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Irgendwann an diesem 21. April 1924 muss Reichstrainer Otto Nerz wohl bewusst geworden sein, dass er mit der Auswahl seiner Spieler nicht das glücklichste Händchen  gehabt hatte. Kurios war schon die Anreise zum Länderspiel  in Amsterdam gewesen. In zwei getrennten Waggons reisten seine Spieler an. Und auch im weiteren Verlauf tat man alles, um so etwas wie „Team-Spirit“ gar nicht erst aufkommen zu lassen. Man grüßte sich nicht, sprach nicht miteinander und nahm auch die Mahlzeiten an getrennten Tischen ein. Den Höhepunkt erlebte die Farce dann beim Spiel gegen die Niederlande. Während der Fürther Karl Auer bei seinem 1:0 Siegtreffer von seinen Klubkameraden frenetisch bejubelt wurde, drehten ihm die Nürnberger Spieler demonstrativ den Rücken zu. Das Experiment, eine Nationalmannschaft rein mit Spielern der damals dominierenden deutschen Mannschaften Nürnberg und Fürth zu besetzen, wurde fortan nicht mehr wiederholt.

 

In der Geschichte der Bundesliga haben wenige Erstaufsteiger eine vergleichbare Tradition vorzuweisen, wie der dreimalige deutsche Meister aus Fürth. Noch 1954 stellte man mit Karl Mai ein Mitglied der Wunderelf von Bern, welche den ersten Weltmeistertitel für Deutschland erlangte. Zu einer Zeit, in der die Borussia außerhalb von Eicken kaum wahrgenommen wurde. Danach trennten sich freilich die Wege. Während die Borussia national und international ihren Mythos begründete, versank Fürth in die Niederungen des Amateurfußballs. 2012 war es dann soweit. Die Unaufsteigbaren schafften nach mehreren vergeblichen Versuchen endlich den Einzug in die höchste deutsche Spielklasse. Nicht wenige Experten trauten der SpVgg Greuther Fürth einen ähnlichen Weg wie dem FSV Mainz zu, der sich mittlerweile im Mittelfeld der Bundesliga etabliert hatte. Sie wurden herbe enttäuscht. Die Franken dürften wohl als erster Absteiger feststehen. Ein leichtes Spiel für die Borussen also? Wer dies glaubt, sollte gewarnt sein.

Bislang hat man sich in Fürth besonders als guter Gastgeber präsentiert. Kein Spiel konnte am Ronhof gewonnen werden. Zum Vergleich: Selbst Tasmania Berlin gelangen zwei Heimsiege. Auswärts sieht das Bild allerdings etwas anders aus. Zuletzt konnte man in Bremen und Hamburg jeweils ein Unentschieden erkämpfen. Gegen Gegner also, denen Gladbach nur glücklich zwei Punkte abtrotzen konnte. Und auch bei den übrigen Auswärtsauftritte präsentierte man sich keineswegs als Absteiger. Lediglich Bayern, Dortmund und Leverkusen konnten ihre Heimspiele mit zwei Toren Unterschied gewinnen. Der Rest war Kampf pur. Man ist an der Weisweiler-Allee also gut beraten, sich nicht von dem letztlich souveränen Sieg aus dem Hinspiel blenden zu lassen. Die SpVgg zu unterschätzen kann tödlich sein. Hinsichtlich der Punkterfolge bei den Europapokal-Anwärtern Schalke, Mainz, Frankfurt und Hamburg könnten die Heimspiele gegen den Tabellenletzten in diesem Jahr sogar das berühmte Zünglein an der Waage sein.

Auch wenn man es in Mönchengladbach nicht laut aussprechen mag, ist das Erreichen der Europapokalplätze kein Muss, wohl aber ein Ziel. Nach dem letzten Auftritt in Freiburg scheint es, dass die Mannschaft um Lucien Favre noch nicht bereit für eine erneute Qualifikation ist. Allerdings trifft dieses Argument auch für das halbe Dutzend Mitkonkurrenten zu. Zuletzt durfte sich der HSV am letzten Wochenende glücklich schätzen, in München nicht zweistellig verloren zu haben. Doch auch der Rest tritt keinesfalls souverän auf. Fast hat es den Anschein, als habe in der höchsten deutschen Spielklasse eine neue Höflichkeit Einzug gehalten, frei nach dem Motto: „Bitte nach Ihnen!“. Es ist also zu erwarten, dass die Vergabe der Europapokalplätze erst auf der Zielgraden der Saison entschieden wird. Erfahrungsgemäß werden die Vereine oben stehen, die in den nächsten Spielen die wenigsten Schwächen zeigen und die Nerven behalten. Drei Punkte im kommenden Heimspiel sind also enorm wichtig.

Paradoxerweise spricht grade der schwache Auftritt in Freiburg für die Borussia. Auch wenn man in der laufenden Saison selten in der Lage war, eine gute Form zu konservieren, trifft dies auch für das Gegenteil zu. Dürftigen Auftritten gegen Dortmund oder Bremen folgten kühl herausgespielte Erfolge gegen die Mitkonkurrenten aus Frankfurt und Hannover. Die Qualität der Mannschaft wurde dabei ansatzweise deutlich, sie kann eben nur noch nicht regelmäßig abgerufen werden. Nun bewahrheitet sich die Prognose von Trainer Favre, diese Saison diene in erster Linie der Findung. Betrachtet man die gesamte Saison, ist eine positive Entwicklung unverkennbar. Besonders die Defensive hat an Stabilität gewonnen und auch in der Offensive sind mit der letzten Umstellung deutliche Fortschritte erkennbar. In Mönchengladbach ist nach den Abgängen dreier Basisspieler erneut ein Team gereift, welches mit etwas Glück erneut nach den Europapokalplätzen greifen kann. Vorausgesetzt, man behält die Nerven.

Personell können beide Kontrahenten fast aus dem Vollen schöpfen. Martin Stranzl ist aufgrund seiner fünften gelben Karte gesperrt und wird von Roel Brouwers vertreten. Der Holländer hat schon mehrfach bewiesen, dass er ein hervorragender Backup ist und Ausfälle in der Innenverteidigung ohne größere Qualitätsverluste ausgleichen kann. Der Ausfall von Neuer-Schreck Heinrich Schmidtgal aufgrund muskulärer Probleme dürfte die Franken hingegen ungleich schwerer treffen. Zurückkehren wird Arango, der zuletzt aufgrund der Reisestrapazen eine Pause bekam. Voraussichtlich wird Oscar Wendt wieder für Daems in die Viererkette rücken. Aufgrund der dringend benötigten Punkte wird sich Lucien Favre für die vermeintlich offensivere Variante entscheiden.  Bemerkenswert ist, dass sowohl Nordtveit als auch Xhaka bei der nächsten Verwarnung pausieren müssen. Es wäre also zu wünschen, dass nicht beide mit der gelben Karte bedacht werden, wobei sich ein Einsatz von Xhaka wohl erst durch den Spielverlauf entschieden wird. Neben Nerven kann eben auch die Breite des Kaders das Zünglein an der Waage sein.

 

Der Mythos: ter Stegen - Jantschke, Dominguez, Brouwers, Wendt - Nordtveit, Marx - Herrmann, Arango – Younes - de Jong

Die Tradition: Grün - M. Zimmermann, Sobiech, Mavraj, Baba - Pekovic - Klaus, Fürstner, Varga, Nehrig – Sararer

 

Tipps:

Thomas Häcki: Da vermutlich alle auf einen klaren Heimsieg tippen, spiele ich mal den Advocatus Diaboli. Nach dem enttäuschenden 1:1 kommt vielen Anhängern der Boden der Tatsachen besonders hart vor.

Christian Heimanns: Das Spiel wird nicht aussehen wie ein 2:1 Heimsieg. Das Ergebnis zum Glück wohl.

Christian Spoo: Es wird zäh, verdammt zäh. Fürth steht tief, Borussia fällt nichts ein. Einmal klappts dann aber doch, sei es durch einen Arango-Geniestreich, einen Herrmann-Antritt oder einen Brouwers-Kopfball. Und so hält der 1:0-Sieg unsere merkwürdigerweise immer noch existente Europa-Chance am Leben.