf den Lucky Punch. Diesen nicht zuzulassen, war Beleg dafür, dass die Borussia auf dem Weg zur echten Spitzenmannschaft immer größere Fortschritte macht. Es hat Spiele der Vergangenheit gegeben, wo Gladbacher Mannschaften in solchen Situationen irgendwann unkontrolliertes Risiko gingen und am Ende klassisch ausgekontert wurden.

Dafür ist die Truppe inzwischen zu clever. Wie gegen den SC Freiburg ließ sie auch diesmal den Ball zirkulieren und wartete geduldig auf die Chancen, die irgendwann kommen würden. Gegen Freiburg reichte es auf diese Weise zum späten Sieg. Gegen Mainz nicht, weil die Chancen, die in der Tat kamen, ungenutzt blieben: Korb und Kruse hätte jeweils der Türöffner gelingen können, wonach Mainz hätte kommen müssen und das Spiel ein ganz anders geworden wäre.

So blieb am Ende eine Melange aus „wollen wir mal nicht größenwahnsinnig werden“ und zumindest verhaltener Enttäuschung: „Wir dürfen nicht unzufrieden sein“ (Martin Stranzl), „wir können nicht immer gewinnen“ (Julian Korb), „wir müssen heute mit dem einem Punkt leben können“ (Max Kruse). Allen gemeinsam war das sichtliche Bemühen, das Positive in der Nullnummer zu sehen. Aber dass man sich insgeheim doch mehr erhofft hatte und angesichts neunzigminütiger Dominanz zu Recht, klang doch durch. Lucien Favre brachte es wohl auf den Punkt: „Es ist gut, dass wir nach einem Unentschieden ein wenig enttäuscht sind, das hätten wir vor ein paar Wochen nicht gedacht“.

Das Spiel zeigte, welche Entwicklungsschritte gelungen sind und welche noch ausstehen: Die Offensivkraft der Borussia nötigt den Gegnern so viel Respekt ab, dass viele selbst vor eigenem Publikum ihre ganze Kraft der Zerstörung widmen müssen. So effektiv ist das variable Gladbacher Kurzpassspiel, dass die Borussia in vielen Partien dennoch die Lücke findet. Aber: Gelingt das mal nicht, dann fehlt es weiterhin am Plan B.  Dafür müsste die Mannschaft mehrere Systeme und Strategien gleichermaßen souverän beherrschen und flexibel zwischen ihnen hin- und herwechseln können. Und dann würden Einwechslungen nicht erst wenige Minuten vor Schluss eher der Form halber erfolgen, sondern könnten einen wirklichen neuen Akzent setzen. Dies zu erreichen, hieße den nächsten Schritt zu gehen. Das wird viel Zeit brauchen.