Warnung
  • JUser: :_load: Fehler beim Laden des Benutzers mit der ID: 83

Keine Frage, Hans Meyer ist Kult in Mönchengladbach. Und weil er Kult ist, hat er seinem ehemaligen Verein so einiges hinterlassen. Einen Berg von Anekdoten zum Beispiel. Eine Vielzahl von Sprüchen und Zitaten. Oder die bei Fans heißgeliebte Hans-Meyer-Tabelle. In ihr geht man zunächst von Heimsiegen aus. Gelingt dies nicht, gibt es entsprechend Minuspunkte, für ein Unentschieden zwei und für eine Niederlage drei. Umgekehrt geht man logischerweise von Auswärtsniederlagen aus. Jeder Punkt in der Ferne wird somit voll angerechnet. Erreicht ein Team in dieser Tabelle null Punkte, ist es Durchschnitt und müsste sich im Tabellenmittelfeld wiederfinden. Die gute Nachricht vorab: Borussia Mönchengladbach befindet sich weiterhin bei einem Pluspunkt.

Lucien Favre zeigte sich zufrieden an diesem Abend. Natürlich. Was seine Mannschaft kurz zuvor geboten hatte, dürfte dem Ideal des Perfektionisten schon ziemlich nah gekommen sein. Und so bescheinigte er seinem Team, es gut gemacht zu haben. Insbesondere das ständige Schaffen von Überzahlsituationen sei der Schlüssel zum Sieg gewesen. Und in der Tat dürfte die Borussia gegen Frankfurt ihr qualitativ bestes Spiel in diesem Jahr gezeigt haben. Als „best oft the rest“ mochte er sein Team dann aber doch nicht sehen. Zu oft würde die Qualität des eigenen Kaders hervorgehoben, zu wenig die Qualität anderer Mannschaften beachtet werden. Besonders Schalke und Wolfsburg seien auf dem Papier stärker. Recht hat er. Platz vier ist eine Momentaufnahme, mehr nicht. Ein Blick auf die Tabelle offenbart, wie schnell sich die Situation wieder drehen kann. Die ersten drei Teams spielen außer Konkurrenz, die letzten drei vereinigen zusammen einen Sieg auf ihrem Konto. Der Rest ist Mittelfeld. Eine Niederlage in Hamburg und die Borussia könnte wieder aus den Europapokal-Plätzen purzeln. Vor mehr schützt derzeit nur eine komfortable Tordifferenz.

Um sich von der Masse abzugrenzen, muss man also auch auswärts punkten. Doch genau hier drückt der Schuh. Ein Punkt aus fünf Spielen ist allemal zu wenig, um auf Dauer ernsthaft im Konzert der Großen mitspielen zu können. Fehlt es der Borussia also an Reife, um auch auf fremden Plätzen ihre Leistung abrufen zu können? Oder ist es eine psychologische Sperre, die den Spieler den Erfolg verwehrt?  Favre verneint dies indirekt. Er selbst sehe keine Auswärtsschwäche. Zuletzt habe man in Berlin mehr Chancen herausgespielt, diese aber nicht genutzt. Das Team sei noch in der Entwicklung und müsse lernen, mutiger zu spielen und seine Chancen zu nutzen. Für manchen Fan mögen diese Aussagen nach der Leistung in Berlin beschönigend wirken. Doch im Kern hat der schweizerische Übungsleiter auch hier Recht. Eine Auswärtsschwäche gibt es bei näherer Betrachtung nicht. Die Erfolge und Misserfolge der Borussia auf Heim- und Auswärtsspiele beschränken zu wollen, gibt die Realität nur verzerrt wieder. Vielmehr unterscheiden sich diese Spiele in taktischer Sicht und geben wieder, welche Spielart der Borussia liegt und welche nicht.

So unterschiedlich Borussias Gäste bislang auch waren, etwas eint sie. Jedes Team versuchte bislang im Borussen-Park mitzuspielen. Keines igelte sich ein und beschränkte sich auf eine reine Zerstörungstaktik. Dies gelang teilweise überragend (Dortmund), ehrbar (Braunschweig), teilweise wurden diese Teams auch dominiert und gingen folgerichtig unter (Hannover, Frankfurt). Der Borussia liegen spielstarke Mannschaften, die versuchen, das Spiel mitzubestimmen. Und das nicht erst seit gestern. Bereits in der überragenden vorletzten Saison dominierte die Borussia spielstarke Gegner fast nach Belieben und ließ Teams wie Bayern, Schalke oder Bremen nicht den Hauch einer Chance. Die entscheidenden Punkte ließ man vielmehr gegen spielschwache Gegnern, die ihr Heil in der Defensive suchten, liegen. Ein Grund hierfür ist in der Zusammensetzung der Offensive zu finden. Damals wie heute verfügt die Borussia über eine Vielzahl von schnellen Offensivleuten, die jederzeit in der Lage sind, einer aufgerückten Defensive den Todesstoß zu versetzen. Mit Kruse konnte in dieser Saison der Spielertyp Reus ersetzt werden, mit Raffael kam ein weiterer schneller Spieler hinzu, der die Übersicht hat, den tödlichen Pass zu spielen. Und in der Tat resultiert ein Großteil der Gladbacher Treffern aus schnellen Vorstößen.

Bei den Auswärtsbegegnungen zeigt sich hingegen ein differenzierteres Bild. Auch hier traf man zunächst gegen die spielstarken Teams aus München und Leverkusen. Dabei schlug sich die Borussia zwar achtbar, musste letzten Endes aber der höheren Qualität ihren Tribut zollen, wobei erwähnt werden muss, dass man Leverkusen zumindest zeitweise in Bedrängnis brachte. Hoffenheim und Berlin sahen sich hingegen in einer Außenseiter-Rolle und suchten ihr Heil in der Defensive. Favres Team gelang es nicht, gegen dicht formierte Abwehrreihen ihre Schnelligkeit auszuspielen. Stattdessen versuchte man das Spiel zu kontrollieren und auf seine Chance zu warten. Was zunächst logisch klingt, findet sein Ende bei einem Gegentor. Individuelle Fehler in der eigenen Verteidigung brachten die Borussia in Rückstand und führten zu einer weiteren Konzentration der Defensive. Bezeichnenderweise konnte der einzige Punkt gegen Augsburg errungen werden, eine Mannschaft, die ihr Heil nicht rein in der Defensive sucht.

Genau hier setzen Favres Überlegungen an. Der ehrgeizige Taktiker hat erkannt, dass der Gladbacher Kader eben noch nicht über die Qualität verfügt, ein Spiel bajuwarisch kühl zu dominieren und im geeigneten Moment zuzuschlagen. Vielmehr muss der Gegner mehr unter Druck gesetzt und zu Fehlern gezwungen werden, die dann konsequent ausgenutzt werden. Das ist gemeint, wenn der Schweizer seinem Team eine mutigere und konsequentere Spielweise abverlangt. Neu sind diese Überlegungen allerdings nicht. Nachdem Punktverluste gegen vermeintlich schwache Gegner der Borussia 2012 die direkte Champions League Qualifikation gekostet hatte, setzte man mit den Einkäufen Xhaka und vor allem de Jong auf mehr taktische Variabilität, um zur Not auch mal Abwehrbollwerke mit der Brechstange zu knacken. Spieler sind also da. Nun muss die Taktik variabel gestaltet werden, um auch defensive Gegner zu schlagen. Nur gegen spielstarke Teams zu punkten wäre am Ende zu wenig.